Sandfelsen, die in der Sonne glänzen, geheimnisvolle Dolinen, ewig grüne Pinien, Mastixsträucher und der schimmernde Atlantik. Eine Kombination, die Wanderer oberhalb der Klippen bei Lagoa immer wieder zum Staunen bringt und den Gedanken hervorruft: Ein Paradies auf Erden!
Die Felsen, der feine, weiße Sand und das kristallklare Wasser des Strandes Praia da Marinha sind ein beliebtes und häufiges Algarve-Postkartenmotiv. 1998 wurde dieser Strand vom Umweltministerium wegen seiner Einzigartigkeit als „Praia Dourada“ (Goldener Strand) ausgezeichnet. Er zählt zu den 10 schönsten Stränden Europas und zu den 100 schönsten weltweit und wurde auch deshalb oft von nationalen und internationalen Werbeagenturen und Fernsehsendern für den Dreh von Werbespots ausgewählt, die das Publikum von paradiesischen Reisezielen träumen lässt. Wer in der Algarve lebt oder in der Region Urlaub macht, muss hingegen nicht davon träumen. Die Region ist knapp über 200 km lang. Egal ob man im Osten oder im Westen lebt, bis zur Praia da Marinha sind es höchstens zwei Fahrstunden und die lohnen sich auf jeden Fall! Hier, an diesem himmlischen Fleckchen Erde, startet die 5,6 km lange Wanderroute „7 Vales Suspensos“, die oberhalb der Sandfelsen von Praia da Marinha bis zum Vale Centeanes nahe Carvoeiro führt. Hin und zurück fast 12 km. Daher beschlossen wir, lediglich den zirka 2 km langen Abschnitt zwischen Praia da Marinha und Praia de Benagil, zu wandern. Dieser hat auch den Reiz, im Gegensatz zum restlichen Wanderweg, unbebaut zu sein. Start ist also am Parkplatz von Praia da Marinha. Der Wanderweg wurde 2010 anhand bestehender Trampelpfade und Wege ausgeschildert. Den Namen „Vales Suspensos“ (Hängende Täler) verdankt die Route sieben Wasserläufen, die die Felsenküste unterbrechen und im Laufe der Jahre die Täler ausbildeten. Das Wasser des Atlantiks, das hier so klar ist, dass der Meeresgrund deutlich zu erkennen ist und aus Praia da Marinha ein beliebtes Taucherziel macht, trug ebenfalls zur Veränderung der Küste bei. Es hat Grotten ausgehöhlt, Bögen, Dolinen und Leixoes geformt, die unseren Atem stocken lassen und uns die Macht der Natur verdeutlichen. Die Erosion führt jedoch auch zu Einsturzgefahr, und diese ist an vielen Stellen der Küste von Lagoa hoch. Seit Mai 2013 ist der Strand von Praia da Marinha daher als „Praia de uso limitado“ eingestuft. Locker übersetzt: Es besteht Einsturzgefahr, Badegäste nutzen den Strand auf eigenes Risiko. Oberhalb der Klippen wurde allerdings für die Sicherheit gesorgt. An einigen Felsvorsprüngen und um die Dolinen wurden Holzbegrenzungen angebracht. Diese sollten unbedingt beachtet werden, denn sie markieren die Stellen hoher Einsturzgefahr. Leider sieht man immer wieder Touristen, die sich in halsbrecherischer Höhe wie Akrobaten aufführen indem sie direkt bis zum Felsvorsprung vordringen und dann noch versuchen hinabzusteigen. Auch sind einige Aussichtspunkte markiert, von denen man einen freien Blick auf die traumhaft schöne, umliegende Landschaft hat und bei klarem Himmel gen Osten sogar Albufeira erkennen kann. Tafeln informieren Wanderer über die geologischen Formationen, über Flora und Fauna. Durch das trockene Klima, mit langen warmen Sommern und wenig Regen im Winter, der noch dazu schnell in dem Kalkstein versickert, und wegen der salzhaltigen Seeluft wachsen auf den Klippen vor allem Mastixsträucher. Aber auch aromatisch duftende Sträucher und Halbsträucher wie Thymbra- und Thymian-Arten, darunter der nur in der Algarve vorkommende tomilho-cabeçudo, der durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/ EWG geschützt ist, Rosmarin und Fenchel. Unsere Nase nimmt vor allem den Thymian wahr. Vom Klippenrand etwas weiter entfernt, wachsen Wacholder, Kermes-Eichen, Zwergpalmen und Pinien. Im Frühling, wenn Orchideen und Lilien wie die Spiegel- oder die Ragwurz und die Spanische Schwertlilie blühen, gewinnt diese ohnehin atemberaubende Landschaft noch an Farbe. Zu der hier lebenden Fauna gehört u.a. die Samtkopf-Grasmücke, ein Singvogel, der weniger scheu ist und sich oft zeigt. Das Wildkaninchen ist hingegen sehr scheu und bleibt in Deckung. Mit Ausnahme von zwei oder drei Stellen, die für Menschen mit Gehbehinderung, Hüftproblemen o.ä. schwieriger zu überwinden sind, kommen wir mühelos am pittoresken Strand von Benagil an. An den Hang schmiegen sich kleine, weiß gestrichene, typische Algarve-Häuser und oberhalb der Felsen protzen Villen, die irgendwie nicht ins Bild passen wollen. Zirka 2 km sind wir bereits gewandert. Zurück werden es etwas mehr sein, da wir einen Abstecher in den Pinienwald planen. Wir laufen oberhalb bis zum letzten – leider nicht zugänglichen – Strand zurück und nehmen von dort einen Weg Richtung Norden durch den Pinienwald. An der Lichtung biegen wir rechts ab und folgen dem Weg bis zu einem Haus und von dort gen Süden erneut bis zur Küste. Mehrere Trampelpfade sind vorhanden und wer einen guten Orientierungssinn hat, kann den Weg abkürzen und Richtung Osten statt Süden gehen. Dennoch sollte der Bewuchs nicht niedergetreten und Privateigentum berücksichtigt werden. Nach insgesamt zwei Stunden und zirka 5 km sind wir zurück am Start und davon überzeugt, privilegiert zu sein in dieser atemberaubenden Region zu leben.
Anabela Gaspar
ESA 01/14