Ein Bootsausflug, im einzigartigen Naturschutzgebiet Parque Natural da Ria Formosa, ist schon für sich ein Erlebnis. Wenn man zudem noch jede Menge über Land und Leute sowie Fauna und Flora erfährt, wird es zu einem unvergesslichen Tag
Der Ausflug an Bord eines der Boote des Unternehmens Sabino Boat Tours ist wie ein Überraschungsei: Drei in eins – ein Ausflug, ein Biologie- und ein Geschichtsunterricht. Aber keine Angst, langweilig wie in der Schule wird es nicht! Egal ob mit João Sabino, einem ehemaligen Muschelzüchter, der vor acht Jahren den Umstieg zum Ausflugsunternehmer wagte, oder mit einem der anderen Skipper, Unterhaltung und viel Wissenswertes sind garantiert. Mit viel Liebe und Enthusiasmus bringen sie den Gästen die Geschichte ihres Heimatortes Olhão und der vorgelagerten Inseln näher.
Start ist am Kai von Olhão. Mit Blick auf die Markthalle erfahren wir, wie aus der kleinen Fischergemeinde die „Stadt der Restaurierung“ wurde sowie kurioses zur einzigartigen Architektur des historischen Stadtkerns.
Einst war die Gegend nur zwischen März und Mai bewohnt, wenn Fischer aus der Umgebung und ihre Familien zum Thunfischfang hierher kamen. Die einfachen Hütten aus Holz, Schilfrohr und Stroh, in denen sie damals lebten, dienten ihnen noch bis Ende des 19. Jahrhunderts als Behausung. Erst dann erteilten ihnen die Behörden von Faro Baulizenzen und da die Fischer oft in Marokko waren, bauten sie ihre Häuser nach dem Bild der Gebäude, die sie in Agadir und anderen marokkanischen Städten sahen. So kam es, dass die Architektur in Olhão den stärksten arabischen Einfluss hat, obwohl die Mauren sich dort nie niederließen und die Stadt eine der wenigen in der Region ist, in der es keine arabischen Fundstätten gibt. Den Namen verdankt der Ort einer großen Süßwasserquelle, auf Portugiesisch Olho de Água (in der Vergrößerungsform Olhão), welche laut Historikern nahe des heutigen Jardim João Serra lag. Doch was selbst viele Einheimische eventuell nicht wissen ist, dass die Stadt eigentlich Olhão da Restauração heißt. So nannte der König D. João VI die Ortschaft nach der Revolte von Olhão im Juni 1808, die zur Befreiung der Algarve von den napoleonischen Truppen führte. Eine Replik des Einmasters Bom Sucesso, mit dem die Fischer in See stachen, um dem König, der in Brasilien im Exil war, die Botschaft von der siegreichen Restaurierung zu überbringen, liegt heute im Hafen.
Diesen lassen wir nun zurück, um in die Gewässer der Ria Formosa, eines der sieben Naturwunder Portugals einzudringen. Das Naturschutzgebiet, das sich von Quinta do Lago im Westen bis Cacela Velha im Osten erstreckt und aus zwei Halbinseln und fünf Inseln besteht, ist für Jaime das Kronjuwel der Algarve. Die Lagunen und die Kanäle dieses einzigartigen Ökosystems sind eine natürliche Aufzuchtstation für verschiedene Wasserspezies und der Lebensunterhalt vieler Fischer und Muschelzüchter. Für Jaime ist die biologische Vielfalt das, was die Ria so beeindruckend macht. In ihm scheint ein Ornithologe verloren gegangen zu sein. Kleine Punkte in der Ferne deutet er sofort als Seiden- oder Graureiher, Kormorane, Austernfischer, Säbelschnäbler, Sandregenpfeifer, Steinwälzer, Uferschnepfen, Alpenstrandläufer oder Zwergseeschwalben. Ferngläser für eine optimale Beobachtung dieser und anderer Vogel- und Entenarten, die hier leben, hat er an Bord für alle Gäste parat.
Die Gewässer der Ria bieten nicht nur Wasservögeln und Fischen einen idealen Lebensraum, sondern eignen sich ebenfalls für die Austernzucht. Hier und da, wo das Wasser niedriger ist, stehen sogenannte Tische (mesas), auf denen die Austern in feinmaschigen Netzen liegen. Bei Flut sind die Austernzuchten nur durch die in die Luft ragenden Stöcke zu erkennen. Praktisch die gesamte Produktion wird nach Frankreich exportiert. Dennoch kann man in einigen Restaurants der Umgebung diese Delikatesse aus der Ria genießen.
Nach einem kleinen Sprung in den Atlantik, gehen wir bei der Ilha Deserta an Land. Einst war diese Insel bewohnt und hieß Ilha da Barreta, so Jaime. Doch als die Behörden die Ria Formosa 1987 zum Naturschutzgebiet erklärten und die Inseln renaturalisieren wollten – ein Vorhaben das bis heute noch läuft und immer wieder für Polemik und Unruhe sorgt – wurden die Gebäude abgerissen und die Insel in Deserta, was so viel wie verlassen oder verwüstet bedeutet, umgetauft. Lediglich Senhor Alves, ein alter Fischer und sein Hund Bolinhas leben bis heute auf der Insel. Doch ihr Haus ist nicht das einzige Gebäude. Einem Unternehmer gelang es, nicht nur die Konzession des paradiesischen Strandes sondern auch eine Lizenz für ein Restaurant zu erhalten. Das Bootsunternehmen, das die Gäste und Badelustige zur Insel bringt, war natürlich der nächste logische Schritt. Deserta ist jedoch keineswegs menschenleer. Im Gegenteil. Ein Boot nach dem anderen legt dort an, um die Gäste für einen Strand- oder Restaurant-Besuch an Land zu bringen. Seit Kurzem kann ein Spaziergang auf der Insel auch über einen etwa sechs Kilometer langen Laufsteg erfolgen, sodass die Vegetation der Dünen nicht zertrampelt wird.
Nächster Stopp ist die gegenüberliegende Ilha do Farol. „Wir Portugiesen sind sehr kreativ bei der Namensgebung“, so Jaime lächelnd. „Nachdem wir die Gebäude auf einer Insel abreißen, nennen wir sie Deserta. Hier haben wir einen Leuchtturm, auf portugiesisch farol, gebaut und den Ort Farol genannt.“ Die Gemeinde, eine von dreien, liegt am Westeck der Ilha da Culatra, das der südlichste Ausdehnungspunkt von Portugals Festland ist. Anders als Hangares und Culatra, die anderen beiden Gemeinden der Insel, ist diese eher ein Ferienresort. Ganzjährig leben hier zirka 40 Personen. Im Sommer sind es dann um die Tausend. Die meisten Häuser stehen zu dieser Jahreszeit noch leer. Während wir durch die schmalen Gassen entlang traditioneller und moderner Bauten, meistens nur erdgeschossig und praktisch alle mit gepflegtem Vorgarten, schlendern, treffen wir außer anderen Touristen, die wie wir hier einen Stopp machen, nur zwei oder drei Bewohner. Im Mittelpunkt der Gemeinde wacht strahlend weiß und mit roter Kuppel der 50 Meter hohe Leuchtturm Farol de Santa Maria.
Hangares ist die kleinste der drei Gemeinden. „Auch hier waren wir sehr erfinderisch bei der Namensgebung“, so Jaime ironisch, denn Hangares bedeutet Hangar, also eine Halle, in der Flugzeuge abgestellt werden. Und genau diesem Zweck diente die Insel während des Ersten Weltkrieges: Dort lag ein Marine-Fliegerzentrum für den Kampf gegen U-Boote. Dann geriet die kleine Ortschaft in Vergessenheit. Doch seit August 2017 haben die Marinesoldaten dort ein Trainingslager.
Zuletzt besuchen wir Culatra. Hier lebten Anfang des 19. Jahrhunderts saisonal Männer, die im Thunfisch- und Sardinenfang tätig waren. Gegen 1850 ließen sich die ersten Familien nieder. Heute zählt die Gemeinde zirka 1.000 Einwohner. Der Großteil der Bevölkerung lebt von den Meereserträgen. Seit der Gründung des Naturschutzgebietes kämpfte diese Fischergemeinde, um den Abriss ihrer als illegal bezeichneten Häuser zu verhindern. Ende 2017 konnten sie endlich erleichtert aufatmen. Eine im Gesetz eingeführte Änderung sieht vor, dass die Fischer 30-jährige Flächennutzungslizenzen beantragen können, damit ihre Häuser legal und sie die rechtlichen Eigentümer sind. Jaime erwähnt auch weniger ernste Daten und Fakten über die Gemeinde, zum Beispiel, dass hier am meisten Bier pro Person im Land getrunken wird.
Während wir zurück nach Olhão fahren, lasse ich die letzten drei Stunden Revue passieren. Die überaus positiven Kommentare über Sabino Boat Tours bei Tripadvisor kann ich nun vollkommen nachvollziehen. Doch die beliebten Ausflüge zur Beobachtung von Seepferdchen bietet João nicht mehr an. „Seepferdchen sind eine bedrohte Art, deren Population in der Ria immer stärker zurückgeht und wir möchten keineswegs zu ihrem Aussterben beitragen“, so João.
Sabino Boat Tours
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Mob.: (+351) 915 661 860
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Lat: 37.024041 Long: -7.837710
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Text: Anabela Gaspar in ESA 06/2018
Fotos: Anabela Gaspar, Carlos Pinto