Das jüdische Erbe in Portugal wird immer bekannter und ist mittlerweile Teil vieler touristischer Routen im Land. Auch in Faro wird ein solcher Rundgang angeboten. Dabei geht es jedoch nicht um die Besichtigung von Denkmälern, sondern um die Geschichte dieser jüdischen Gemeinde
Schon während des Römischen Reiches lebten Juden in dem Gebiet, das im Jahr 1139, mit der Selbsternennung von D. Afonso Henriques zum König, Portugal werden sollte. Die jüdische Gemeinde von Faro soll eine der ältesten gewesen sein. Als D. Afonso III die Stadt 1249 eroberte und ihr 1266 die Stadtrechte verlieh, verbot er Christen und Juden, die Mauren, die in der Stadt zurückblieben, zu belästigen. Aber vor allem im 14. Jahrhundert nahmen die jüdischen Gemeinden in den wichtigsten Städten zu. In der Algarve waren dies Faro, Tavira und Silves. Nach den von Heinrich dem Seefahrer initiierten Entdeckungsreisen und der damit verbundenen Ausweitung des Handels, trafen auch immer mehr Juden in anderen Städten ein, wie Lagos, das einer der wichtigsten Häfen war und viele jüdische Kaufleute anzog. So viele, dass sie bald nicht mehr in den gesetzlich festgelegten Judenviertel passten und Prinz Heinrich den Seefahrer baten, sich in den für Christen vorgesehenen Viertel niederlassen zu dürfen. Was ihnen auch gewährt und in der Regierungszeit von König Afonso V. (1438-1481) bekräftigt wurde. Konflikte führten jedoch 1481 zur Festlegung eines neuen Judenviertels. In Tavira lag es dort, wo später der Convento da Graça und heute eine Herberge ist. Die ehemalige Synagoge wurde 1542 in die Kirche Igreja de Nossa Senhora da Graça umgebaut. Auch in Alcoutim, Alvor, Loulé, Portimão und Castro Marim gab es sogenannte judiarias.
Das Judenviertel in Faro zeichnet sich dadurch aus, dass es mit der Ausgabe von -Samuel Gacons „Pentateuco“ im Jahr 1487 die Wiege der Presse in Portugal war. Die Reise durch das jüdische Erbe in der Hauptstadt der Algarve besteht aus 14 Stellen und führt zum ehemaligen jüdischen Viertel und zu den Straßen, wo die Synagogen und die Häuser einflussreicher Juden lagen. Startpunkt ist am Arco da Vila, dem Eingang zur von Mauern umschlossenen Altstadt. Eine kleine am Boden angebrachte Schiefertafel gibt in Portugiesisch, Englisch und Hebräisch an, dass die aus 35 Familien bestehende jüdische Gemeinde administrativ und juristisch organisiert war. Auf ihren Einfluss deutet, dass hier einer der Delegierten des Oberrabbiners von Portugal ansässig war, der die Anliegen der Gemeinde dem König persönlich vortrug. Diese Schieferplatte ist leider eine der wenigen der Route, die nicht zerstört wurden.
Erst seit Kurzem eröffnet und somit die zuletzt hinzugefügte Stelle der Tour, aber die erste, die besichtigt wird, ist der Núcleo Histórico da Imprensa de Gutenberg e do Pentateuco de Faro. Das kleine Museum wurde in der ehemaligen Kapelle des Bischofspalastes eingerichtet und zelebriert das erste in Portugal gedruckte Buch, das „Pentateuco“, und die Rolle der Typografie und der Kommunikationen für die Verbreitung von Wissen. Ein Teil der Ausstellung ist Johannes Gutenberg gewidmet, Erfinder des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern und der Druckpresse. Mit Gutenbergs System druckte Samuel Gacon 1487 auf Hebräisch das Pentateuch (die Tora, die aus den fünf Büchern Moses besteht) in seiner Werkstatt im Judenviertel. Das Buch, das Teil der Bibliothek des Bischofs der Algarve D. Fernando Martins Mascarenhas war, befindet sich heute in der Bodleian Library der Oxford University. Es soll vom Feldherr Robert Devereux, 2. Earl of Essex, als dieser 1596 Faro angriff und niederbrannte, gestohlen worden sein. Seit 2013 fordert der Verein Faro 1540 die Rückgabe der damals gestohlenen Bücher und bezieht sich dafür auf die Jahrhunderte alte diplomatische Beziehung zwischen Portugal und England. Zum Zeitpunkt des Angriffes war die Allianz jedoch ausgesetzt, da Portugal unter spanischer Herrschaft stand.
Nächster Stopp ist am städtischen Museum. Auf diesem Grundstück befand sich im 15. Jahrhundert das Judenviertel. Später wurde dort das Kloster gebaut und nach der Auflösung der religiösen Orden im Jahr 1834 diente das Gebäude vorübergehend als Lager für Fischfanggeräte und der Salzlagerung für Fisch, bevor es vom Juden Samuel Amram gekauft und in eine Korkfabrik umgewandelt wurde, die noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb war.
Doch wie kam es, dass das Judenviertel zu einem Kloster wurde? Die Ruhe und der Frieden, die die in Portugal lebenden Juden genossen, endete abrupt im Jahr 1496, als König D. Manuel ihre Vertreibung anordnete, denn sein Ehevertrag mit der Prinzessin Isabel von Spanien enthielt eine Klausel, die die Ausweisung von Mauren und Juden aus Portugal forderte. Zirka 20 % von Portugals Bevölkerung war damals jüdisch, viele davon waren Intellektuelle und einflussreiche Kaufleute.
Etwa 300 Jahre später, nach dem verheerenden Erdbeben von 1755, beschloss der Marquês de Pombal, die Erben der vertriebenen Juden einzuladen, nach Portugal zurückzukehren. Sein Ziel war es, die Wirtschaft des Landes zu stärken. Die Ersten kamen etwa 1780 aus Marokko und Gibraltar. Die große „Rückkehr“ erfolgte ab 1821 mit der Abschaffung der Inquisition – und somit dem Ende der Verfolgung der Juden – in Portugal. Die jüdische Gemeinde von Faro ließ zwei Syna-gogen errichten (Rua Castilho) und die sogenannte Casa dos Pobres, eine Institution, die jüdischen Neuankömmlingen mit finanziellen Schwierigkeiten zu einem Start verhalf (Rua Manuel Belmarço). In der Rua de Santo António in der Fußgängerzone hatten viele Juden ihre Geschäfte und Häuser. Dort wurde 1863 auch der Club Farense ins Leben gerufen. Unter den Gründern und Mitgliedern waren viele Juden und 1889 wurde Abram Amram zum Vorsitzenden gewählt. Der Club war Treffpunkt der Elite der Stadt und die Räumlichkeiten im Haus Nr. 30 der Rua de Santo António besitzen noch ein wenig den Charme der alten glorreichen Tage.
Eine kuriose Geschichte zu Abram Amram ist, dass er derjenige war, der seine Möbel, Silberbesteck und Porzellangeschirr dem Bischof lieh, damit dieser 1897 den König D. Carlos und die Königin D. Amélia während ihres Aufenthaltes im Bischofspalast ehrwürdig empfangen konnte.
Ebenfalls in der Fußgängerzone, in der Rua D. Franciso Gomes, wo bis vor Kurzem das Restaurant Chelsea in Betrieb war, war früher das Haus der Zwillinge Samuel und Joel Sequerra. 1913 in Faro geboren, gingen ihre Namen in die Annalen ein, weil sie während des Zweiten Weltkrieges etwa 1.000 Juden, die an der französisch-spanischen Grenze festgehalten wurden, zur Flucht verhalfen. Sie waren als Freiwillige beim portugiesischen Roten Kreuz und beim American Jewish Joint Distribution Committee tätig. Ihre Aufgabe bestand darin, Juden aus spanischen Gefangenenlager zu befreien, Unterkunft und Visa für sie zu organisieren, sodass sie weiter nach Portugal und von hier nach Amerika reisen konnten.
Etwas weiter nördlich, in Bordeaux, rettete der Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes im Juni 1940, als die deutsche Wehrmacht Frankreich besetzte, mit dem eigenmächtigen Ausstellen von Visa das Leben von 10.000 Juden. Ingesamt verhalf er 30.000 Menschen zur Flucht vor den Nationalsozialisten. In Ehren an ihn wurden 18 Zypressen rund um den jüdischen Friedhof in Faro (Rua Leão Penedo) gepflanzt. Das Grundstück wurde 1851 von Joseph Sicsu, Moses Sequerra und Samuel Amram für die jüdische Gemeinde gekauft, mit dem Ziel dort den Friedhof zu platzieren. Hier befinden sich 72 Gräber und ein Museum, in dem unter anderem einige Möbel der ehemaligen Synagogen zu sehen sind.
Die hier genannten Geschichten sind nur einige der, die Ana Teresa Rodrigues während des etwa eineinhalb stündigen Stadtrundgangs erzählt.
Kontakt:
Ana Teresa Rodrigues
Mob.: 963 195 161
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 06/2019