Nationalwald Barão de São João
Bei der kleinen Ortschaft Barão de São João, die vor allem wegen des nahegelegenen Zoos bekannt ist, erstreckt sich ein 207 Hektar großer Wald, der während der Entdeckungsreisen im 15. Jahrhundert als Holzlieferant für den Bau der Karavellen von Bedeutung war und heute ein ideales Erholungs-, Sport – und Wandergebiet ist
Knappe 40 km fahren wir von Lagoa bis zum westlichen Ende der A22 und durch Bensafrim, bis wir in Barão de São João ankommen. Dort folgen wir den Schildern „Mata Nacional“ durch die schmalen Gassen und kommen schließlich an einen kleinen Parkplatz oberhalb der Ortschaft, der Startpunkt der heutigen 6 km langen Rundwanderung auf der Route „Pedra do Galo“ ist. Der breite Schotterweg gen Norden, an dessen Anfang links und rechts auf zwei großen Steinplatten ein Hirte und eine Landarbeiterin dargestellt sind, führt zuerst durch Akazien und Eukalyptusbäume. Erst nach der Gabelung, an der es rechts zum Försterhaus (Casa do Guarda) und zur Picknickanlage (Parque de Merendas) geht, beginnt der Pinienwald, der 160 Hektar der Mata Nacional umfasst. Wir beschließen weiter Richtung Norden zu wandern, sodass wir kurz vor Abschluss der Tour eine kleine Rast an der Picknickanlage einlegen können. An der Kreuzung, an der sich die Routen „Pedra do Galo“ und „GR 13“ der Via Algarviana treffen, gehen wir 140 Meter weiter geradeaus, um den aus dem Paläolithikum stammenden Menhir zu sehen, nach dem die Route benannt wurde. Eine Sehenswürdigkeit ist dieser runde Kalkstein allerdings nicht, dafür der Blick auf die Hügelkette im Norden und die umliegende Landschaft, der sich uns an der Kreuzung öffnet. Nach dem kleinen Abstecher folgen wir nun der gelb-rot markierten Route am Rande des Waldgebietes gen Westen. Beeindruckender als der Menhir sind die modernen Windräder, auch wenn sie das Landschaftsbild trüben. Immer wieder sehen wir Pfade, die durch den dichten und für die Algarve eher untypischen Wald führen, denn außer der markierten Route gibt es fünf weitere innerhalb der Mata Nacional, die alle zur Picknickanlage oder zum Parkplatz führen. Verlaufen kann man sich also eher nicht. Wir folgen jedoch der „Pedra do Galo“-Route und schließlich auch einem Pfad, der zwischen den schattigen Pinien nach Süden führt. Nur wenige Meter danach entdecken wir rechts vom Weg einen kleinen Teich. Es ist eigentlich nicht mehr als eine große Pfütze mit schmutzigem, schlammigem Wasser. Aber aus dem Schlamm wachsen saftig grüne Blätter und Stiele, an deren oberen Enden eine mit Orchideen vergleichbare lila Blume blüht. Als wir uns dem Wasser nähern, um die Blumen näher zu betrachten, stürzen sich sogleich mindestens ein Dutzend Frösche ins Wasser. Diese standen allerdings nicht auf der Liste der hier zu beobachtenden Fauna. Aber Wildhasen und -schweine sowie Füchse, Ginsterkatzen und Ichneumone leben hier das ganze Jahr über. Im Frühling und im Sommer sind häufig Rothühner zu sehen. Unter den Vögeln werden Blauelstern, Pirole und Wiedehopfe hervorgehoben. Abends sollen Steinkauze und Nachtschwalben unterwegs sein. Mäusebussards kreuzen mitunter den Himmel, und auch der Habichtsadler soll ab und an hier zu Gast sein. Ich konnte lediglich einige Schrecken, Schmetterlinge, Kohlmeisen und die besagten Frösche entdecken. Als wir dann schon die ersten Häuser von Barão de São João in der Ferne erblicken, führt der Weg uns links zurück in den Pinienwald. Zwischen den Pinien sehen wir nun immer mehr Erdbeerbäume, die berühmten Medronheiros, aus deren Frucht der noch berühmtere Medronho-Schnaps gemacht wird. Ein ganzer Hang ist mit ihnen bewachsen. Wir suchen uns einige rote, reife Früchte aus, stellen jedoch fest, dass sie leider nicht wie üblich süß, sondern sehr bitter schmecken. Kurz darauf befinden wir uns wieder im dichtbewachsenen Wald. Im Winter läuft hier links vom Weg ein kleiner Bach. Die ersten Regenfälle waren aber noch nicht stark genug; lediglich der Verlauf ist zu erkennen. Am Wegesrand fällt mir plötzlich ein Stein auf, der wie ein Fischkopf aussieht. Nicht die Natur, sondern der Mensch war hier am Werk, denn nahe dem Fischkopf entdecke ich weitere Steine, in die Gesichter und Fische gemeißelt wurden. Es folgen Steine, auf denen Blumen, Gesichter und Gedichte zu sehen sind. Die Verse sind den jahrhundertealten Bäumen gewidmet, dem Wald an sich; Gedichte über die fahlen Sonnenstrahlen, die es durch die Baumkronen und Äste hindurch schaffen. Einer davon fasst zusammen, wie man sich hier zwischen den ewig grünen Pinien fühlen mag: „Dieser Wald hat keine Türen/ er ist für alle offen/ wer ihn betritt kommt nicht mehr raus/ fliegt frei in ihm“. Pedro Magalhães, Autor dieser Verse, hat vollkommen Recht. Es ist nicht so, dass man den Weg hinaus nicht findet, sondern man will viel lieber hier verweilen! Der letzte Stein verrät mir, dass all diese Werke 2012 geschaffen wurden und den „Passeio dos Poetas“, den Weg der Dichter, darstellen. Leider konnte ich dazu nicht mehr erfahren. Hier liegt auch der Picknickplatz mit einem alten Brunnen, überdachten Grillplätzen, Holz- und Steinbänken und -tischen – ideal für den kleinen Familienausflug oder für eine Rast nach dem Wandern. WCs befinden sich einige Meter entfernt am Parkplatz der Anlage, allerdings nicht in bestem Zustand. Auch ein Trimmdichpfad mit 14 Stationen ist vorhanden. Kurz darauf erreichen wir das alte Försterhaus, das ein schönes Anwesen gewesen sein muss, heute jedoch dem Zerfall überlassen ist. Dies scheint aber eine Gruppe junger Italiener, die sich dort niedergelassen hat, nicht zu stören. Wanderer stören sie offenbar auch nicht, denn während wir vorbeilaufen, singen und tanzen sie fröhlich weiter. Auch wir nähern uns gut gelaunt dem Weg, der uns zurück zum Auto bringt. Wandern an der Algarve muss nicht gleich Klippen oder Serra bedeuten, es kann auch mitten in einem dichten Wald, wie man es aus Nordeuropa kennt, stattfinden.
Text: Anabela Gaspar
ESA 11/14