Die Bezeichnung „Costa d´Oiro“ betrifft wohl den Farbton der Felsen bei der Ponta da Piedade, wenn sie im Sonnenlicht schimmern. Aber sie könnte sich ebenso auf die unermesslichen Naturwerte dieser wildzerklüfteten Landschaft beziehen
Mein erster Gedanke, als ich um den Leuchtturm biege und vor mir die skurrilen Felsen mit dem weiten Atlantik im Hintergrund liegen sehe, ist schlicht und einfach: grandios. Obwohl dies nicht mein erster Besuch hier ist, lässt mich die Landschaft immer wieder sprachlos sein. Schmunzelnd betrachte ich die Gesichtsausdrücke der Touristen um mich herum. Sie stimmen mir alle eindeutig zu! Eine beeindruckende Kulisse aus bizarr geformten Felsen, die bis zu 20 Meter emporragen und im Kontrast mit dem blaugrünen Wasser ein wahres Postkartenmotiv bilden. Kein Wunder, dass die Ponta da Piedade einer der touristischsten und meist fotografierten Plätze der Algarve ist.
Seit etwa einem Jahr kann diese stark zerklüftete Sandsteinküste nun sicher auf einem Holzsteg erkundet werden. Ein Projekt, das sehr umstritten war. Die Tausende Besucher, die dieses paradiesische Fleckchen Erde jährlich anzieht, bringen auch Negatives mit sich: Das Zertreten der Vegetation, welches wiederum zu einer verstärkten Bodenerosion führt. Daher hatte die portugiesische Umweltagentur zusammen mit der regionalen Entwicklungskommission CCDR und dem Rathaus von Lagos ein Projekt ausgearbeitet, das den Bau einer Wander- und Radstrecke vom Leuchtturm bis zum Strand Praia do Canavial vorsah. Doch als die Bauarbeiten im Sommer 2017 starteten, forderten Opposition und Bevölkerung den sofortigen Stopp. Es sei die Rede von einem Holzsteg auf Pfählen gewesen, was jedoch in Bau war, war ein Weg mit Kieselsteinen, der später betoniert und von kleinen Holzpfählen begrenzt werden sollte. Das würde keineswegs in die Landschaft passen und auch die Touristen nicht davon abhalten, den Weg zu verlassen und die Vegetation zu zerstören. Die heftige Kritik führte dazu, dass doch ein Holzsteg auf Pfählen angelegt wurde. Doch nahe an den Klippen, weiter weg davon wurde der betonierte Weg fortgesetzt.
Leider hält auch der Holzsteg die Touristen nicht immer davon ab, sich außerhalb davon bis zum Felsvorsprung zu wagen. Alle die ich beobachte – Brasilianer, Deutsche, Franzosen und Engländer – machen ohne Ausnahme Selfies kurz vor den Felskanten. Sollten sie abstürzen, schadet es dem Image der Region. Dies mag sich gefühllos anhören, ist aber in der Tat so. Denn in den internationalen Medien wird meist nur veröffentlicht, dass Touristen abgestürzt sind, nicht aber, dass sie die für die Sicherheit der Besucher vorhandenen Gehwege verlassen und sämtliche Warnschilder ignoriert haben.
Der Steg und der betonierte Weg ergänzen sich und ermöglichen unterschiedliche Routen. Ersterer besteht eigentlich aus mehreren Abschnitten, die zum Teil über den Betonweg verbunden sind, und immer wieder zu den schönsten Aussichtspunkten führen. Hier und da reicht der Blick tief in feuerrote Schluchten, anderorts ragen skurrile Felsen und solitäre Agaven hoch in den Himmel, Mastixsträucher verleihen der Landschaft grüne Farbkleckse und am Horizont verschmelzen Atlantik und Himmel. Die Küste von Lagos ist ohne Zweifel atemberaubend.
Vom Aussichtspunkt oberhalb des Praia do Canavial, der letzte auf der Route, reicht der Blick weit nach Westen. Der Weg führt ab hier etwas landeinwärts und dann am Zaun des Cascade Resorts und an der Mauer eines Privathauses entlang. Die letzten Meter verlaufen unter Schirmpinien, dann endet der Weg in einer Sackgasse.
Zurück beschließe ich dem Betonweg zu folgen. Dieser könnte als schnellster Weg zurück zum Parkplatz am Leuchtturm beschrieben werden, doch er bietet die Möglichkeit, die hiesige Vogelwelt zu entdecken, die dazu führte, dass die Ponta da Piedade zum besonderen Vogelschutzgebiet erklärt wurde. Während man am Wasser Basstölpel, Schmuckreiher, große Raubmöwen, Mittelmeermöwen und Brandseeschwalben beobachten kann und auf den alleinstehenden Felsen im Wasser Wanderfalken, Raben, Dohlen, Alpen- und Fahlsegler nisten, entdecken aufmerksame Besucher Kuhreiher, Rebhühner und Singvögel an Land, wie die Haubenlerche, die Rötelschwalbe, den Hausrotschwanz, die Blaumerle, den Cistensänger, die Samtkopf-Grasmücke, den Rotkopfwürger, die Blauelster, den Bluthänfling, den Einfarbstar und die Grauammer.
Zuletzt werfe ich ein Blick ins „Wohnzimmer“ der Ponta da Piedade – die 200 Stufen hinab erspare ich mir. So wird die von Felsen umringte Bucht genannt, in der bunte Fischerboote auf Touristen warten, um ihnen die geheimnisvollen Grotten und Höhlen zu zeigen, die Wind und Wasser im Laufe der Jahrhunderte hier in die Felsen formten. Doch zu dieser Jahreszeit erlaubt das Wetter selten Grottentouren. Dafür ermöglicht der Holzsteg, von dem einige Abschnitte Teil des Fernwanderweges Rota Vicentina sind, diesen wunderschönen etwa vier Kilometer langen Rundgang in gesunder salzhaltiger Luft.
Übrigens ist ein ähnliches Projekt für den Abschnitt vom Leuchtturm bis zum Strand Dona Ana geplant. Darauf warten wir gespannt, denn als wir vor einigen Jahren diesen Abschnitt erwanderten, stellte er eine Herausforderung dar, belohnte die Anstrengung aber immer wieder mit tollen Ausblicken.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 12/2019