Seit Kurzem hat die Algarve eine neue Attraktion. Und zwar eine, die nicht nur Touristen, sondern auch Residenten anlockt: Das einzige in Portugal besuchbare Bergwerk, das unterhalb des Meeresspiegels liegt. Ein absolutes Muss
Immer wieder Mal wurde das Salzbergwerk Mina de Sal Gema in Loulé dem Publikum zugänglich gemacht und viele wünschten sich, dabei gewesen zu sein. Meistens war der Besuch jedoch Schulen und Universitäten vorbehalten oder für Aktivitäten des Centro de Ciência Viva. Seltene Ausnahmen waren 2009 die Live-Übertragung des TV-Programms „Prós e Contras“ des öffentlich-rechtlichen Senders RTP 1 zum Thema Tourismus oder das Konzert von Mário Laginha im Juli 2016 im Rahmen der Präsentation des Jazzfestivals sowie eine Kinovorführung. 2009 waren der Bau eines Spa-Hotels und eines Archivs in der Mine im Gespräch. Daraus wurde bislang nichts, doch dank einer Kooperation zwischen Tech Salt S.A., das Unternehmen, das seit Juli die Konzession der Mine besitzt, und dem touristischen Unternehmen Algarve Rotas, können sich alle Interessenten nun endlich in die Tiefen von Loulé führen lassen.
Start ist auf einem unauffälligen Gelände am Ostende der Rua dos Combatentes da Grande Guerra in Loulé. Direkt an der Zufahrt ist ein kleines Gebäude zu sehen, das den Aufzug beherbergt, rechts davon ein zweites, das den Bergleuten und Besuchern als Umkleideraum dient und links die Ruine der ehemaligen Werkstatt des Bergwerks, die eventuell ein Museum werden soll. Mit Sicherheitsweste, Schutzhelm und Lampe ausgerüstet beginnt die Fahrt in die Tiefe. Der kleine metallene Förderkorb, der an einem Seil im Schacht hängt und von einem Gegengewicht gehalten wird, flößt mir nicht unbedingt Vertrauen ein. Adriana von Algarve Rotas versichert jedoch, dass die Seilfahrt sicher ist und das System monatlich geprüft wird. „Schließlich ist eine sichere An- und Ausfahrt einer der wichtigsten Aspekte einer Mine“, so Adriana. Die Seilfahrt ist aber sicher nichts für Menschen, die unter Klaustrophobie leiden. Der Schacht ist nicht viel größer als der Aufzug, das einzige Licht ist das unserer Helmlampen. Die ersten Meter der Wand bestehen aus Kalkstein, dann aus Gips und schließlich, ab 100 Meter Tiefe, aus Steinsalz, auch Halitit oder Salzgestein genannt. Der Förderkorb hält und wir befinden uns 230 Meter unterhalb der Tagesoberfläche und 30 Meter unterhalb des Meeresspiegels!
Die Wände und Decken der Kammern sind keineswegs schneeweiß und glitzernd. Sie scheinen aus dunkelrotem marmorierten Gestein zu bestehen. Dies liegt daran, dass das Steinsalz in dieser Lagerstätte nicht nur aus Natriumchlorid besteht, sondern auch Beimengen von Gips und Tonmineralien enthält. Salzstaub tanzt in den Lichtkegeln der Helmlampen und legt sich auf Haut und Lippen. Hier und da sind feine Salzstalaktiten zu sehen. Gebildet haben soll sich diese Lagerstätte vor etwa 230 Millionen Jahren. Mit dem Aufbrechen des letzten Superkontinents der Erdgeschichte Pangaea in Laurasia und Gondwana weitete sich das Tethysmeer nach Westen. Wo sich zuvor Flachwasserzonen oder gar Festland befanden, entstanden mit der Zeit Tiefseebecken. Durch die Verdunstung von Meerwasser und dem anschließenden Prozess der Sedimentation lagerte sich Salz in dicken Schichten ab, die im Laufe vieler Millionen Jahre und mit der Schließung des Tethys, als Afrika und Indien mit Eurasien kollidierten, von weiteren Sedimentschichten bedeckt wurden und so immer tiefer unter die Erdoberfläche gelangten. Die Schichten sind im Bergwerk gut zu erkennen und dass sie oft fast vertikal statt horizontal sind, ist den tektonischen Verschiebungen zu verdanken.
Erster Stopp ist im Büro des Bergwerks. Ein kleiner, stark beleuchteter dafür spärlich ausgestatteter Raum, an dessen Wand zwei Karten hängen, in denen die Salzkammern aufgezeichnet sind. Wir staunen nicht schlecht. Das auf zwei Etagen, im Fachjargon Sohlen, verteilte Wegenetz unter Tage gleicht nebeneinanderliegenden Fischskeletten: Entlang einer breiten Fahrstraße haben die Bergarbeiter rechts und links Kammern in das Salz gesprengt. Insgesamt sind es derzeit 350 Kammern. Aneinander gereiht wären sie 45 Kilometer lang! Eine beharrliche Arbeit der Bergleute. Und dies betrifft lediglich die ersten beiden 230 und 264 Meter tief unter Tage liegenden Sohlen. Zwei weitere, mit jeweils 30 Meter Abstand, liegen darunter. Die letzte Sohle liegt in 314 Meter Tiefe, das heißt 114 Meter unterhalb des Meeresspiegels! In Zukunft könnten es mehr werden, denn die in den 60er Jahren nachgewiesene Lagertiefe beträgt 900 Meter.
Die Chronik des Salzbergbaus in der Mina de Sal Gema beginnt im Jahr 1964. Zu Beginn der 1960er Jahre erlebte die Region eine extreme Dürre. Die Brunnen waren ausgetrocknet, man bohrte tiefer und stieß auf salziges Wasser. Es dauerte nicht lange, bis jemand auf den Gedanken kam, dass es unterhalb des als Campina de Cima bekannten Gebiets Salzablagerungen gab. Dieser Jemand war Pereira Junior, ein einflussreicher Industrieller, der erste Untersuchungen durchführen ließ und 1964 die Salzgewinnung im Kammerbauverfahren in Betrieb nahm. Zu Beginn fand die Salzgewinnung durch Bohr- und Sprengtechnik statt. 1984 schlug das Salzbergwerk ein neues Kapitel auf: schneidende Gewinnungstechniken wurden eingeführt. Eine Entscheidung, die im Wohngebiet oberhalb des Bergwerks sicher begrüßt wurde, da die Sprengungen deutlich zu vernehmen waren. Bei der schneidenden Gewinnung wird eine Teilschnittmaschine (roçadora) eingesetzt. Deren beweglicher Schneidkopf ist mit Hartmetallmeißeln bestückt und schneidet das Steinsalz heraus. Anschließend wird es mit einem Schiebekastenfahrzeug zum Aufgabeförderer am Förderband transportiert, wo es grob und fein zerkleinert wird. Da das Salz aus Loulé nicht ganz rein ist, wird es als Streusalz und Tierfutter verwendet.
Zu Beginn waren hier etwa 100 Bergleute am Werk. Mit der Einführung der Teilschnittmaschine und der Automatisierung der Anlage sind heute lediglich acht Bergleute, ein Mechaniker und ein Elektriker nötig. „Letztere sind seit 40 Jahren dabei und diejenigen, die das Bergwerk am Leben halten“, so Adriana lächelnd. Noch länger dabei ist die zur Schau gestellte Maschinerie aus den 60er Jahren. „Die moderne Maschinerie stammt aus den 90ern“, erzählt Adriana gut gelaunt weiter. Doch wenn man bedenkt, dass alles was hier zu sehen ist, demontiert durch den Schacht hineingelangt und in der Mine wieder zusammenmontiert werden muss, ist es verständlich, dass die Maschinerie nicht oft ausgetauscht wird. Und auch weshalb der Mechaniker und der Elektriker eine so wichtige Rolle spielen.
Auch wenn die Mina de Sal Gema nicht so beeindruckend wie der Salzberg im spanischen Cardona mit seinen spektakulären Stalaktiten ist und nicht über eine Grubenbahn und einen Spiegelsee verfügt, wie beispielsweise das süddeutsche Salzbergwerk Berchtesgaden, lohnt sich der Besuch allemal. Mindestens einmal im Leben muss man in die Tiefen von Campina de Cima absteigen.
Mina de Sal Gema
Führungen: Mo – Fr 9.30 / 11.00 / 14.00 und 16.00 Uhr
Dauer: 2 Std
Eintritt: Erwachsene € 25; Kinder zw. 8 u. 12 Jahre € 15; Loulé-Residenten € 15; Gruppen (> 10 pax) € 20
Infos & Reservierungen: Mob. 914 534 750; mina.sal.gema.loule@mail.com
Text: Anabela Gaspar in ESA 12/2019
Fotos: Bruno Filipe Pires; Anabela Gaspar