Das Aquädukt Água da Prata
Insgesamt 18 Kilometer misst die Wasserversorgungsstraße und verläuft im Zickzackkurs durch die Landschaft von den Quellen bis in die Stadt. Eine Einladung zum Spaziergang
Évora an der Schwelle zum 16. Jahrhundert war ein überaus florierender Marktplatz, an der spätantiken Via Romana gelegen. Aus vier Himmelsrichtungen trafen sich acht Hauptverkehrsstraßen in Évora, die früher am Stadtplatz im Herzen der Stadt am Praça do Giraldo endeten und heute bis zur Ringstraße finden, die die Stadt am Renaissance Stadtmauergürtel entlang umringt. Immer mehr Familien ließen sich anno dazumal in Évora nieder. König D. Manuel I errichtete seinen Landsitz in Évora, das Oberhaus erklärte Évora zur „zweiten“ Hauptstadt, was nochmals für einflussreichen und finanziell gut situierten Bevölkerungszuwachs mit der Ansiedelung des Geldadels gesorgt hat.
Einerseits war Évora also eine prosperierende innovative Stadt, andererseits im Kern nach wie vor ausgestattet mit mittelalterlicher Infrastruktur, und so stieß Évora bald an seine Kapazitätsgrenze mit der -innerstädtischen Wasserversorgung. Vor allem während der heißen und trockenen Sommermonate waren private Zisternen bald leer und die naheliegenden Trinkwasserbrunnen ebenso.
Eine heikle Situation gerade während der schwarzen Pest, die auch in Évora etliche Opfer gefordert hat. Erst König D. João III packte das Problem zukunftsweisend an und beauftragte seinen besten und bereits im In- und Ausland erfahrenen Militärarchitekten und Hofbaumeister Francisco de Arruda, der verantwortlich für den Bau des Torre de Belém und andere Bauwerke zeichnete, mit der Planung einer Wasserversorgungsstraße von den Quellen zwischen Arraiolos und Évora bis in die Stadt und zu einem Brunnenhaus in jedem Stadtviertel. Der Spatenstich 1531 war der Beginn für den Bau des achtzehn Kilometer langen Aqueduto de Água da Prata, das an den Quellen rund um das Dorf Graça do Divor beginnt und im historischen Stadtkern von Évora am Ende der Rua do Cano endet.
Seit 1537 eingeweiht, versorgt das Aquädukt die Stadt mit Wasser, als eine der wenigen während der Renaissance erbauten Wasserstraßen bis heute. Mehrmals wurde die Leitung eingeschlossen in mit Moos und Flechte verwitterte Granitblöcke, saniert, heute fließt das Nass des Lebens durch moderne Rohrleitungen, die in den Ventilationstürmchen, die das Aquädukt alle hundert Meter säumen, kontrolliert werden.
Nach einem Teilstück unterirdisch in einen Erdwall angelegt, gelangt das Wasser in das Wasserreservoir eingebettet in ein weites eingezäuntes und überwachtes Feld vor den Toren der Stadt. Geteilt wird der Verlauf des Aqueduto da Água da Prata heute von der Regionalstraße R114 zwischen Évora und Arraiolos. Und genau hier beginnt der Ausflug am Aquädukt entlang, den man in drei Etappen gemächlich spazierend aufteilen kann.
Die Straße R114 führt direkt durch zwei hohe Arkaden, in der Mitte ein Ventilationshäuschen in einen Turm aufgesetzt. Über dem Stadtwappen Évoras in eine Nische eingelassen steht eine Skulptur des Schutzpatron Santo António und begrüßt auf der einen Seite oder verabschiedet auf der anderen Seite die Autofahrer. Wenige Kilometer weiter Richtung Arraiolos steht rechts ein Schild Percursos Pedestres. Hier kann man parken und dem Sandweg durch Korkeichenhaine und Rinderweiden bis zu einer Brücke folgen. Von dort läuft man nach rechts am Aquädukt entlang Richtung Évora, bis die Wasserversorgungsstraße wiederum die R114 kreuzt und danach unterirdisch auf Privatgelände verschwindet. Entgegengesetzt leitet die Strecke bis fast zu den Quellen, die allerdings ebenso auf Privatgelände liegen und deswegen nicht erreichbar sind. Macht nichts. Der ausgetretene Weg direkt an dem hier gerade einmal einen Meter hoch verlaufenen Aquädukt ist bequem zu spazieren und bietet, welch Wohltat, beinahe durchgehend schattiges Wandern unter Kermes- und Korkeichen. Die Wildblumenvielfalt im Frühjahr ist groß. Zistrosen, Schlüsselblumen, Veilchen, weiße und lilafarbene Iris, aber auch rote und fliederfarbene Mohnblumen zählen dazu. Es duftet nach feuchter Erde, nach Milch und Honig. Kaum die Hauptstraße hinter sich gelassen empfängt die für den Alentejo typische Ruhe den Wanderer und begleitet ihn, egal in welche Richtung.
Zurückgekehrt am Ausgangspunkt angekommen, geht es zum zweiten Teil der Etappenwanderung mit dem Auto weiter. Zum Aussichtspunkt Alto de São Bento zurück auf der R114 Richtung Évora, und bald rechts eine schmale Straße mit Wegweiser hinauf. Sie endet auf der Hügelkuppe neben Windmühlenstümpfen, von wo aus man eine herrliche Aussicht über die Stadt Évora genießt. Eine Tafel mit Stadtbild auf Fliesen gemalt und beschriftet erklärt, was man sieht. Natürlich die Kathedrale von Évora mit ihrem Wahrzeichen, dem achteckigen Turm. Aber bei guter Tagessicht erkennt man noch viel mehr. Das kleine Heimatmu-seum am Aussichtspunkt bietet Einblicke in bäuerliche Lebensweise und die Kräuterwelt der Region.
Abwärts lautet der nächste Stopp an dem steinernen Kreuz gegenüber der Klosteranlage São Bento de Cástris, dem ersten Zisterzienserkloster Portugals überhaupt. Gleich neben dem Kreuz steht man vor Évoras heutigem unterirdischem Wasserreservoir. Der Sandweg daneben führt den Wanderer zurück zum Aquädukt, das an dieser Stelle allmählich in die Höhe wächst, bis es die R114 überquert und gegenüber in das Gelände des Kartäuserklosters Scala Coeli hinein.
Die Strecke endet am Parkplatz an der Straße R114. Nun heißt es umkehren, zurück zum geparkten Auto und weiter zur dritten Etappe, dorthin, wo das Aquädukt in die Stadt hineinläuft. Zur Rua do Cano, Rohrstraße zu Deutsch.
Über den Kreisverkehr und den Platz vor der Stadtmauer wölbt sich das Bauwerk zu voller Höhe auf, die Bögen verschmälern sich, getragen von Strebepfeilern für den statischen Halt. Am besten parkt man direkt darunter und nimmt die Verfolgung der Arkaden in die Stadt zu Fuß durch das Stadttor Porta Velha da Lagoa auf, gleich links in die Rua do Muro und dann rechts in die Rua do Cano.
In dieser Straße stehen die Häuser tatsächlich zwischen den Arkadenbögen gebaut, ein- und doppelstöckig, bis das Aquädukt allmählich absinkt und am Ende der Gasse wieder so klein ist, dass man sich auf den letzten Bogen setzen kann. Das Chafariz Brunnenhaus am Largo do Chão das Covas ist das erste mit Stadtwappen markierte, von mehr als einem Dutzend Brunnenhäusern ehemals im historischen Stadtzentrum von Évora, von denen noch sechs Prunkbrunnen aus Marmor stehen geblieben sind: Porta de Moura, Porta de Aviz, Rossio de S. Brás, Praça do Giraldo, Chão das Covas und die Caixa de Água do Aqueduto da Água da Prata in der Nähe des Rathauses in der Rua Nova.
Am Jardim de Aviz, im Blick den Brunnen Aviz, laden diverse Café-Snackbars zu einer Rast ein, bevor man vielleicht aufbrechen möchte, die restlichen Brunnen in Évora ausfindig machen und die Wege mitten durch die Weltkulturerbe-Stadt dabei zu erkunden. Der Blick fällt auf das Stadttor Porta de Aviz und fast scheint es, als sei das Emblem über dem Tor ein „Smiley“. Wer aufgrund der Weltlage nach den letzten Monaten die Wahl für ausgedehnte Unternehmungen wieder treffen kann, lächelt bestimmt.
Extratipp:
Das Kartäuserkloster Santa Maria Scala Coeli, auch Cartuxa genannt, mit dem größten Kreuzgang Portugals, ist für Besucher dienstags und donnerstags von 14.30 – 16 Uhr und samstags von 10.30 – 12.30 Uhr geöffnet.
Text: Catrin George Ponciano in ESA 05/2021
Fotos: Catrin George Ponciano; Marion Louca
Führung mit Anmeldung: geral@fea.pt
Einen Besuch auf dem Weingut Cartuxa mit Weinprobe könnte man noch zum Abschluss des Tages anhängen.
enoturismo.cartuxa@fea.pt
Wanderweg Karte:
http://www.evora.net/percursos/folheto_PercursoAguaPrata.pdf