Der Ausflug vom Dezember machte Lust auf mehr. Also beschlossen wir die Küste von Lagos weiter Richtung Westen zu erkunden und wanderten vom Strand Porto de Mós bis nach Praia da Luz. Seit geraumer Zeit ist dieser Küstenabschnitt Teil der Route Trilho dos Pescadores des Fernwanderweges Rota Vicentina und somit ausgeschildert
Wer nach dem Trubel der Festtage Ausgleich finden und einige Kalorien abbauen will, der kann bei dieser Wanderung entlang der Klippen Energie tanken und gleichzeitig eine imposante und wunderschöne Landschaft genießen. Ich habe Glück und bin an einem sonnigen Wintertag bei klarem Himmel und leichter frischer Brise unterwegs. Schon bei der Zufahrt zum Strand Porto de Mós staune ich über das Tiefblau des Atlantiks, den ich zwischen den Palmen der eleganten Villen erspähe. Anders als in der Stadt Lagos direkt, wo sich die Strände in kleinen Buchten zwischen wildzerklüfteten Felsen befinden, ist dieser hier ein weitläufiger Strand mit feinem, fast weißem Sand und imposanten Kalksteinfelsen.
Die Wanderung beginnt an der Westseite des großen Parkplatzes gleich mit einem etwas anstrengenden steilen Anstieg. Aber sobald man oben ankommt, wird man mit einem herrlichen Panoramablick belohnt, der im Osten über den Strand bis zur Ponta da Piedade und im Westen bis Sagres reicht. Danach geht es recht gemütlich weiter, stets an den Klippen entlang und mit dem weiten Atlantik als Begleiter. Die ersten etwa hundert Meter kann man auf einem schmalen Trampelpfad direkt am Felskamm laufen. Links fallen die Felswände aus Mergelstein senkrecht ins Meer ab. Achtung, es besteht Absturzgefahr. Nur zwei Meter entfernt – immer noch mit Blick auf den Atlantik und frischer Salzluft in der Nase – verläuft ein breiter Schotterweg. Agaven strecken sich zum Himmel, am Wegesrand wachsen heimische Zwergpalmen und Mastixsträucher, die zu dieser Jahreszeit ihre kleinen roten Beeren tragen, sowie die halophytischen Strauch-Melde und Kali-Salzkraut.
Die Route scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. Ich treffe Jogger, Hundehalter mit ihren Vierbeinern sowie einen Mountainbiker und andere, die wie ich, einfach gemütlich dem Pfad folgen und die Aussicht genießen. Dieser Küstenabschnitt ist weitgehend unbebaut und ich hoffe, dass nicht in irgendeiner Schublade der Behörden der Bauplan eines Tourismusprojekts für dieses Gebiet liegt, sodass uns diese Idylle noch viele Jahre erhalten bleibt.
Kurz vor Praia da Luz liegt der Miradouro da Atalaia. Der Blick Richtung Osten reicht nun weit über die Ponta da Piedade hinaus, über den weitläufigen Strand Meia Praia, die Hochhäuser von Alvor und Praia da Rocha bis zur goldenen Küste von Lagoa. Wenige Meter weiter sehe ich im Westen die Küste bis Sagres und die ersten Häuser von Praia da Luz. Eine hohe Felswand in meinem rechten Blickfeld verrät mir, dass ich einen weiteren steilen Anstieg überwinden muss, bevor ich mein Ziel erreiche. Und dann versetzt mich ein ins Meer ragender, enormer, schwarzer Felsen inmitten des hellen Mergelsteins in Erstaunen. Später finde ich heraus, dass es sich um ein Gestein vulkanischen Ursprungs handelt, das eventuell bei einer durch den Zusammenstoß der tektonischen Platten verursachten Eruption an die Oberfläche trat.
Oberhalb des unter den Bewohnern von Praia da Luz schlicht und einfach als Rocha Negra bekannten Felsen liegt ein wunderschönes Plateau, das einen fantastischen Blick auf Praia da Luz und bis Sagres bietet. Die weiß getünchten Häuser des ehemaligen kleinen Fischerdorfes, das zu einem beliebten Reiseziel wurde, aber seit dem Fall Maddie leider allzu oft negativ in den internationalen Medien auffiel, strahlen in der Sonne. Davor der feinsandige Strand, der jährlich Tausende Sonnenanbeter anlockt, die Promenade mit ihren hohen Palmen und der Atlantik. Mir fehlen die Worte, um diese atemberaubende Landschaft gerecht zu beschreiben.
Ich nehme den letzten Anstieg in Angriff. Rechts vom Weg liegt ein kleiner, ordentlich in Reihen angepflanzter Pinienwald, dessen Grün der Landschaft einen weiteren Reiz verleiht. Schließlich erreiche ich den geodätischen Referenzpunkt Talefo da Atalaia, der im März 1926 auf 109 Meter Höhe aufgestellt wurde. Wer will kann hier weiter der Markierung bis Praia da Luz folgen. Ich beschließe noch ein wenig den Ausblick zu genießen bevor ich mich auf den Rückweg mache. Dabei entdecke ich leider zwei kleine „Störpunkte“ in der Landschaft, die nicht unerwähnt bleiben sollen: Wilde Camper, die die Natur so sehr lieben und so umweltbewusst sind, dass sie mal wieder dort stehen, wo sie nicht stehen dürfen…
Für mich war es das allererste Mal, dass ich diesen Küstenabschnitt erkundete und ich war von der Landschaft, den Felsformationen, den Farben und dem Licht wirklich beeindruckt. Begleitet wurde ich nicht nur vom Vogelgezwitscher, sondern auch vom Gelächter dreier Französinnen, die sicht- und hörbar vergnügt waren und immer wieder staunend an den Klippen standen. Zudem traf ich Deutsche, Engländer und einen Portugiesen, der hier täglich seine Runde zieht. Hin und zurück braucht er bei zügigem Gang 70 Minuten. Ich brauchte, mit mehreren Stopps, um Fotos zu machen und den Ausblick zu genießen, 100 Minuten. Zehn hätten ausgereicht um mich davon zu überzeugen, dass wir privilegiert sind, auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde zu leben. Zudem war diese Wanderung für mich persönlich, nach einer Woche in der einiges schief lief, Balsam für die Seele!
Text und fotos: Anabela Gaspar in ESA 12/2021