Auf archäologischen Spuren
Die 7,5 km lange Wanderroute Vilarinha – Vale Fuzeiros führt an mehreren Menhiren und Nekropolen vorbei. Neben diesen archäologischen Funden genießt der Wanderlustige eine grüne Hügellandschaft, die immer wieder beeindruckende Panoramaausblicke gewährt
Nicht nur die Römer und die Araber, sondern auch die Völker, die in der Region von 4000 v. Chr. bis 3000 v. Chr. lebten, hinterließen Spuren in der Algarve. Obwohl die Megalithkultur der Algarve weithin unbekannt ist und es keine mit Stone-henge in England vergleichbaren Megalithanlagen gibt, befindet sich in Portugals südlichster Region und im Alentejo die höchste Konzentration von Menhiren auf der Iberischen Halbinsel. Vor allem im Westen der Algarve, im Bezirk Vila do Bispo, können Menhire entdeckt werden. Die bemerkenswertesten Beispiele befinden sich bei Vila do Bispo (Monte dos Amantes) und in Raposeira (Milrei, Padrão und Aspradantas). Doch mehr dazu ein anderes Mal, denn heute führt die Wanderung ins Hinterland von Silves nach Vale Fuzeiros, wo man neben mehreren Menhiren auch drei Nekropolen besichtigen kann.
Von Silves auf der Nationalstraße N124 Richtung São Bartolomeu de Messines biegen wir nach sechs Kilometern links ab, den Schildern „Barragem“ und „Percurso Arqueológico“ folgend. Stets den Schildern „Percurso Arqueológico“ nach, fahren wir durch die beiden Ortschaften Canhestros und Gregórios und kommen schließlich an eine nicht ausgeschilderte Gabelung, an der eine Briefkastenanlage steht. Rechts geht es ins Dorf von Vale Fuzeiros, wo gegenüber der ehemaligen Grundschule, die nun dem Jägerverband als Sitz dient, der Start der heutigen Wanderung ist und eine Infotafel zur Route Vilarinha – Vale Fuzeiros angebracht ist.
Wir folgen der schmalen asphaltierten Straße nach rechts in Richtung des grünen Hügels im Nordosten. Nach einigen Metern wird die Straße, die uns zwischen Orangenhainen und Gemüsegärten führt, zu einem breiten Schotterweg. Die Felder scheinen seit langem nicht bewirtschaftet zu sein. Mit Ausnahme einiger frisch austreibenden Weinreben gleich zu Beginn des Weges und einer Saubohnen-Plantage kurz vor dem Anstieg ist nichts bepflanzt. Am Wegesrand sehen wir Olivenbäume, Steineichen und den einen oder anderen Feigenbaum. Der gelb-roten Markierung folgend, verlassen wir den breiten Schotterweg und folgen dem Pfad rechts, der uns hinauf zum Hügel gegenüber von Vale Fuzeiros führt.
Kurz darauf weist ein Schild auf die erste Nekropole hin. Ein schmaler Trampelpfad, durch Steinmännchen, die sogenannten Mariolas markiert, führt uns zu einem Aufschluss, das heißt, zu einer Stelle, an der Gestein, das mit dem Gesteinsuntergrund verbunden ist, an der Erdoberfläche sichtbar ist. Laut der Info-tafel sollen hier drei Gräber zu sehen sein. Zwei zirka 1,90 Meter lange, 50 Zentimeter tiefe und breite von Erwachsenen und eines von einem Kind. Wir können jedoch keines der Gräber der Necrópole da Pedreirinha entdecken und gehen etwas enttäuscht zurück zum Hauptweg. Zumindest entschädigt uns der Blick, der sich vom Hügelkamm auf das Tal, das Dorf und den umliegenden Hügel und Felder eröffnet. Nach wenigen Meter sehen wir ein weiteres Schild, das dieses Mal auf ein einzelnes Grab hinweist. Erneut verlassen wir den Hauptweg, folgen dem Pfad nach rechts und siehe da: Inmitten der Vegetation entdecken wir ein in das Sandgestein gemeißeltes Grab. Es war sicher keine einfache Aufgabe, mit rudimentären Werkzeugen das Gestein auszumeißeln. Auch wenn es sich hier um roten Sandstein handelt und nicht um Granit. Was hat die Menschen damals dazu veranlasst, sich für diese weit aufwendigere Variante zu entscheiden, statt für eine Erdbestattung?
Der steilste Anstieg der gesamten Wanderung, der nun folgt, nimmt unsere gesamte Energie in Anspruch und lenkt uns von diesen Gedanken ab. Auf dem höchsten Punkt des Hügels angekommen pfeift uns der Wind stark um die Ohren. Dafür ist der Rundum-Blick herrlich. Um uns herum ein Meer von weißen Lack-Zistrosen, gelbem Stechginster und lila Schöpflavendel. Ein wahrer Blumenteppich, der herrlich duftet. Aber Achtung! Diese Blütenpracht ist nicht ungefährlich. Sie zieht Tausende Bienen an, denn in den umliegenden Hügeln gibt es zahlreiche Bienenstöcke. Ehe ich mich versehe, hat mich auch schon eine an der Schläfe gestochen.
Mit brennender Schläfe gehe ich die nächsten Meter bis zum ersten Hinkelstein der Steinreihe von Vilarinha (Alinhamento de Meníres da Vilarinha). Als Steinreihe wird in der Archäologie eine Aufreihung von mindestens drei aufrecht stehenden Megalithen bezeichnet, die in Sichtweite und deutlich im Kontext zueinander angeordnet sind. Aus dem roten Sandstein gemeißelt, soll dieser Menhir zwischen 6000 und 5000 v. Chr. aufgestellt worden sein. Wenn man ihn aus der Nähe betrachtet, entdeckt man geometrische Dekorationen, die aus späteren Zeitaltern stammen sollen. Am oberen Ende lineare, parallel zueinander angebrachte Verzierungen sowie Spiralen aus dem 4. oder 3. Jahrtausend v. Chr., etwas weiter unten Mondsicheln und am unteren Ende ist, laut der Infotafel (nur auf Portugiesisch), eine eingerollte Schlange aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. zu sehen. Ich gebe ehrlich zu, dass ich nur dank der Informationen diese Verzierungen ausmachen kann.
Viel auffälliger sind hingegen die vielen kleinen Stauseen am linken Hang, die wohl zur Bewässerung dienen, obwohl wir in ihrer direkten Nähe keine Plantagen sehen. Jedenfalls erfreuen sich einige Wild-
enten an den Gewässern. Kurz darauf steht am rechten Wegesrand inmitten der Macchie der zweite Hinkelstein, wenig später sehen wir den dritten. Beide, soweit mein Laien-Auge sehen kann, in weit besseren Zustand als der erste. Doch ohne die Hilfe einer Infotafel fällt es mir schwer, Verzierungen zu entdecken. Der letzte Hinkelstein steht dann zur Abwechslung am linken Wegesrand. Auch hier weit und breit keine Infotafel zu sehen. Keiner von diesen Menhiren ist auch nur ansatzweise mit dem Menir da Meada vergleichbar, der sich im Bezirk Portalegre im Alentejo befindet und mit 7,15 Metern Höhe, etwa 16 Tonnen Gewicht und einem Durchmesser von 1,25 Metern der größte Menhir der Iberischen Halbinsel ist. Im Hinterland-Bezirk der Ostalgarve bei Alcoutim kann hingegen der größte Grauwacke-Menhir Portugals gesehen werden. Der 3,14 Meter große Menhir gehört zur Gruppe Menires do Lavajo, die aus sieben Monolithen besteht.
An der asphaltierten Straße angekommen, überqueren wir diese und nehmen nur wenige Meter danach den Trampelpfad, der links von der Straße abführt. Wir passieren einen kleinen Wasserlauf, der praktisch nur daran zu erkennen ist, dass hier Schilf wächst, und beginnen den Aufstieg zu einem mit Eukalyptusbäumen bepflanzten Hügel. Bislang war der Blick auf die umliegende Landschaft offen, nun blockiert der Euka-lyptus den Blick nach rechts und der mit Macchie und der einen oder anderen einsamen Eiche bewachsene Hügel den nach links. Dafür duftet es herrlich. Ein weiterer Unterschied zur bisherigen Strecke ist die Wegmarkierung. Bislang war die Route sehr gut ausgeschildert, auch wenn die Farben auf den Holz-pfosten kaum zu erkennen waren. Doch nun stehen wir an einer Kreuzung, an der wir die gelb-rote Markierung komplett vermissen. „Wenn nichts angegeben ist, gilt: -Geradeaus“, denken wir uns und siehe da, wir haben recht. Nach einigen Metern entdecken wir rechts vom Weg einen Wegweiser, der uns bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein. Wir erreichen ein schönes Anwesen mit Pool, das direkt an einem Stausee mit Seerosen liegt. Am Wegesrand sind vor allem Stein- und Korkeichen und der eine oder andere Medronheiro.
Kurz darauf kommen wir erneut zur asphaltierten Straße, folgen dieser nach links und sind nach wenigen Metern an der Gabelung mit den Briefkästen. Wir biegen nicht nach Vale Fuzeiros ab, sondern nach links, überqueren die Straße und folgen dem Schild „Necrópole“ auf einem Pfad aus dunkelrotem Sandstein den Hang hoch. Rechts vom Weg ist kurz darauf die Necrópole da Carrasqueira mit fünf Gräbern zu sehen. Auf dem westlichen Aufschluss sind drei Gräber zu sehen, auf dem östlichen zwei weitere, nur durch eine schmale Steinwand getrennt. Nekropolen wie diese, in der gesamte Familien beerdigt wurden, sollen zu Zeiten des Westgotenreichs gebaut worden sein. Obwohl laut der Infotafel die Gräber 1,80 Meter lang und 45 Zentimeter breit und tief sind, erscheinen sie mir sehr klein. Erst nachdem ich mich neben eines der Gräber lege, bin ich überzeugt, dass die Leiche eines Erwachsenen in das Grab passt.
Wir gehen den Hang weiter hoch und folgen der asphaltierten Straße nach rechts, an einigen schönen Anwesen und einem Orangenhain vorbei, biegen nach diesem rechts ab und kurz darauf, dem Schild „Necrópole“ folgend, links von der Straße ab. Auch hier fehlen die Wegweiser und wir beschließen, einfach immer geradeaus durch die schmale Gasse zwischen den liebevoll renovierten traditionellen Häusern zu gehen. Wir haben den Eindruck, auf Privateigentum zu sein. Vor allem am letzten sandsteinrotem Haus. Doch schließlich entdecken wir in dem, was der Hinterhof des roten Hauses zu sein scheint, die Necrópole da Forneca. Im 6. oder 7. Jahrhundert diente dieser Ort einer Familie als letzte Ruhestätte, heute scheinbar Kindern als Spielplatz, den überall liegt buntes Plastikspielzeug herum. Ein Ort des Todes wird somit zu einem Ort des Lebens. Was einerseits erfreulich ist, doch andererseits wundere ich mich, dass diese archäologische Fundstätte nicht geschützt ist. Von hier folgen wir dem schmalen Trampelpfad an der Steinmauer aus rotem Sandstein entlang, dicht an einigen Häusern vorbei, und biegen dann rechts zwischen zwei hohen Sandsteinmauern ab. Die Wegweiser tauchen an dieser Stelle wieder auf und zeigen nach links. An der Hauptstraße angekommen, biegen wir rechts ab und legen im Restaurant A Gralha eine kleine Erfrischungspause ein, bevor wir die letzten Meter zum Auto gehen.
Text und Foto: Anabela Gaspar
In ESA 05/16