Bei einer Bootsfahrt auf dem Arade und dem Odelouca kann man nicht nur die wunderschöne Landschaft genießen, sondern auch etwas über die Geschichte der Umgebung lernen
Luís Almeida wollte schon immer ein traditionelles Holzboot haben. Nachdem er Anfang letzten Jahres seinen Traum erfüllte und das Boot monatelang mit viel Liebe renovierte, wurde „Rei Jorge“ dann endlich im September 2013 getauft. Für die Touristensaison war es zu spät, doch Luís und seine Frau Fiona nutzten die Zeit, um auf Entdeckungsfahrten zu gehen, denn neben den traditionellen Bootsfahrten nach Silves und den Grottenfahrten wollte das Paar den Kunden noch etwas Neues bieten. Nach einigen Ausflügen wurden sie fündig: eine Bootsfahrt den Odelouca-Fluss aufwärts. Treffpunkt und Start ist am Ende der Flusspromenade in Ferragudo. Von hier aus geht es Richtung Portimão und Luís macht einen ersten Stopp im Fischereihafen, so dass man die Fischer beim Abladen des Fangs beobachten kann. Da Luís selbst Fischer und auch der Vorsitzende des Fischerverbandes von Ferragudo ist, grüßen ihn alle freundlich, winken uns zu und lassen sich gerne fotografieren. Währenddessen erzählt Luís uns von der harten Fischerarbeit, dem Muschel- und Krabbenfang sowie über die verschiedenen Fischerboote, die es hier gibt, wie z.B. die Arrastos, d.h. Schleppboote. Diese sollten längst verboten sein, meint er. „Aber die Welt dreht sich um Geld. Sie denken nicht an die Zukunft, lediglich an das, was sie heute verdienen können“, fügt Fiona hinzu. „Sie zerstören alles. Den ganzen Meeresgrund, die Riffe, die Korallen“, erzählt Luís verärgert. „In den Schleppnetzen bleiben selbst die kleinsten Fische und Meerestiere hängen. Somit gefährden sie den Fischbestand. Schonzeiten, die sowieso zu kurz sind und nicht einmal eingehalten werden, helfen in dieser Situation wenig“. Weiter erklärt Luís, dass die Fische in den engen Schleppnetzen zerquetscht werden. „Wenn sie eine Tonne fangen, wird die Hälfte davon anschließend weggeworfen, weil die Fische total zerquetscht sind und nicht verkauft werden können. Es ist eine reine Verschwendung der Ressourcen und das Wort Nachhaltigkeit ist ihnen komplett fremd“, so Luís. „Der Industrie geht es um möglichst viel Gewinn, für traditionelle Fischer wie Luís reicht es höchstens für den Lebensunterhalt“, bedauert seine Frau. Seit jeher zum Bild der Stadt Portimão gehören die Fischerboote. „Früher, als die Fischkonservenfabriken noch in Betrieb waren, gab es hier vielleicht 50 der sogenannten Traineiras“, so Luís. Er zeigt uns eins, das der Fabrik Fialho gehörte, die letzte, die ihre Tore schloss und in deren Dienst sieben Boote standen. „Seit Jahren liegt die Traineira Portugal I hier im Hafen“, weiß Luís zu berichten, „Die Stadt wollte sie renovieren und vor dem Museum, das früher eine Fischkonservenfabrik war (s. S. 6), legen. Doch bislang kam es nicht dazu“. Hinter der Eisenbahnbrücke macht uns Luís auf eine alte Fischzucht aufmerksam, in der demnächst wieder verschiedene Fischarten wie Wolfsbarsche und Goldbrassen gezüchtet werden sollen. Während wir uns über Fischfang und die goldenen Zeiten der Konservenindustrie in Portimão unterhalten, nähern wir uns bei Mexilhoeira da Carregação einem Relikt aus dieser Zeit, einem so genannten Vai Vem – oder eher dem, was davon übrig geblieben ist. Dies waren Flaschenzug- Systeme, die dem Transport der Fische von den Booten direkt in die Fabrikhallen dienten. Direkt neben dem städtischen Museum von Portimão, an der Flussseite, ist so ein System noch zu sehen, das in die Halle führt, in der die Fische enthauptet und gesäubert wurden. Nur wenige Meter vom Vai Vem entfernt sind die Ruinen einer großen Konservenfabrik zu sehen. Wo einst hunderte Menschen aus der Umgebung arbeiteten, ist nun alles dem Verfall preisgegeben. Das einzige Leben, das hier zu sehen ist, sind die Storchenfamilien, die ihre Nester auf den hohen, schmalen Schornsteinen gebaut haben. Kurz darauf passieren wir ein Hotel, auf dessen Terrasse mit Flussblick sich Touristen sonnen. Seite an Seite die Ruinen der Fabriken, die früher als Einnahmequelle der Bevölkerung dienten, und eine moderne Tourismusanlage, die heute viele Algarvios beschäftigt. Langsam nähern wir uns der großen Brücke über den Arade- Fluss. Unser nächster Stopp ist direkt vor der Brücke am linken Ufer. Dort haben die Fischer der Umgebung in einem Felsen, Rocha de Garcia genannt, ein Bild vom Heiligen Antonius angebracht. Er soll sie schützen, wenn sie aufs weite Meer hinaus fahren. Luís wies auch darauf hin, dass am Ufer kurz vor dem Felsen, wo eine große Steinmauer und die Reste einer in den Felsen geschlagenen Treppe zu sehen sind, einst die Stelle war, an der die Schiffe gesegnet wurden, bevor sie aufs Meer fuhren. Nachdem wir die Brücke passiert haben, sind die Häuser von Portimão und Mexilhoeira fast außer Sichtweite. An beiden Ufern sind nun mit Lackzistrosen bewachsene Hügel zu sehen, in der Ferne das Monchique-Gebirge. Über uns gleiten Störche am Himmel, hier und da sehen wir am Ufer Reiher und den einen oder anderen Kormoran. An der kleinen Insel der Nossa Senhora do Rosário fließen der Arade-Fluss und die Ribeira de Odelouca zusammen. Nach Silves geht es geradeaus, den Arade aufwärts. Doch wir fahren gen Nordwesten, den Odelouca-Fluss aufwärts.„Ich weiß von keinem anderen Ausflugsboot, das diesen Weg nimmt“, bemerkt Fiona stolz. Mit Ausnahme einiger Häuser in beneidenswerter Lage ist dieses fast unberührte Stück Natur wirklich idyllisch und der perfekte Geheimtipp für Liebhaber der regionalen Flora und Fauna. Weit und breit ist kein Fahrzeug zu hören, dafür Vogelgezwitscher. Wir entdecken verschiedene Vogelarten wie Reiher, Graureiher, Wildenten, Kormorane, Störche, Eisvögel sowie bunte Libellen und Schmetterlinge. Leider sichten wir keine Schildkröten, die sich hier sonst an den Ufern sonnen. Wir genießen die Landschaft, die frische Luft, die Ruhe und entspannen uns. Der Fluss wird schmaler und die Vegetation an den Ufern dichter. Um uns herum grüne Hügel. Schwer vorzustellen, dass unweit von hier die Hochhäuser von Portimão in den Himmel ragen, die Straßen voller Menschen und Autos sind; dass in zirka 6 km Fluglinie die Felsenküste und das Meer liegen und es von Touristen wimmelt. Dieser schmale Landstreifen in Südportugal hat so viel mehr zu bieten als Sonne und Strand, solch unterschiedliche Landschaften, und das alles in unmittelbarer Nähe, praktisch nur einen Katzensprung entfernt. Während ich in meinen Gedanken versunken bin, kommen wir zur Brücke von Odelouca, bei der das kristallklare Wasser langsam verebbt. „Deshalb muss die Fahrt bei Flut gemacht werden, sonst würde der Motor stecken bleiben“ erläutert Luís. „Der Ausflug sollte am frühen Morgen oder am Ende des Tages unternommen werden“, fügt Fiona hinzu, „nicht nur weil dann die Temperaturen angenehmer sind, sondern auch weil man dann am meisten Vögel beobachten kann“. Bevor wir zurück nach Ferragudo fahren, machen wir einen kleinen Abstecher zum Sítio das Fontes. Einem unter den Bewohnern beliebten Ausflugsziel mit einer Wassermühle, zwei Schwimmbecken, in die stets frisches Quellwasser fließt, einer Picknickanlage mit Grillplätzen und einem Spielplatz (s. ESA 1/13). Hier hat man die Möglichkeit, sich zu erfrischen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Wasser ist ziemlich kalt. Dies scheint jedoch viele Menschen nicht davon abzuhalten, die Anlage zu besuchen. Im Hochsommer herrscht hier selbst unter der Woche buntes Treiben. Zurück auf dem Arade geht die Fahrt vor der Brücke noch an den alten Wassermühlen vorbei. Eine davon wurde letztes Jahr renoviert. Ob sie nun wieder als Wassermühle oder als Wohnhaus fungiert, kann Luís nicht sagen. Zwei weitere sind Ruinen, eine davon steht zum Verkauf und lediglich die letzte, direkt neben der Brücke, ist liebevoll renoviert und wird von den Inhabern an vielen Wochenenden als Familientreff genutzt. Wenn man die Landschaft ringsherum betrachtet, versteht man nicht so recht, wieso es genau hier so viele Wassermühlen gab, denn die Hügel dienten sicher auch in der Vergangenheit nicht dem Getreideanbau und das Getreide von den Feldern nördlich von Silves bis hierher zu transportieren, scheint auch wenig Sinn gemacht zu haben. Nach zirka vier Stunden kommen wir in Ferragudo an. Glücklich und zufrieden haben wir ein Stück „Wildnis“ entdeckt und sind wieder einmal davon überzeugt, dass die Algarve ein wunderschönes Fleckchen Erde ist. Dieser Ausflug ist nur einer auf Luís Programm. Er bietet auch Fahrten zum Sítio das Fontes an, um dort zu grillen und zu baden; oder bis Alvor, um das ehemalige Fischerdorf zu besuchen; oder die Grotten der Küste von Lagoa zu entdecken. In Zukunft hat das Paar vor, Ruder mitzuführen, für Stellen und Kanäle, wo das Wasser niedriger ist und auch, um sich den Vögeln geräuschlos nähern und sie somit besser beobachten zu können. Luís ist zudem stets bereit, die Ausflüge den Wünschen seiner Kunden anzupassen und bleibt – soweit die Gezeiten es zulassen – flexibel.
Text: Anabela Gaspar, Stefanie Wacek