Am Bach entlang
Touristen kommen selten in diese Gegend. Dabei ist die Landschaft ein wahre Idylle und die Dorfbewohner sind herzlich. Der 7,8 km lange Rundweg „Barrancos“ führt entlang Bächen, Flüssen und durch grüne Täler. Die einzigen Geräusche, die wir wahrnehmen, sind die der Natur
Meine erste Wanderung auf dem Fernweg Via Algarviana im April 2010 endete in Furnazinhas, dem Heimatdorf meiner Mutter. Damals bestand die fast 300 Kilometer lange Wanderroute aus 14 Abschnitten. Später wurden zwölf weitere Strecken erschlossen und ausgeschildert, darunter die südlich von Furnazinhas gelegene 7,7 km lange Route „Mina e Albufeira“ und die Strecke, die wir diesmal wählten und in den Norden führt. Die Hügel rund um Furnazinhas sind mir aus meiner Kindheit gut bekannt. Daher weckte der Ausflug einige Erinnerungen.
Start ist gegenüber der alten Grundschule des Dorfes. Die letzten Schüler, die auf den kleinen hölzernen Schulbänken saßen, sind mittlerweile um die 40 Jahre alt. Heute dient das Gebäude Gemeindetreffen und feiern, wie die Feira do Campo, zu der die Dorfbewohner und das Rathaus von Castro Marim am 28. April einladen. Der Tag beginnt mit einer Wanderung um das Dorf und die umliegende Landschaft. Es folgen ein gemeinsames Mittagessen, traditionelle Musik und Folkloretänze. Die Dorfbewohner zeigen ihr Können und Wissen in traditionellen Handwerken, wie das Flechten von Körben aus Schilfrohr oder Schnüren aus Kakteenfasern. Zudem wird im Gemeinschaftsofen frisches Brot gebacken und man kann lokale Erzeugnisse wie Honig erwerben. Ein ereignisreicher Tag in bester Gesellschaft.
Zurück zur Wanderung: Wenige Meter nach dem Centro Multiusos das Furnazinhas, führt der Weg rechts hoch. Wir kommen an drei ehemaligen Dresch-plätzen und einem gepflegten Gemüsegarten vorbei und befinden uns schließlich am nordwestlichen Ende des Dorfes. Hier führt die Via Algarviana GR13 nach links und die PR10 CTM Barrancos nordöstlich in die Hügellandschaft. Wir folgen Letzterer in ein Tal. Nach knappen 300 Metern erreichen wir den Poço da Balsa im Barranco da Balsa. Der Bach führte einst reichlich Wasser. Bevor es im Dorf das Waschhaus gab, wuschen die Frauen hier die Wäsche und legten sie zum Trocknen auf das umliegende Gestrüpp. Die Tränke neben dem Brunnen war der letzte Stopp, um den Tieren Wasser zu geben bevor sie im Stall für die Nacht untergebracht wurden. Hier wusch ich früher auch, im fließenden Wasser, am Schlachttag, die Eingeweide des Schweines, um die chouriças herzustellen.
Neben der autochthonen Flora mit Mandelbäumen, Steineichen und Lackzistrosen, wurden auf diesen Hügeln in den letzten Jahrzehnten in ordent-lichen Reihen Pinien angepflanzt. Als wir den Ausflug in der ersten Märzwoche unternahmen, blühten lediglich vereinzelte Lackzistrosen und Lavendel, doch nun dürfte die gesamte Landschaft von einem bunten Blütenmeer überzogen sein.
Als wir wenig später einen Bach erreichen gibt der Wegweiser an, dass wir ihn nicht überqueren sollen. Wir folgen dem Trampelpfad links am Ufer entlang, der auf dem ersten Blick schwer zu erkennen ist, da er ziemlich zugewachsen ist. Wenig später gilt es den Bach zu überqueren und kurz darauf weist ein Richtungsanzeiger darauf hin, dass wir den Bach erneut überqueren sollen. Dieser scheint allerdings falsch zu sein. Zirka 30 Minuten suchen wir vergebens einen Pfad am linken Hang des Baches, beschließen dann zurückzukehren und einfach geradeaus, weiter am rechten Ufer zu gehen. Nach wenigen Metern entdecken wir einen weiteren Wegweiser, der bestätigt, dass unsere Entscheidung richtig war. Dies ist der einzige Teil der Route, der nicht gut ausgeschildert ist. Dafür ist er sehr schön und abenteuerlich, da er auf schmalen, dicht bewachsenen Pfaden erfolgt. Die Route führt wenig später wieder zum linken Ufer. Wir passieren eine Pinienplantage und sehen rechts einen gepflegten Gemüsegarten.
Kurz darauf erreichen wir das breite, fast ausgetrocknete Flussbett des Barranco Maria Galega, einer der wichtigsten Nebenflüsse der Ribeira da Foupana. Nach starken Regenfällen führt dieser Fluss, der die Grenze zum Nachbarbezirk Alcoutim bildet, reichlich Wasser. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt er jedoch kein Hindernis dar. Im Dorf erfahre ich, dass die tiefe Stelle, die wie ein kleines, natürliches Schwimmbecken aussieht, Pego do Chibarro genannt wird und man dort vor nicht allzu langer Zeit noch die leckeren pardelhas (Anaecypris hispanica) fischen konnte. Eine autochthone Fischart der Iberischen Halbinsel, die auch saramugo genannt wird und maximal sieben Zentimeter lang ist.
An den Ruinen eines alten traditionellen Landhauses, hoch auf einem Hügel, sind wir bei Cortelha angekommen. Der Aufstieg lohnt sich, um den wunderschönen Panoramablick auf die umliegende Landschaft zu genießen und das alte Gemäuer, das einst Haus, Stall und Scheune war, sowie den ehemaligen Dreschplatz zu besichtigen. Das Haus hat eine fantastische Lage, dennoch frage ich mich, wer hier wohl so abgelegen lebte. Nach einigen Hundert Metern überqueren wir erneut das Flussbett von Maria Galega und sind wieder im Bezirk Castro Marim. Immer wenn wir uns einer Wasserstelle nähern, hören wir die kleinen Frösche, auf Portugiesisch rã genannt, quaken und ins Wasser springen.
Kurz vor Chão de Lavajo führt der Weg an einem beeindruckenden Hang aus Schiefergestein vorbei. Von solchen Schieferausbrüchen holten sich die Kinder Tafeln für die Schule. Kleinere Schieferstücke dienten als „Bleistift“. Wenige Meter weiter muss man den breiten Weg verlassen und links in die Macchia abbiegen. Achtung, denn die auf einen Stein am linken Wegesrand gemalte Markierung ist nicht gut sichtbar. Wir passieren einen kleinen Staudamm und nach etwa 700 Metern trifft die Route PR10 wieder auf die GR13, um sich an der Straße M505 wieder zu trennen: Die Via Algarviana folgt der Straße, die PR10 führt geradeaus und am Barranco do Monte entlang zurück ins Dorf. Der Weg ist von alten Steinmauern begrenzt, von deren Stabilität ich immer wieder beeindruckt bin. Nichts verbindet die Steine, sie sind lediglich aufeinandergestapelt und dennoch halten sie Wind und Wetter seit ewigen Zeiten stand. Der schmale Pfad führt an einem steilen Hang, durch Gärten und an Brunnen vorbei, unter enormen Eukalyptusbäumen hindurch und bringt uns schließlich zum alten Waschhaus und dem großen Brunnen hinter der Grundschule. Anders als die Steinmauern, konnte das alte Waschhaus den Jahren nicht standhalten. Das Gebäude steht zwar noch, doch ist nun ein Lagerhaus. Im Café von tio Sequeira am Hauptplatz kann man sich erfrischen und die Eindrücke Revue passieren lassen. Wanderlustige und Radfahrer die auf der GR13 unterwegs sind, gehören dort mittlerweile fast zum Alltag.
Naturfreunde, die das Hinterland der Ostalgarve entdecken und frische Luft genießen wollen, sind in Furnazinhas bestens aufgehoben. Technisch ist das Dorf mittlerweile auf dem neuesten Stand und eine Unterkunftsmöglichkeit gibt es auch. Die Casa do Lavrador bietet einen Rund-um-die-Uhr-Service samt Verpflegung. Seit Anfang des Jahres begrüßen Carolina und Ricardo die Gäste. Das junge Paar tauschte das hektische Leben der Hauptstadt durch die ruhige Idylle und fühlt sich hier sehr wohl. Für die leckere Hausmannskost ist weiterhin tia Olivia zuständig.
Anfahrt
A22 Ausfahrt Castro Marim / Beja
Richtung Alcoutim / Beja
Knapp 4 km nach Odeleite
Ausfahrt Furnazinhas / Tenência
Dann Richtung Furnazinhas / Vale do Perreiro
5,5 km bis Furnazinhas
Casa do Lavrador
Direkt im Dorf
Tel.: 281 495 748
(auch über WhatsApp )
www.facebook.com/casadolavrador.algarve
PR10 CTM Barrancos
7,8 km (2 – 3 Stunden)
Anspruchsvolle Wanderung
Insgesamte Höhenmeter der Auf- und Abstiege 230 m
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 04/2019