Eine neue Route lädt Einwohner und Touristen dazu ein, die Altstadt von Albufeira zu erkunden. Der Rundweg ermöglicht Besuchern Einblicke in die Geschichte und das Kulturerbe der Tourismushochburg
Während des Sommertrubels wird Albufeira weitgehend von den Residenten gemieden. Nun ist aber wieder Ruhe eingekehrt. Und seien wir ehrlich: Wann waren Sie das letzte Mal in der Altstadt von Albufeira? Obwohl ich immer wieder in der Touristenhochburg unterwegs bin, liegt mein letzter Besuch in der Altstadt einige Jahre zurück.
Die offizielle Route startet am Tourismusbüro an der Straße nach Ferreiras. Doch der Weg von dort bis zur Altstadt ist etwas lang und hat wenig zu bieten. Zudem führt er an einer stark befahrenen Straße entlang und die aufgezeichneten Sehenswürdigkeiten der Route liegen eh alle im Stadtkern. Daher beschließe ich, an der Marina zu starten – wo es auch an Parkmöglichkeiten nicht mangelt – und von dort entlang der Küste bis zur Altstadt und danach durch deren Gassen zurück zum Startpunkt zu laufen.
Der Yachthafen steht in gewisser Weise für die gesamte Entwicklung in den letzten Jahrzehnten rund um das ehemalige Fischerdorf: Moderne würfelförmige Bauten, die nicht zum Stadtbild passen. Das Projekt war damals mehr als umstritten. Nicht wegen der Marina an sich, sondern wegen der vom zuständigen Architekten gewählten Farben und Formen, die dazu führten, dass die Anlage unter Residenten als Lego-Stadt bekannt ist. Der Yachthafen sollte zu einem „Knotenpunkt“ von Albufeira werden, doch bis heute fand das Projekt keinen Anklang. Der zweiten Bauphase, die Hotels, Villen und Apartments westlich vom Yachthafen vorsieht, wurde 2017 grünes Licht gegeben. Doch wenig bzw. nichts wurde bislang fertiggestellt – dafür sämtliche Bäume gefällt…
Inmitten der ganzen Bausünden scheint die aus dem 16. Jh. stammende, kleine Wallfahrtskapelle Nossa Senhora da Orada, die Schutzpatronin der Fischer von Albufeira, fehl am Platz. Mitte August feiern die hiesigen Fischer ein großes Fest samt Bootsprozession zu Ehren ihrer Heiligen, bei dem eine Statue von der Hauptkirche in der Altstadt zu der Wallfahrtskapelle getragen wird. Eine Kuriosität ist, dass sich diese Wallfahrtskapelle exakt auf dem gleichen Längengrad befindet, wie die Kapelle zu Ehren der Nossa Senhora da Orada in Melgaço im Norden Portugals, direkt an der Grenze zu Spanien.
Ich folge der Straße entlang der Küste Richtung Osten, passiere den Fischerhafen (Porto de Abrigo), den alten Friedhof und biege an der Gabelung in die schmale Straße rechts ab. Egal ob man sich für den Weg direkt an den Klippen oder der engen Rua Latino Coelho entscheidet, kommt man am Aussichtspunkt Miradouro Rossio an. Das eiserne Pärchen, das dort steht, ist eine der Skulpturen des Künstlers Carlos de Oliveira Correia (s. ESA 3/17), denen man auf der Route begegnet. Auf der Ostseite des Aussichtspunktes gelangt man über eine Treppe zu den Klippen. Ein schmaler Trampelpfad führt direkt entlang der Gartenmauern, doch man kann ihm nur einige Schritte folgen. Früher erreichte man über die Klippen den Praia do Peneco, doch im Laufe der Jahre wurden die Gärten der Häuser am Klippenvorsprung ummauert, sodass die Zuwegung versperrt wurde. Eine illegale Maßnahme, da der Küstenstrich öffentlich ist.
Den Meerblick genieße ich in der schmalen Straße nicht, dafür portugiesische Architektur. Modernere Wohnhäuser wechseln sich mit liebevoll renovierten, traditionellen Häusern ab, deren rote, gelbe, grüne oder blaue platibandas und Fenster- und Türeinrahmungen im Kontrast zu den weiß getünchten Wänden stehen. Bei anderen sind die Fenster und Türen in gemeißeltem Stein gefasst und die Fassaden mit kunstvollen Fliesen verkleidet.
Auf halber Strecke führt eine schmale Gasse rechts ab zu einem Felsvorsprung mit Aussichtsplattform. Der Blick reicht im Osten über den Praia do Peneco und den Praia dos Pescadores. Dahinter wurde auf jedem Quadratmeter um die Wette gebaut. Hundert Meter weiter erreichen wir den Aufzug zum Praia do Peneco. 687.000 Euro kostete der im Juni 2008 eingeweihte Aufzug, dessen Bau vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mitfinanzierte wurde. Inwiefern der Aufzug die Entwicklung der Region oder die von Albufeira fördert, sei dahingestellt. Fakt ist, dass er Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen den Strandzugang erheblich erleichtert. Zwei weitere Aussichtspunkte an der Esplanada Dr. Frutuoso da Silva laden zum Verweilen ein, dazwischen stehen zwei Hotels: Das eine befindet sich in einem alten Palais, das andere ist ein moderner Betonklotz.
Weiter vorne erreiche ich die Kirche São Sebastião, in der das Museum Sakraler Kunst eingerichtet ist. Sie wurde im 18. Jh. in einem recht schlichten Stil erbaut, aber das Hauptportal ist ein gutes Beispiel für barocken Dekorativismus. Der Torre do Relógio liegt nun direkt vor mir. Dort wo heute der Uhrenturm in die Höhe ragt, befand sich früher die Porta da Praça, einer der Eingänge zur islamischen Burg und zur befestigten Almedina von al-Buhera, die heutige Altstadt. Diese Festung war die letzte, die während der Reconquista 1250 von den Kräften Königs Afonso III. eingenommen wurde. Am kleinen Platz sind Überreste der alten Mauern freigelegt, davor liegt das städtische Archäologiemuseum. Wenn man der Straße Richtung Norden folgt, passiert man das alte Krankenhaus und die Capela da Misericórdia, die zu Zeiten der Mauren die Moschee innerhalb der Burganlage war. Hier kehre ich um, um zur Bateria de Albufeira zu gelangen. Die Festung lag wenige Meter vom Platz entfernt an einem Felsvorsprung, stammt aus dem 16. Jh. und war Teil des Befestigungssystems der Algarve. Anfang des 20 Jh.
stürzte die Festung ein, sodass praktisch nichts zu sehen ist. Ich folge der Rua da Bateria den Hügel hinab, erreiche die Porta de Sant‘ Ana, ein weiterer Zugang der alten Burganlage und schließlich den Cais Herculano vor dem Praia dos Pescadores. Hier und in den umliegenden Gassen trifft man auf ein bunt gemischtes Volk und eine Sprachenvielfalt – allerdings nicht mehr auf die Fischer, die dem Strand den Namen verleihen. Vor einigen Jahren kamen sie hier mit ihren bunten Booten an Land und flickten tagsüber ihre Fangnetze. Heute ist das einzige sichtbare Boot, das neben Teresa Paulinos Skulpturen zu Ehren der Fischer.
Obwohl die Route nicht zum Miradouro do Pau da Bandeira auf dem gegenüberliegenden Hügel führt, lohnt sich der Abstecher. Einen Aufzug gibt es hier nicht, dafür eine Rolltreppe, die es mir – ebenfalls ohne körperliche Anstrengung – ermöglicht, am Miradouro noch einmal den Ausblick zu genießen und das übliche Foto neben der Skulptur zu Ehren der Touristen zu schießen, für die übrigens auch Teresa Paulino verantwortlich zeigt.
Zurück zum Platz am Praia dos Pescadores, folge ich der kleinen Fußgängerzone und der schmalen, steilen Rua D. Afonso III den Hügel hinauf. Knappe 120 Meter weiter stehe ich vor einer Steinmauer, die Teil der ehemaligen Burganlage war. Das Kachelpaneel daneben weist darauf hin, dass sich hier der nördliche Eingang zur Burg befand. Ich schlendere durch die Gassen, erreiche erneut den Uhrenturm, beobachte das Treiben auf der Fußgängerzone 5 de Outubro, die unterhalb von mir in einem Tunnel endet, der zum Strand führt und mache vor der Kirche S. Sebastião einen kleinen Abstecher nach rechts zur imposanten Hauptkirche (Igreja Matriz), die 1782 fertiggestellt wurde, um die alte Hauptkirche, die beim Erdbeben von 1755 zerstört wurde, zu ersetzen. Genauso imposant ist die Igreja de Sant´Ana, die ebenfalls im 18. Jh. errichtet wurde. Beide sind nur 100 Meter voneinander und knapp 150 Meter von der Igreja de S. Sebastião entfernt. Alle weisen reich verzierte Altäre auf und zeugen von einer damalig stark gläubigen Fischergemeinde. Vom Hauptportal der Sant´Ana Kirche aus, blickt man auf den Uhrenturm und sieht über den Dächern den blauen Atlantik.
In der kleinen Gartenanlage links von der Kirche ehrt die Gemeinde einen albufeirense, der in die Annalen einging. Der Heilige Vicente de Santo António wurde 1590 in Albufeira geboren. Der Tod seiner Eltern veranlasste ihn, Priester zu werden. Er wanderte nach Mexiko aus, wo er dem Orden des Heiligen Augustinus beitrat und predigte später den Glauben an Christus in Japan. Dort wurde er inhaftiert und gefoltert, um den christlichen Glauben zu widerrufen. Er wurde verurteilt und starb am 3. September 1632 auf dem Scheiterhaufen, während er ein Kruzifix hochhielt und rief: „Es lebe der Glaube an Jesus Christus!“
Ich folge der Straße in Richtung Westen und benutze kurz darauf die Treppe am Palais zur Esplanada Dr. Frutuoso da Silva, dem Aussichtspunkt am Aufzug, um wieder entlang der Küste zum Hafen zu laufen. Im kleinen Café oberhalb der Hafeneinfahrt lege ich eine Pause ein, genieße die Aussicht und beobachte die Boote, die immer noch Touristen zu den Grotten hinausfahren und die Fischerboote, die – angesichts der Möwen, die über ihnen kreisen – einen reichen Fang an Land bringen.
Ich lasse die Eindrücke Revue passieren und dabei fällt mir auf, dass ich während der zweieinhalb Stunden, die ich in der Altstadt unterwegs war, kein einziges Flugzeug wahrnahm. Seit vier Jahren beschweren sich Bewohner über den Lärm der Flugzeuge, die beim Landeanflug nach Faro über die Altstadt fliegen, und fordern eine Änderung der Route. Im April 2019 luden die Flughafenbetreibergesellschaft ANA, der Flugsicherungsdienst NAV und die nationale Zivilluftfahrtbehörde ANAC zu einer Anhörung in Faro ein und versicherten, dass die Route nicht willkürlich gewählt worden sei, sondern von Kalkulationen abhänge, die unter anderem Wetterbedingungen und Annäherungswinkel miteinbeziehen. Kurz: Sie würden die Route nicht ändern. Bis heute schicken Anwohner fast täglich Beschwerdemails an regionale Zeitungen und zuständige Behörden.
Diese und weitere Routen innerhalb der Gemeinde Albufeira sind über die mobile Anwendung (APP) „Walking Trails of Albufeira“ abrufbar, die für IOS- und Android-Geräte verfügbar ist. Unser Fazit: Die Altstadt von Albufeira hat ein besonderes Flair und überrascht an jeder Ecke.
Text und Fotos: Anabela Gaspar in ESA 11/2021