Auf den Spuren der Römer
Eine Wanderung auf und um den Cerro da Cabeça ist wie eine unglaubliche Reise in die glanzvollen Zeiten des römischen Weltreiches
Die Serra de Monte Figo ist ein Höhenzug nördlich von Olhão und verläuft entlang der A22. Mit seinen unzähligen Antennen und Sendemasten ist der 411 Meter hohe São Miguel die auffälligste Erhebung. Nimmt man die Ausfahrt Olhão/Santa Catarina befindet sich direkt neben dem Kreisverkehr eine heruntergekommene Industrieanlage, ein Kalkbrennofen aus den 70-er Jahren. Dahinter erstreckt sich ein unscheinbarer Hügel, der Cerro da Cabeça. Mit seinen etwa 250 Metern wirkt er recht bescheiden, historisch und geologisch betrachtet ist er jedoch ein wahrer Gigant, ein Millionen Jahre alter urzeitlicher Korallenstock, dessen Gipfel aus einem Labyrinth wuchtiger grauer Felsen besteht. Und um dort hin zu gelangen, bedarf es fester Wanderschuhe und guter Kondition. Ideale Zeit für eine solche Exkursion sind die Monate April und Mai, wenn rund um den Berg alles blüht. Die Anfahrt erfolgt über Moncarapacho. Man folgt der Beschilderung Fuseta/Campo de Golf und biegt an der Kreuzung scharf links ab. Die Abzweigung gegenüber einer Alisuper-Filiale ist ausgeschildert mit Cerro da Cabeça. Wo die etwas löchrige Asphaltstraße aufhört, nach zwei Kilometern beginnt das Abenteuer Wildnis. Parken Sie das Auto am Straßenrand und gehen Sie durch eine breite Toreinfahrt, die von zwei weiß getünchten Steinquadern flankiert ist. Halten Sie sich rechts. Ein rotbrauner schotteriger Weg schlängelt sich durch graugrünes Buschwerk. Nach wenigen hundert Metern stößt man auf den verrosteten Förderturm der Gruta de Moncarapacho, eine der zahlreichen Grotten der karstigen Berglandschaft. Der steinige Pfad verläuft parallel zur Ria Formosa nach Osten, immer sanft bergauf. Ein paar verblasste gelbe Pinselstriche auf nacktem, grauem Gestein markieren den Wanderweg. Hin und wieder stößt man auf Kopfsteinpflaster, Reste einer der alten Römerstraße, welche die Hügelkette mit der bedeutenden römischen Hafenstadt Balsa verbanden. Überall zwischen den Steinen sprießen junge Fächerpalmen oder Wildblumen. Orchideen und Lippenblütler ranken im Schatten von Pinien, Akazien, knorrigen Eichen und Medronhobäumen. Die Luft ist aromatisiert mit wildem Thymian, Salbei und Rosmarin. Gönnen Sie sich eine kleine Verschnaufpause, genießen sie das unglaubliche Panorama auf Monte Gordo, Tavira, Olhão, Faro und fast die gesamte Ria Formosa, bevor der Weg schmaler und steiler wird und nach Westen abknickt. Unverhofft stößt man auf zwei kreisrunde gemauerte Kalköfen, in denen wahrscheinlich schon die Römer und Mauren den zum Bauen notwendigen Branntkalk hergestellt haben. Der Pfad windet sich durch struppiges dichtes Gebüsch. Das Gelände wird unüberschaubar, die Farbmarkierungen sind kaum mehr zu erkennen. Sperrige Wurzeln und massive zerklüftete Felsbrocken erschweren zunehmend das Vorankommen. Als Orientierungspunkte dienen kleine aufgestapelte Steinpyramiden, welche die Richtung zum höchsten Punkt des Gipfels zeigen. Von hier oben genießt man eine fantastische Rundumsicht über rollende Bergkuppeln und die tiefe blaue Ewigkeit des Atlantischen Ozeans. Für den Abstieg bestehen zwei Möglichkeiten: entweder den gleichen Weg nehmen, den man gekommen ist oder zurück zu den Kalköfen gehen und dort den nach links abzweigenden Pfad nehmen, der an einem dubios erscheinenden, noch nicht fertig gestellten Aussichtsturm endet. Hier treffen sich jedes Jahr zur Osterzeit die Einheimischen aus der Umgebung Moncarapachos zu einem feucht-fröhlichen Picknick. Etwa 130 hohe Betonstufen führen steil bergab und zurück zum Ausgangspunkt. Haben Sie jetzt noch Lust auf einen entspannten Ausflug in die römische Vergangenheit? Dann fahren sie zurück nach Moncarapacho und folgen den blauen Hinweisschildern Richtung A22. Im Kreisverkehr fahren Sie rechts nach Santa Catarina, unterqueren die Autobahn und zweigen nach 1 Kilometer rechts ab nach Foupana. Sie erreichen einen Weiler und biegen nach 1,5 Kilometern am letzten Haus rechts in einen breiten Feldweg ein, dem sie etwa 500 Meter folgen können, bevor er für normale Fahrzeuge unpassierbar wird. Lassen Sie ruhig ihr Auto stehen und folgen Sie dem Weg. Sie sind jetzt auf der alten, von den Römern angelegten Straße, die von hier direkt nach Luz de Tavira führte, dem früheren Balsa. Die beiden Steinbrüche aus denen man Häuser, Paläste, Tempel und KaiAnlagen baute, befanden sich in der Senke zwischen dem Cerro da Cabeça und dem Cerro de São Miguel. Sie sind längst von dichtem Buschwerk überwuchert. In den darunter verborgenen Höhlen und Nekropolen ruhen die Gebeine all jener unglücklichen Sklaven, die bei der mühsamen, unmenschlichen Plackerei in den Steinbrüchen elend gestorben sind. Aufmerksamen Wanderern werden Hornsteine und ChalcedonAblagerungen auf den verwitterten Mauern und Plastersteinen auffallen. Es ist mehr als erstaunlich, dass Teile der Straße selbst nach 2000 Jahren noch so gut erhalten sind, einschließlich Drainagen und Abmauerungen des Bachbettes, auf welches man im weiteren Verlauf des Weges stößt. Dass, was jedoch am meisten beeindruckt, ist ein etwa 40 Meter langes Mauerstück, das sehr wahrscheinlich von den römischen Erbauern angelegt wurde: Die Mauerkrone ist gerade wie mit der Richtschnur gezogen. Weiteres Vordringen auf der Römerstraße, die rund um den Cerro da Cabeça führt, wird von undurchdringlichem Urwald und dichtem Brombeergestrüpp verhindert. Bleibt letztendlich nur zu hoffen, dass die Bürgermeister von Moncarapacho und Santa Catarina wissen, was für einmalige Relikte des Imperium Romanums sich vor ihrer Haustüre befinden.
Bernd Keiner