Auf Schienen die Küste entlang
Seit einen Jahrhundert rollen Züge auf der Linha do Algarve. Das nahm die ESA zum Anlass um eine Zugfahrt von West nach Ost zu unternehmen eine interessante Alternative, um den Landstrich entspannt aus einer besonderen Perspektive zu entdecken
Text: ERIKA MASTEL
Wer in der Algarve mit der Bahn reisen will, sollte Zeit mitbringen. Die alten Züge fahren so gemächlich die Algarveküste entlang, dass es einem vorkommt, als liefe die Uhr rückwärts. Die Linha do Algarve verläuft in West-Ost-Richtung parallel zur Küste von Lagos nach Vila Real de Santo António, kurz vor der Grenze zu Spanien. Sie führt teilweise direkt am Strand entlang, über leicht hügeliges Bergland oder durch das Lagunengebiet des Naturparks Ria Formosa. Mit ein wenig Planung kann die Tour mit der Eisenbahn zu einem schönen Tagesausflug werden. Die reine Fahrtzeit von Lagos nach Vila Real de Santo António beträgt drei bis dreieinhalb Stunden. In der Regel muss in Faro umgestiegen werden, daher kann auch die Gelegenheit wahrgenommen werden, die Algarve-Hauptstadt kennen zu lernen. Zwei Stunden Aufenthalt reichen, um die schöne Altstadt, die Cidade Velha, zu besichtigen, ein wenig durch die belebte Fußgängerzone zu schlendern und in einem der Cafés um die Marina eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Auch andere Städte entlang der Strecke lohnen sich für einen Besuch. Vor Beginn der Zugreise sollte aber ein genauer Blick auf die Karte mit der eingezeichneten Reiseroute geworfen werden, denn leider haben nur Lagos, Portimão, Tunes, Faro, Tavira und Vila Real de Santo António Bahnhöfe, die in der Stadt liegen und zu Fuß erreichbar sind. Andere Stationen sind oft bis zu fünf Kilometer vom Zentrum entfernt. Wer sich für die Variante mit Zwischenstopp entscheidet, sollte für diesen Ausflug einen Tag einplanen. Fahrgäste, welche die Reise in Lagos beginnen, erwarten vielleicht angesichts des neuen, modernen Bahnhofs nahe dem Yachthafen einen ebenso modernen Zug. Der Anblick der äußerlich jedoch etwas heruntergekommenen, metallenen Triebwagen aus den 70er Jahren holt einen aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Dieser erste ernüchternde Eindruck wird jedoch von dem des sauberen und bequemen Zugabteils bald wieder verdrängt. Außerdem haben diese alten Züge einen gewissen Charme, den der Reisende wäh20 rend der Fahrt entspannt zurückgelehnt auf sich wirken lassen sollte. Schwerfällig setzt sich die alte Diesellok in Bewegung. Laut und schaukelnd geht die Fahrt am flachen Sandstrand der Meia Preia entlang, vorbei am kleinen Lagunengebiet bei Alvor, über die alte Eisenbahnbrücke von Portimão und dann lange durch überwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet mit Weinstöcken und Zitrusbäumen zwischen Estômbar und Silves. Idyllische Apfelsinenplantagen ziehen sich über weite Teile der Landschaft, dazwischen stehen friedlich einzelne Bauernhäuschen. Besonders im Herbst, wenn die Früchte reifen, sind die Farben und Düfte sehr intensiv. Während der Fahrt überwiegt der schöne Ausblick in die Natur, aber sobald der Zug hält, offenbart sich oft ein weniger ansehnliches Bild. Viele der kleinen Bahnhofshäuschen an den Haltestationen sehen schon etwas mitgenommen aus und deren Fassaden sind mit wenig kunstvollen Graffitis besprüht. Der Bahnhof in Tunes ist Knotenpunkt Richtung Norden. Während zwischen Lagos und Vila Real de Santo António nur Nahverkehrszüge zum Einsatz kommen, verkehren auf dem Teilstück Faro Tunes Lissabon auch Überregionale und der Schnellzug Alfa Pendular. Bis Boliqueime geht es weiter über hügeliges Bergland, vorbei an Johannisbrot-, Feigen- und Olivenbäumen. Je näher der Zug auf Faro zurollt, desto Fahrpläne, Preise, Informationen auf der Internetseite der Eisenbahngesellschaft CP Caminhos de Ferro Portugueses unter: www.cp.pt Fahrtkosten: Lagos – Faro 6,15 Faro – Vila Real de Sto. António 4,55 Faro – Tavira 2,30 Kinder von 4 bis 11 Jahren und Senioren fahren zum halben Preis. Die Züge fahren im Abstand von mind. 1,5 bis 2 Std. Reine Fahrtzeit von Lagos nach Vila Real de Sto. António: 3 – 3,5 Std. Ein Fahrrad pro Person kann kostenlos mitgenommen werden. mehr schwindet die ländliche Idylle und die Bebauung nimmt zu. Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt im Schneckentempo erreicht der Zug den Bahnhof von Faro. Dieser liegt recht zentral, nicht weit von der Marina und dem Busterminal entfernt. Der Anschlusszug Richtung Ostalgarve fährt meistens nur wenige Minuten später ab. Der Streckenabschnitt zwischen Faro und Vila Real de Santo António ist besonders schön. Er verläuft am Rand der flachen Lagune Ria Formosa entlang und dauert ebenfalls etwas mehr als eine Stunde. Die 60 km lange Watt- und Dünenlandschaft zwischen Quinta do Lago und Manta Rota wurde 1987 zum Naturschutzgebiet erklärt. Ein großer Teil dieses Feuchtgebietes mit Salzwiesen, Wattflächen, Kanälen und Sandbänken kann während der Fahrt vom Fenster aus betrachtet werden. Dank der geringen Geschwindigkeit lassen sich die Landschaftseindrücke auch hervorragend mit der Fotokamera festhalten. Wer einen längeren Aufenthalt in Faro einplant, sollte eine Bootsrundfahrt mit Führung durch die Ria Formosa nicht auslassen, um den Naturpark auch vom Wasser der Lagune aus zu entdecken und dabei die vielen Vogelarten zu beobachten. Im Winter lohnt sich der Ausflug besonders, da zu diesem Zeitpunkt das Naturschutzgebiet zum Zufluchtsort vieler Zugvögel wird. Hier und da sind ganze Flamingo-Schwärme zu sehen. Viele Lagunenorte liegen entlang dieser Strecke, besonders sehenswert sind Tavira und Olhão. Tavira gehört zu den schönsten Städten der Algarve und hat einiges zu bieten. Von der Praça de República direkt am Ufer des Gilão-Flusses öffnet sich ein wunderbarer Blick auf das Wasser und auf die siebenköpfige Brücke römischen Ursprungs. Ein Besuch des Burggartens und der Kirche Santa Maria sollte auf jeden Fall auf der Tagesordnung stehen. In einem der typisch portugiesischen Restaurants auf der gegenüberliegenden Uferseite lässt es sich ausgezeichnet zu Mittag essen, bevor die Reise fortgesetzt wird. Nun geht es gemütlich weiter bis zur Endstation Vila Real de Santo António. Ein Abstecher in den Stadtkern ist schnell gemacht. Der Bahnhof ist nicht weit von der zentralen Praça Marquês de Pombal entfernt und die kleinen Straßen ziehen sich geradlinig um diese herum. Der Platz ist groß und von Orangenbäumen umgeben. Cafés und kleine Lokale laden zum Entspannen ein und in der kleinen Fußgängerzone lässt es sich wunderbar bummeln. Der Rundgang führt fast automatisch auch zur Uferpromenade, die einen herrlichen Blick über den Guadiana-Fluss hinüber auf den spanischen Grenzort Ayamonte bietet. Bis vor zirka zehn Jahren reichte die Bahnverbindung sogar bis zum Fluss. Die Endstation der Linha do Algarve lag direkt neben der Anlegestelle der Fähre nach Spanien. Die Passagiere konnten auf die Fähre umsteigen und in Spanien ihre Zugreise fortsetzen. Die Schienen von Ayamonte nach Huelva wurden abmontiert (s. ESA 09/03). Das Gebäude der ehemaligen Endstation in Vila Real soll zu einem Museum umgestaltet werden. Ähnliches ist auch für das alte Bahnhofsgebäude in Lagos vorgesehen, das sich direkt neben dem neuen Bahnhof befindet und somit den Reisenden unmittelbar ein Stück Geschichte vermittelt
Vieles spricht für eine Bimmelbahnfahrt auf der Linha do Algarve. Sicherlich nicht zuletzt die Möglichkeit, die Algarveküste entlang zu fahren und entspannt die Landschaft betrachten zu können. Die Züge sind zudem sauber, bequem, preisgünstig und pünktlich. Umweltbewusst ist die Reise obendrein und außerdem fernab von den Gefahren der Autobahn Via do Infante und der EN 125, einer der unfallreichsten Nationalstraßen Europas. Die Fahrkarten gibt es am Schalter und an Automaten in den Bahnhöfen zu kaufen, können aber auch beim Schaffner gelöst werden. Kontrolliert wird immer. Radfahrer können ihr Fahrrad im Regionalzug kostenlos mitnehmen (s. ESA 06/08). Bahn fahren innerhalb der Algarve ist jedoch leider völlig ungeeignet für ungeduldige Reisende die schnell von A nach B kommen müssen. Die sehr langsamen und etwas altertümlichen Züge können es beileibe nicht mit der Schnelligkeit und Modernität des Alfa Pendular aufnehmen. Will die Algarve aber in der Konkurrenz der touristischen Angebote innerhalb der EU weiterhin mithalten, benötigt sie unbedingt eine moderne und schnelle Zugverbindung. Nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten des Städteverbandes der Algarve im November bekräftigte Macário Correia sofort seine Hauptforderung nach Modernisierung der Bahnstrecke und einer Zugverbindung nach Spanien. Wer die Algarve auf Schienen erkunden möchte, für den ist die Zugfahrt sicherlich ein interessantes Erlebnis.