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Freizeit

Grotten in Estombar

Von agasparMo. 19. Mai 2014Aktualisiert:Fr. 22. Juli 20228 Min Lesezeit

Bizarre Unterwelt

Die Grotten nahe Estômbar, benannt nach dem arabischen Dichter Ibn´Ammâr, sind nicht leicht zu finden und zu erkunden. Doch die über Millionen Jahre entstandenen Gebilde in ihrem Inneren machen sie zu einem absoluten Muss für Abenteuerlustige, wie auch für ESA-Redakteurin Anabela Gaspar

Nötige Ausrüstung: – feste Schuhe – alte und komfortable Kleidung – Stirnlampe – Handschuhe – Helm – Kleidung zum Umziehen, damit nach dem Abenteuer das Auto sauber bleibt

Der Bezirk von Lagoa ist reich an Grotten und kuriosen Felsformationen. Doch die Ibn´Ammâr-Grotten sind einzigartig. Nicht nur im Bezirk sondern in der ganzen Algarve. Nahe des Arade-Flusses enthüllt die unterirdische Welt beeindruckende und zum Teil spektakuläre Stalaktiten und Stalagmiten sowie unterirdische Seen. Wissenschaftliche Studien über die Grotten sind nicht bekannt, auch stehen sie nicht unter Schutz. Informationen über die Grotten, unter anderem den genauen Zeitpunkt der Entdeckung oder wieso sie nach dem arabischen Dichter benannt wurden, sind nicht einmal im städtischen Archiv zu finden. Doch Höhlenforscher und Naturliebhaber haben sie seit langem entdeckt. Auch ich hatte vor einigen Jahren versucht, die Grotten zu besichtigen. Doch da der Weg nicht ausgeschildert ist, war mir dieses Erlebnis bislang verwehrt geblieben. Als ESA-Leser Heinz Kegler anbietet, mir die Grotten zu zeigen, zögere ich keine Sekunde. Später am Nachmittag beginne ich es zu bereuen. Bei einer kleinen Recherche im weltweiten Netz, finde ich heraus, dass die Grotten wohl sehr schmal, dunkel und von Fledermäusen bewohnt sind. Werde ich mich trauen, sie zu erkunden? Als wir uns morgens in Estômbar treffen, bin ich ziemlich nervös. Ich habe meiner Familie Anweisung gegeben, die Feuerwehr zu benachrichtigen, sollten wir bis 14 Uhr nicht zurück sein. Mein Grottenführer meint jedoch, dies wäre nicht nötig gewesen. Zuerst fahren wir auf der alten EN125 von Estômbar Richtung Calvário. Die letzte Einfahrt rechts nach Estômbar, dann bei der Kreuzung nach links, immer geradeaus, unter dem Tunnel, über die Brücke (kurz danach ist die Straße nicht mehr asphaltiert), den Fluss entlang bis zu einer breiteren Stelle, nach der der Schotterweg nicht weiter befahrbar ist. Von hier aus kann man entweder den Fluss entlang durch den Matsch laufen ­ bei Ebbe ­ oder über den Hügel. Über den Hügel gilt es, sich auf dem Weg immer links zu halten. Hier und da muss man ein wenig klettern. Mein Rat: Nicht nach unten schauen! Ungefähr auf Höhe des alten Hauses, das mitten im Fluss steht, befindet sich auf dem gegenüberliegenden Hang einer der Eingänge zu den Grotten. Es gibt zwei weitere, dieser ist jedoch der einfachste. Sollte der Mut zum Einstieg in der Grotte fehlen, lohnt sich der Ausflug dennoch. Die Landschaft ist beruhigend. Ich jedoch muss den Mut dazu finden! Der Eingang sieht nicht schlecht aus. Mein persönlicher Speläologe, der Fachbegriff für Höhlenforscher, kann sogar stehen. Schnell stelle ich fest, dass der erste Eindruck täuscht. Die Galerie gleich danach ist sehr schmal. Nervös fange ich an zu labern, um mich zu entspannen. Doch nur wenige Meter weiter vorne habe ich mich schon beruhigt und genieße es. Keine Spinnen oder andere Tierchen sind in Sicht. Zum Glück keine einzige Fledermaus! Kein komischer Geruch oder unheimliches Geräusch. Nur jahrhundertealte wunderschöne Tropfsteine und viel Matsch. Die Grotten bestehen aus mehreren Galerien, die zu größeren Kammern führen. Es ist wie ein Labyrinth. Wer sie zum ersten Mal erforscht oder ein schlechtes Orientierungsvermögen hat, sollte deshalb den Weg markieren. Aber bitte nicht die Wände beschreiben! Ein Faden, denn man später auch wieder mitnimmt, ist auch hilfreich. Die Galerien sind so schmal, dass man sich auf allen vieren oder in der Hocke bewegen muss. Größere Personen müssen gelegentlich auch robben. Es ist warm und je tiefer wir vordringen, desto stickiger wird die Luft. Also nichts für klaustrophobische Menschen. Nachdem wir uns einige Meter durch einen schmalen Tunnel gequetscht haben, kommen wir an einer der größeren Kammern an. Hier müssen wir uns mithilfe eines Taus ­ das bereits dort angebracht ist ­ abseilen. Man muss vorsichtig sein, um nicht auszurutschen, denn egal wo man sich festhält oder die Füße hinstellt, alles ist mit klitschigem Matsch bedeckt. Von dieser Kammer aus kommt man in eine weitere, in der einer der unterirdischen Seen liegt. Von der Decke hängen enorme Tropfsteine. Einer davon wurde von anderen Höhlenforschern vor uns, wie ich in einem alten Erkundungsbericht in der städtischen Bibliothek lesen konnte, Orgel getauft, weil dessen Form denen der Pfeifen einer Orgel ähnelt. Leider hat dieses jahrhundertealte Gebilde unter Vandalismus gelitten. Nicht sehr umweltbewusste Besucher der Grotten haben Teile des Tropfsteins wohl als Andenken abgebrochen. Bevor man dies macht, sollte man darüber nachdenken, dass die Natur ein weiteres Jahrhundert brauchen wird, um Tropfen für Tropfen dieser Stalagmiten wieder aufzubauen. Die Zerstörung der Grotten hört leider nicht hier auf. Es ist unglaublich, wie viele Unterschriften und Kürzel in die Wände geritzt werden. Auch Kerzen sind hier und da zu finden. Diese, sowie Fackeln sollten in Höhlen vermieden werden, denn der Russ lagert sich ab. Durch den giftigen Rauch ersticken auch die Fledermäuse. Zurück zum unterirdischen See. Es wird behauptet, dass die Tiden des Arade-Flusses Einfluss auf die Tiefe des Wassers in der Höhle haben. Unter der Wasserfläche soll eine 50 Zentimeter tiefe Tonschicht liegen. Diese beiden Kammern sind die wichtigsten der Ibn´AmmârGrotten. Es soll weitere geben, auch mit unterirdischen Seen und sogar fließendem Wasser. Aber während dieses ersten Besuchs kam ich nicht dazu, dies auszukundschaften. Da unsere Stirnlampen nicht ausreichend Licht spenden, können wir die Kammer leider nur schlecht sehen. Wir machen uns auf den Rückweg und sieh einer an: Zurück geht es schneller und einfacher. Wenig später sind wir draußen an der frischen Luft und schauen wieder auf den Arade-Fluss, die Brücke und am Horizont sehen wir Portimão. Ich hatte Spaß, bin stolz auf mich und habe es überlebt. Und das Rettungsteam war nicht nötig!

Ibn´Ammâr

Das Leben des arabischen Dichters Ibn´Ammâr könnte ein Drama von Shakespeare sein, voller Abenteuer, Grandiosität und Tragödie. Wie die nach ihm benannten Grotten, nur dass in diesen zum Glück bis heute keine Tragödie stattfand. Vielmehr dienten sie womöglich dem Dichter und dem damaligen Prinzen des Al Andalus, Al Mutamid, als geheimer Treffpunkt. Es wird vermutet, dass die beiden eine homosexuelle Beziehung hatten und die Gedichte, die Ibn´Ammâr zu Ehren seines Freundes schrieb, untermauern diese Annahme. Im Gedicht ,,Für Al Mutamid II“ schreibt er: ,,Wie viele Nächte verbrachten wir nahe des Flusses … Der Wasserlauf flüsterte als er wie Eifersüchtige an uns vorbei lief und wollte uns mit Verleumdungen verletzen Doch in diesem von uns gewählten Eck War es der Garten, der uns besuchte Uns seine Geschenke in der duftigen Hand der Brise schickte …“ Oder in ,,Für Al Mutamid I“ ,,Nichts bewegt mich außer dein Wille Dir folge ich wie ein Reisender durch die Nacht …“ In einem anderen Gedicht, lobt er die Schönheit von Al Mutamid ,,… Mein König! … Für Herzen bist du erfrischender als der morgendliche Tau Für Augen angenehmer als die süße Schwere des Schlafs … Prächtig in der Figur und im Geist Wie ein Garten, schön von der Weite und der Ferne Wenn mir neben dir der himmlische Fluss, der aus dir entspringt, serviert wird bin ich im Paradies …“ Ibn´Ammâr wurde im Jahr 1031 in Estômbar geboren. Obwohl er aus einer armen Familie stammte und zum damaligen Zeitpunkt noch unbekannt war, fand seine Poesie die Liebe des jungen maurischen Prinzen, Al Mutamid. Sie trafen sich in Silves und entwickelten schnell eine enge Beziehung zueinander. Al Mutamids Vater, der König Al Mutadid, war sein ganzes Leben lang gegen diese Liebe und versuchte die beiden zu trennen. Aber als Al Mutamid im Jahr 1069 nach dem Tod seines Vaters den Thron übernahm, rief er sofort seinen Freund zu sich nach Sevilla und ernannte ihn zum Minister. Ibn´Ammârs Aufstieg in der Politik war kometenhaft und er entpuppte sich als begabter Krieger, Diplomat und Dichter. Doch sein Ehrgeiz kannte keine Grenzen und oft intrigierte er gegen seinen Freund. Vielsagend über seinen Charakter ist folgendes Gedicht ,,Ich bin Ibn´Ammâr: meine Glorie Kann niemand ignorieren Außer Narren, die nicht in die Geschichte eingehen, und die nicht einmal Sterne sehen können. Wenn ich in meiner Zeit verachtet werde Ist dies nicht zu wundern Notizen sind das wichtigste in Büchern obgleich sie an den Rändern geschrieben werden“ Nachdem Ibn´Ammâr seinen Freund und König Al Mutamid bei der Eroberung der Region von Murcia half, verlieh dieser ihm den Titel eines Gouverneurs dieser Region. Zum Bruch mit Al Mutamid kam es, als Ibn´Ammâr sich dort als unabhängiger Herrscher aufführte. Im Jahr 1084 geriet er in Gefangenschaft und wurde an Al Mutamid ausgeliefert. Obwohl dieser ihm zuerst verzeihen wollte, hörte er von weiteren Verraten seines Freundes und in einem cholerischen Ausbruch brachte er Ibn´Ammâr im Jahr 1086 mit seinen eigenen Händen um.

 

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