Das Rathaus von Castro Marim hat das Gebäude des ehemaligen Handelsumschlagplatzes des Dorfes in ein Museum umgebaut. Nun ist es möglich, in der Casa de Odeleite eine Zeitreisein die ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts zu unternehmen
Zwei Dekaden lang war das Haus von João Xavier de Almeida in Odeleite, nahe des gleichnamigen Flusses, das wichtigste Handelszentrum des Dorfes und der Freguesia. Die Bewohner der Serra verkauften ihre Ware an den Hausherrn und Almeida an die Händler aus dem Küstengebiet. Die in den umliegenden Feldern und Hügeln gepflückten und gesammelten Mandeln, Feigen, Oliven und Johannisbrot wurden von dort aus über die Ribeira de Odeleite und dem Guadiana-Fluss in Booten nach Vila Real de Santo António transportiert und von dort nach ganz Portugal und in die Welt verschickt. Die Ribeira de Odeleite diente nicht nur als Transportweg, sondern lieferte auch den Rohrstock für die Herstellung der Transportkörbe. In den 1930er Jahren lebten in Odeleite 20 Personen, die sich nur der Herstellung von Körben widmeten. Sie dienten nicht nur bei den landwirtschaftlichen Vorgängen und dem Transport der Erzeugnisse, sondern waren auch in den Fischkonservenfabriken in Vila Real de Santo António und in den Salinen von Castro Marim, Tavira und Faro sehr gefragt. Zusammen mit den Mandeln waren die Körbe das wichtigste Exportgut von Odeleite. Laut Dokumenten, die im Haus gefunden wurden, verkaufte João Xavier de Almeida allein im Jahr 1930 hundert Tonnen Mandeln, die ihm aus 24 Dörfern der Umgebung geliefert wurden. In einem Brief vom März 1930 erhält er eine Bestellung von „60 Dutzend”, d.h. 720 Körbe für die Fischkonservenfabriken in Portimão!
Das Haus von João Xavier de Almeida diente gleichzeitig als Einkaufszentrum. Dort konnten die Bewohner der Serra so unterschiedliche Sachen wie Reis, Nudeln, Mehl, Textilien, Petroleum, Aspirin, Hustensaft, Seife, Zigaretten oder Leder erwerben. Oft erhielten die Kunden diese Waren als Bezahlung für ihre gelieferten Landwirtschaftserzeugnisse oder für ihre Arbeit auf den Feldern. João Xavier de Almeida, Sohn eines Bauern, wurde somit zum reichsten Mann der Umgebung und heiratete 1925 die Tochter des größten Landbesitzers der Gegend, Claudina Dias aus Corte Velha. Er war ständig zwischen der Serra und der Küste unterwegs und traf sich in Faro im Café Aliança, das damals als eine Art Mandel-, Feigen- und Johannisbrot-Börse funktionierte, mit der Bourgeoisie, die den Handel der Trockenfrüchte kontrollierte. Nachdem er Claudina ehelichte, zogen sie in das von ihm neu erbaute Haus. Die Inneneinrichtung des zweistöckigen Gebäudes, das aus einem Wohnzimmer, einem Esszimmer, zwei Gästezimmern und einem Büro mit Bi-bliothek bestand, hatte wenig oder nichts mit der von anderen Häusern der Gegend gemeinsam. U.a. verzieren Blumenmotive die Wände und der Fußboden ist mit geometrischen Mosaiken überzogen. Sicher ein Ergebnis seiner Kontakte mit den Großhändlern von der Küste. Das Gebäude ist eines von vier, aus denen die Casa de Odeleite besteht. Damals war es in der Serra üblich, dass ein Haus aus mehreren Gebäuden bestand, die wegen des Nachwuchses oder anderer Notwendigkeiten angebaut oder dazu gekauft wurden. Das Gebäude, das João Xavier erbauen ließ, ist das jüngste und wird auch heute noch Casa Nova genannt. In den anderen drei Gebäuden gab es eine Küche, Lagerräume für Trockenfrüchte, Wein, Mehl, Mais, Fleisch, einen Raum, in dem Brot gebacken wurde, Zimmer für Angestellte, das Zimmer von João Xavier und Claudina, ein Büro und sogar ein Badezimmer, was zu der damaligen Zeit ein wahrer Luxus war. Die Gebäude sind alle miteinander verbunden und verfügen über zwei Patios, in denen Claudina einen gepflegten Gemüsegarten angelegt hatte.
Am 7. Dezember 1933 nahm sich João Xavier de Almeida das Leben. Einige Bewohner von Odeleite erinnern sich heute noch an den leblosen Körper, der im kleinen Zimmer der Casa Nova mit einer Schusswunde im Kopf gefunden wurde. Wieso er das tat, weiß niemand. Einige sagen, dass das Geschäft schlecht lief und er viele Schulden hatte, denn die weltweite Krise von 1929 war auch im Hinterland der Algarve spürbar. Den genauen Grund wird man nie erfahren. Claudina, die noch zweimal heiratete – was damals auch sehr unüblich in dieser Gegend war – erwies sich als eine starke Frau und führte das Geschäft ihres verstorbenen Mannes noch einige Jahre weiter. Die Lage verschlechterte sich jedoch zunehmend und schließlich gab sie das Geschäft auf.
Diese Lebensgeschichte, aber auch die der gesamten Bevölkerung der Gemeinde Odeleite, kann nun in der Casa de Odeleite nachempfunden werden. In der Casa Nova stehen noch einige der Originalmöbel sowie zwei Radios, die damals sicher nicht in jedem Haushalt zu finden waren. In einem anderen Haus sind der alte Holzofen und die Utensilien, die zum Brot backen benutzt wurden, zu sehen, im Raum daneben verschiedene Wasser-, Olivenöl- und Weinbehälter. Die Ausstellung ermöglicht somit eine Zeitreise in das Leben im Hinterland der Algarve, Anfang des 20. Jahrhunderts und soll ebenfalls dazu dienen, Besucher zum Entdecken der Gemeinde zu inspirieren.
Anabela Gaspar
ESA 10/13