Portugal ist nicht für sein Bier, sondern für seinen Wein bekannt. In den letzten Jahren zeichnete sich jedoch ein Craft Bier-Trend ab, der zu einer Revolution des Biergeschmacks führte. Auch in der Algarve
In Portugal dominieren zwei große Brauerei-Konzerne den Bierhandel. Sie bedienen den Massengeschmack. Manchen wurde das zu langweilig. Sie wollten individuellere Brauprodukte, krempelten die Ärmel hoch und boten den Konzernen die Stirn. Mit Erfolg!
Die Webseite Cerveja Artesanal Portuguesa listet 131 Mikro-Brauereien in Portugal, fünf davon in der Algarve: Alabadiça, Algarve Rock, Mania, Marafada und Moura. Es gibt aber noch andere, wie beispielsweise Moça oder Dos Santos Craft Beer. NanoBrew ist ein weiterer Brauer der Algarve, der sein Bier nicht abfüllt, sondern nur aus dem Zapfhahn der eigenen Bar in Fuseta ausschenkt. ESA sprach mit drei dieser Brauer und stellte fest, dass die Craft Bier-Szene der Algarve fast eine Bewegung ist und aus jungen, engagierten und passionierten Menschen besteht, die sich gegenseitig unterstützen und Ideen austauschen. Ein buntes Volk, das eines gemeinsam hat: die Leidenschaft für Craft Bier.
Beim Brauen wenden sie das deutsche Reinheitsgebot an, scheuen sich aber auch nicht, nach belgischem oder lateinamerikanischem Vorbild, zu Wasser, Malz, Hopfen und Hefe andere Zutaten hinzuzufügen.
Wer sich von der Qualität der portugiesischen Brauprodukte überzeugen will, hat bei einem der vielen Festivals, die mittlerweile im ganzen Land organisiert werden, die Möglichkeit. Aber auch in einer der ausschließlich dem Craft Bier gewidmeten Bars, wie Saaz in Olhão, die ebenfalls wie Pilze aus dem Boden schießen. Zudem haben bereits einige Restaurants und Bars der Region sowie
Golfclubs und Hotels das regionale Craft Bier in ihr Sortiment aufgenommen.
Algarve Rock
Neil Conchie redet nicht lange um den -heißen Brei herum. „Seit ich alt genug bin, um Alkohol zu trinken, bin ich ein Bierfan. Aber ich hatte die Nase voll von dem industriellen Bier“, fasst er zusammen. Er liebt Craft Bier, wusste, dass sich in ganz Europa ein Craft-Trend abzeichnete und dass viele Touristen der Algarve, vor allem Briten, sich ein besseres, geschmacksvolleres Bier in ihrem Urlaub wünschen. Also beschloss er kurzerhand, eine Brauerei zu gründen. „Und wenn wir uns schon etwas vornehmen, dann auch richtig“, so Neil. Daher setzte er sich als Ziel, die größte Mikro-Brauerei an der Küste der Iberischen Halbinsel aufzubauen, investierte dementsprechend in die Brauanlage, in der pro Vorgang 3.000 Liter und monatlich 40.000 Liter produziert werden und engagierte einen ausgebildeten Braumeister. Angel Borges aus Venezuela studierte dort die Braukunst, besuchte Fortbildungen in Brasilien, unter anderem eine Ausbildungen zum Biersommelier in der World Brewing Academy mit der weltweit renommierten Braumeisterin Katia Jorge. Zuletzt verbrachte er zweieinhalb Jahre in München und bekam in mehrere Brauereien Einblick in die Braukunst. „Ich habe dort sehr viel gelernt, aber die deutschen Braumeister sind sehr stolz auf ihr traditionsreiches Bier und daher nicht experimentierfreudig“, so Angel.
Bei Algarve Rock produziert er fünf Bier-stile: Pilsner, Pale Ale, Red Ale, India Pale Ale (IPA) und Porter. Alle haben einen Namen mit S – Sharp, Steady, Solid, Session und Stout – und zwischen vier und fünf Prozent Alkohol. „Wir wollen trinkbare, gefällige Biere brauen“, so Neil. Sehr beliebt ist das Red Ale Solid, doch im Sommer dürfte das Pilsner Sharp größeren Anklang finden, meint Neil. Diese fünf Biere werden stets zur Verfügung stehen, doch Angel und Neil planen zudem Saisonbiere, wie beispielsweise ein Stout mit Johannisbrot und Orangen. „Die perfekte Kombination für Wintertage“, sind sie sich einig.
Sie starteten erst im Februar dieses Jahres und konzentrieren sich zuerst auf die Vermarktung innerhalb der Algarve. „Danach wollen wir ganz Portugal und eventuell die Welt erobern. Wir wollen portugiesisches Craft Bier auf die Weltkarte setzen!“, so Neil enthusiastisch.
Mehr zu Algarve Rock und der Braukunst können Interessierte samstags bei einer Tour in der Brauerei im Industriegebiet von Faro erfahren (Anmeldung erforderlich). Ab diesem Monat gibt es dort auch eine kleine Bar, sodass Kunden sich vor Ort in passender Atmosphäre von der Qualität überzeugen können.
algarverock.com
Dos Santos Craft Beer
Greg dos Santos ist höchstwahrscheinlich der jüngste Braumeister der Algarve. Der 24-Jährige gibt lächelnd zu, die Leidenschaft für die Braukunst durch Zufall und vor nicht allzu langer Zeit entdeckt zu haben. Es waren praktische Umstände, die dazu führten.
Seine Eltern beschlossen von Südafrika nach Europa zu ziehen. Da Eugene dos Santos portugiesische Wurzeln hat und die Familie ihren Urlaub seit Jahren im Raum Lagoa verbrachte, kauften sie ein Landgut nahe des Golfresorts Gramacho. Ihr Ziel war es eine Boutique-Weinfarm zu eröffnen, denn sie wollten auch in ihrer Rentenzeit aktiv bleiben. Ein Freund, der erfolgreich in der südafrikanischen Weinszene tätig ist, stand ihnen mit Rat und Tat zur Seite und schlug vor, dass sie, neben der Weinproduktion, in eine Brauerei investieren sollten, denn Craft Bier sei stark im Kommen und entwickle sich zu einer anspruchsvollen Branche. Greg beschloss daraufhin die Braukunst zu lernen und war überrascht, wie kreativ und individuell Craft Bier ist. Zuletzt machte er bei einem deutschen Braumeister in Kapstadt ein Praktikum. Dort lernte er das deutsche Reinheitsgebot und wie Angel Borges stellte auch er fest, dass deutsche Braumeister dieses sehr ernst nehmen und streng verfolgen.
Seine drei Standardbiere, ein Amber Ale, ein Pilsner und ein Lager, stellt Greg nach dem Reinheitsgebot her. Er experimentiert aber auch gerne und präsentiert daher in diesem Sommer ein Bier mit Orangen der Algarve. Ebenfalls geplant ist ein India Pale Ale.
Während die Standardbiere von Dos Santos in verschiedenen Restaurants im Raum Lagoa sowie in Hotels und Golfclubs erhältlich sind, sind die Saisonbiere nur in der Tapas-Bar Esquina des Landgutes erhältlich. „Einerseits verfolgen wir bei unseren Standardbieren eine konsequent gleichbleibende Qualität und Geschmack, sodass der Kunde genau weiß, was er bekommt, andererseits ist es sowohl für mich als auch für den Kunden aufregend, immer wieder etwas Neues auszuprobieren“, so Greg.
Ein Besuch der Quinta dos Santos lohnt sich allemal. In der Anlage, samt Brauerei und Weinkeller, wurde behutsam Hand angelegt. Von der Tapas-Bar mit gemütlichem Patio blickt man auf die Weinberge und kann dabei portugiesische Häppchen und Craft Bier genießen. Zudem ist ein Besuch der Brauerei, in der derzeit 9.000 Liter pro Monat produziert werden, möglich.
Was die Familie dos Santos in Portugal stets reizte war der Wein, das Essen, die Architektur und die Kultur. Das genau wollen sie ihren Gästen näher bringen. „Alles auf der Quinta dos Santos hat einen portugiesischen Touch. Wir wollen, dass die Besucher Portugal erleben und ihnen ein geschmackvolles Erlebnis in wunderschöner Umgebung bieten“, fasst Greg zusammen.
dossantoscraftbeer.com
Marafada
Algarvios gelten als marafados. Eine genaue Übersetzung dafür gibt es nicht, aber es bedeutet so viel wie: Voller Lebenskraft; jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt und etwas wild ist. Das portugiesische Adjektiv passte hervorragend zu André Gonçalves´ und Rúben Pires´ erstem selbstgebrauten Bier, einem India Pale Ale (IPA), das sich durch eine starke Hopfenbittere auszeichnet.
Angefangen hat alles vor einigen Jahren in der WG-Küche in Lissabon. Dort braute ein italienischer Freund sein eigenes Bier und führte André in diese Kunst ein. Sein Enthusiasmus dafür sowie die gebraute Menge wuchsen, denn er musste immer mehr begeisterte Freunde versorgen. Die waren auch diejenigen, die André und Rúben Pires, der sich mittlerweile zu ihm gesellt hatte, dazu anspornten, ihr Bier zu vermarkten. Von anfangs 20 Litern, „die man in der eigenen Küche mit den Töpfen der Mutter produzieren kann“, so André gut gelaunt, stiegen sie auf 100 und nun 500 Liter pro Vorgang. Natürlich benutzen sie nicht mehr die Küche und die Töpfe der Mutter, sondern ihre eigene Brauerei, die in Algoz im Hinterhof der Quinta dos Avós liegt, dem Tee-Salon von Andrés Eltern, der für seine kalorienreichen und leckeren regionalen Süßgebäcke bekannt ist und dessen Angebot durch das Craft Bier Marafada erweitert wurde.
Das nach dem deutschen Reinheitsgebot hergestellte Marafada IPA entsprach genau ihrem Geschmack, doch die beiden Brauer waren sich darüber bewusst, dass es für andere zu bitter war. Daher folgte ein leichteres American Pale Ale (APA) und ein im Stil des belgischen Witbieres gebrautes Marafada mit Orangen aus Silves, das 2017 im Rahmen des städtischen Orangen-Festivals präsentiert und zu einem riesigen Erfolg wurde. „Um unsere Palette abzurunden fehlte dann nur noch ein Marafada Stout“, so André.
Immer wieder brauen sie Sondereditionen, oftmals in Zusammenarbeit mit anderen Brauern. In aller Munde waren sie Ende 2017, als sie ihre Kräfte mit Sérgio Rodrigues (Alen´ Tejo) vereinten, um Tuber ins Leben zu rufen: Ein Bier aus Süßkartoffeln, wie es in Lateinamerika oft üblich ist. Aber sie benutzen nicht irgendeine Süßkartoffel, sondern die der Sorte Lira aus Aljezur. Die Prämiere war natürlich auf dem Süßkartoffel-Fest der Stadt.
Für diesen Sommer gibt es zwei Neuheiten: „Ein sehr helles, aber mit 10 % Alkohol sehr starkes Bier, also ein blondes Engelchen, dass richtig marafado sein wird“, erklärt André schmunzelnd, „und ein Sour mit Brombeeren der Algarve, das eine leichte rötliche Färbung und frische Zitrusnoten aufweist“.
FB: Cerveja Artesanal Marafada
Bierstile im Überblick
Amber Ale: Malzbetonte Biere, bei denen der Hopfen dennoch nicht in den Hintergrund tritt. Es muss bernsteinfarben bis rötlich und obergärig sein. Der Alkoholgehalt bewegt sich meist zwischen 5 und 7%.
America Pale Ale (APA): Das Malzaroma unterstützt die Aromen des Hopfens, wobei die aber ganz klar dominieren. Nicht selten haben diese Biere einen bitteren Abgang. Helles strohgelb bis satt bernsteinfarben und in der Regel zwischen 4,5 und 6 % Alkohol.
India Pale Ale (IPA): Charakteristisch ist vor allem eine starke Hopfenbittere, oftmals fruchtige Aromen sowie ein relativ hoher Alkoholgehalt (6 – 11 %). Das IPA, dessen Farbe von Bernstein bis Kupfer reicht, ist eine stärkere Version des Pale Ale – sowohl, was Alkohol als auch Hopfenmenge betrifft.
Lager: Hopfenbetont mit einhergehender aromatischer Vollmundigkeit und leichter Süße. Rein optisch betrachtet zeichnen sich die meisten Lagerbiere durch eine helle goldgelbe Färbung aus. Der Alkoholgehalt liegt im Durchschnitt zwischen 4,5 bis 5,6 %.
Pale Ale: Hopfenbetontes, obergäriges Bier mit einer nicht ganz so intensiv ausgeprägten Bittere wie das IPA. Die Bezeichnung Pale (blass oder bleich) bezieht sich einerseits auf den Einsatz heller Malze, zum anderen auf die dadurch resultierende helle Farbe des Bieres. Alkoholgehalt zwischen 3,7 bis 6,3 %.
Pilsner: Untergärig gebrautes Bier, das in der Regel immer leicht hopfenbetont ist und eine deutlichere Bittere aufweist als die meisten anderen untergärig gebrauten Biere. Charakteristisch sind eine helle goldgelbe Farbe und ein leichtes, spelziges und schlankes Geschmacksprofil, mit wenig Körper. Der Alkoholgehalt liegt bei 4 bis 5 %.
Porter: Ein obergäriges Bier, das sich durch seine dunkle, meist tiefschwarze Farbe und durch seinen malzigen, süßlichen, karamellartigen Geschmack auszeichnet. Im Nachtrunk schlägt oftmals ein trockener und deutlich ausgeprägter Röstgeschmack durch, ergänzt durch die angesprochene Hopfenbittere. Der Alkoholgehalt beträgt etwa 4 bis 6 %.
Red Ale: Ein obergäriges Bier das im Vergleich zum Pale Ale einen höheren Anteil an Gerstenmalz enthält. Hierdurch bekommt es seine charakteristische Färbung und seine Namensbezeichnung. Deutliche Malznoten und fruchtige Hopfenaromen. Es ist somit etwas süßlicher, malziger und süffiger als ein Pale Ale. 5 – 8 % Alkohol.
Sour: Überbegriff für Biere, die einen feinen bis starken säuerlichen Charakter aufweisen. Diese können sowohl hell, als auch dunkelbraun sein. Die Säure entsteht entweder durch Zugabe von Milchsäure beim Brauen oder durch eine natürliche Milchsäure-Vergärung im Brauprozess, durch wilde Hefen oder durch eine Fasslagerung.
Stout: Obergäriges Bier, das durch seine tief-schwarze Farbe, einen hohen Alkoholgehalt von meist über 7 % und einen extrem malzigen Fokus charakterisiert ist. Der Hopfen spielt eine nur sehr untergeordnete Rolle, um die Malz-Süße mit einer leichten Hopfenbittere etwas auszubalancieren.
Witbier: Obergärige belgische Bierspezialität. Dieser auch als „belgisches Weißbier“ bekannte Bierstil zeichnet sich durch einen hefearomatischen Geschmack aus, der durch die Hinzugabe von Orangenschalen oder Piment eine typische Charakteristik erhält. Die Farbe ist auffallend hell und blass und resultiert aus dem hohen Anteil an ungemälztem Weizen und hellem Malz.
Quelle: craftbeer-revolution.de
Text: Anabela Gaspar in ESA 07/2018