Wenn die Frau im Portugiesen erwacht
Torres Vedras ist im Februar gleich zweimal eine Reise wert: Erstens bieten Stadt und Bezirk interessante und geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten und zweitens ist Karneval feiern in Portugal nirgends so spektakulär wie dort
Die Stadt Torres Vedras blüht im Februar richtig auf. Wie die Brasilianer, planen auch die Bewohner von Torres Vedras den Karneval fast ein Jahr im Voraus und toben sich die fünf Tage richtig aus. Doch hier enden auch die Ähnlichkeiten beider Karnevale. Im Umzug von Torres Vedras sind keine halbnackten SambaTänzerinnen zu sehen oder Samba zu hören. Ausländische Einflüsse werden abgelehnt. Die Stadt feiert den traditionellsten Karneval im ganzen Land und auch den ältesten. Der erste Eintrag über Karnevalsfestlichkeiten in Torres Vedras datiert vom Jahr 1574. Laut Polizeiakten, beschwerte sich damals ein Bewohner über eine Gruppe junger Männer, die am Aschermittwoch verkleidet durch den Ort schlenderten und Lärm machten. Dieses Jahr finden die Festlichkeiten vom 20. – 25. Februar statt. Obwohl das Ergebnis, also die Karnevalsfeier, ein Riesen Chaos ist oder zumindest so aussieht verlaufen die Vorbereitungen nach einem strikten Plan. Bereits im März des vorhergehenden Jahres findet die erste Versammlung der Real Confraria do Carnaval de Torres statt, die, zusammen mit dem Rathaus, für die Organisation zuständig ist. Bei dieser Versammlung wird der letzte Karneval beurteilt und festgelegt, was verbessert werden kann oder verändert werden sollte. Nachdem auch das Thema des nächsten Umzuges feststeht, beginnt im Juli die Ausschreibung für die Herstellung der Festwagen und der Figuren, bei der sich lokale Künstler bewerben. Und ab Oktober machen sich die ,,Erwählten“ dann ans Werk. Schreiner, Schlosser und Maler werden engagiert, um die so genannten carros alegóricos zu bauen, während die Bildhauer die Figuren modellieren, die die Festwagen schmücken werden. Die Wagen sind mittlerweile 14 Meter lang, 4 Meter breit und bis zu 6,5 Meter hoch. Die überdimensionierten Figuren, in Portugal cabeçudos genannt, werden repariert und dem 12 aktuellen Karnevalsthema angepasst. Meistens werden Politiker, Sportler oder Persönlichkeiten aus der Regenbogenpresse karikiert. Aus dem Chaos, der in den Werkstätten herrscht, entstehen wahre Kunstwerke.
Bei einem Umzug sieht man im allgemeinen die carros alegóricos, die cabeçudos, die Fußgruppen und die Zés-Pereiras (Musiker und Tänzer). Doch in Torres gibt es seit 1999 auch jährlich ,,Das Monument“, ein Bauwerk, mit dem ein aktueller Anlass ironisiert wird. In den Anfängen war es ein kleines Gebilde, das den Karneval von Torres Vedras selbst zum Thema hatte. Im nächsten Jahr ging es bereits um Umweltverbrechen allgemein. Später, 2004 wurde die Europa-Meisterschaft verspottet. Im Jahr 2006 wurden die internationalen Beziehungen und die USA als Weltpolizei in einem 16 Meter hohen Monument parodiert. Letztes Jahr wurde es den Zeichentrickfiguren gewidmet. Ebenfalls wichtige Akteure des Karnevals von Torres Vedras sind seit 1923 der König und die Königin. Sie werden zu Beginn des Karnevals immer festlich am Bahnhof willkommen geheißen und gesellen sich dann zum Umzug durch die Straßen der Stadt. Wie es zu den beiden Figuren kam, steht nicht fest. Dass es immer zwei Männer sind, ist jedoch mit den damaligen sozialen Begebenheiten zu erklären. Frauen nahmen zu Beginn des Jahrhunderts nicht an den Festlichkeiten teil. Unter den Fußgruppen sind seit 1926 viele matrafonas, als Frauen verkleidete Männer, zu sehen. Diese Tradition begann aus finanziellen Gründen. Die Bauern der Gegend hatten nicht die Möglichkeit, sich Kostüme zu kaufen oder machen zu lassen und zogen deshalb einfach alte Kleider ihrer Frauen an. Doch versuchten sie nicht mit den Kleidern schön oder wie eine Frau auszusehen. Eher umgekehrt. Umso hässlicher, umso besser. In Torres Vedras gibt es sogar ein Verein der matrafonas. Sie gehören zu den aktivsten Teilnehmern bei den Vorbereitungen und Umzügen des Karnevals. Fünf Tage lang herrscht rege Animation in der Stadt. Bis tief in die Nacht, oder eher bis zum Morgengrauen, sind die Karnevalsnarren unterwegs und stecken alle mit ihrer guten Stimmung an.
Ist der Karneval zu Ende, hat Torres Vedras trotzdem noch viel zu bieten. Heute ist es ein lebhaftes Städtchen mit vielen Sehenswürdigkeiten. Darunter die mittelalterliche Burg, Kirchen und Kloster sowie die Festung von São Vicente und das aus dem 16. Jahrhundert stammende fast zwei Kilometer lange Aquädukt. Das Graça-Kloster, das heute das städtische Museum Leonel Trindade beherbergt, ist vor allem wegen der Gemälden aus dem Barock sehenswert. Die Festung von São Vicente, deren Bau im Jahr 1809 begann, ist Teil der ,,Torres-Linien“, die in die Annalen der Geschichte eingingen. Diese waren Verteidigungslinien, die der Herzog von Wellington gegen die Truppen von Napoleon errichten ließ, um die französische Invasion aufzuhalten. Die Befestigungslinie bestand aus Festungen und Schützengräben, sowie aus den natürlichen Hügelketten. Sie erstreckten sich auf der Höhe von Torres Vedras von der Atlantikküste bis zum Fluss Tejo und waren damit ungefähr 40 Kilometer lang. So wurde eine ca. 1.300 Quadratkilometer große Festung geschaffen, die im Westen vom Atlantik, im Norden von den Linien von Torres Vedras und im Osten und Süden vom Tejo geschützt wurde. Nicht nur Kultur- sondern auch Naturliebhabern hat der Bezirk etwas zu bieten. Torres Vedras hat eine 20 Kilometer lange Küste mit ungewöhnlich schönen Stränden, die dank des milden Klimas auch außerhalb der Hauptsaison besucht werden können. Die bekanntesten sind die Strände Santa Rita, Porto Novo, Azul, Assenta und Santa Cruz, der wegen seiner Länge und dem feinen weißen Sand am beliebtesten ist. Viele Dichter und Denker lebten in Santa Cruz und ließen sich von der Landschaft inspirieren, darunter der Lyriker Antero Quental, der als Hauptvertreter der ,,Generation von Coimbra“ das portugiesische Geistesleben stark beeinflusste. Zudem wird in Santa Cruz jährlich im Juli der Sommer-Karneval gefeiert, der einen Einblick in die Festlichkeiten des Karnevals im Februar erlaubt. Jetzt im Februar sind die Wassertemperaturen zwar nicht sehr einladend, aber ein Spaziergang entlang des Atlantiks ist zu jeder Jahreszeit lohnenswert.
ANABELA GASPAR in ESA 02/09