Kapriziös malerisch wacht die Wiege des Landkreises Reguengos de Monsaraz auf einer Bergkuppe über Weinberge, Dorfflecken und Stausee und verführt Gäste mit Faible für Bohème, mit Delikatem aus Küche und Keller, zu spontanen Ausflügen
Einen zweiten Ort wie diesen gibt es nicht, sagen Gäste über Monsaraz. Das rustikal konstruierte Kastell fasziniert durch seine ungewöhnliche geografische Höhenlage in dieser Region und erweckt Neugier, denn es strahlt exakt die orakelhaft dunkle und gleichzeitig zauberhaft romantische Aura aus, die man sich von einer mittelalterlichen Festung wünscht. Das Besondere an Monsaraz ist seine Baustruktur. Das Burgdorf ruht auf einem schiefernen Sockel, der das grafitfarbene Bollwerk aus der sonst sanft hügeligen Landschaft empor stemmt. Vom Fundament bis zu den Zinnen, selbst Gassen und Treppen, bestehen vollständig aus übereinander aufgeschichteten Schiefersteinen und -platten, die Häuser, Kirchen und Festungswall zusammenhalten. Die Fassaden an Häusern und Kirchen leuchten weiß gekalkt, an den Hängen unter der Burg fließen Weinstöcke, als wogend grüne Wellen, den Abhang hinab. An der Ostseite schmiegt sich der Stausee Barragem do Alqueva mit seinen verzweigten Ufern an den Burghügel und flieht wie ein Tinten-klecks an Monsaraz vorbei gen Spanien. Vereinzelt stehende Olivenbäume und Korkeichen fächern ihre Laubdächer über die dürstenden Weidefelder auf und teilen Himmel und Wasser.
In das pythisch anmutende Burgdorf am Alqueva-Stausee im südöstlichen Alentejo gelangt man von Reguengos de Monsaraz im Distrikt Évora über die Landstraße M-514, entweder in Richtung Mourão, dann links nach Monsaraz oder via São Pedro do Corval und Telheiro. Die Strecke endet am Kreisverkehr mit Parkplatz am Fuß der Burg. Kaum den Burgfried durch das Tor am Uhrenturm betreten, umfängt der Nebelschweif der Vergangenheit den Besucher und entführt die Phantasie in das Zeitalter der Inquisition, der Geheimbunde und der Kleinbauer-Vasallen, die für eine warme Mahlzeit ihren Burgherren lebenslang treue Dienste leisteten. Sicher kann Monsaraz mehr als 1001 abenteuerlich mystische Geschichten erzählen, seit der Araberfürst Tarik im Jahre 711 den Hügel am westlichen Guadiana-Flussufer als Wachposten auserkor, einen Cuba-Gebetstempel, eine Zisterne und eine Alcáçova-Burg auf der Kuppe bauen ließ, die nach der christlichen Rückeroberung zu einer strategisch wichtigen Festung heranwuchs. All diese Geschichten leben fort, beinahe so, als könne das Mittelalter jeden Moment wiederauferstehen, denn der Ortskern ist original erhalten und eröffnet profunde Einblicke in die einstige Lebensweise in der Burg.
Der Streifzug durch den musealen Weiler führt vom Uhrenturm bis zur Burg vorbei an kunsthandwerklichen Ateliers, die zur Schnäppchenjagd animieren. Flauschig weiche Wolldecken, Westen und Pullover aus purer, von Hand gewebter Schurwolle sowie bunt bemalte Holzstühle sind besonders charakteristische Produkte der Region. Vorbei am Haus der Inquisition Casa da Inquisição wo laut Volksmund sephardische Juden und andere Andersgläubige besonders pervers gequält worden sein sollen, gelangt man zur Burg und durch ein weiteres Tor in die innere Festung. Auf den Burgzinnen erwartet den Besucher ein einmaliges Schau-ins-Land 360° Panorama.
In der Ortsmitte dominiert die Pfarrkirche Nossa Senhora da Lagoa den einstigen Marktplatz, der Pelourinho-Obelisk davor präsentiert die herzogliche Insigne aus dem Hause Bragança und damit die ehemalige feudale Position der Burg. Gegenüber der Kirche befand sich das örtliche Krankenhaus, neben-an die Santa Misericórdia-Kapelle. In der ehemaligen Burgherren-Residenz mit Kerker am Platz ist das Museu do Fresco untergebracht. Die Wandgemälde des Museums zeigen eindrucksvoll dargestellt Allegorien der irdisch empfundenen Unterschiede zwischen Gut und Böse. Durch einen Arkadenbogen gelangt man zu einem kleineren Platz im Herzen des Ortes und zur Santiago-Kirche, in der Künstler regelmäßig ihre Werke ausstellen. Die schmale Gasse am östlichen Festungswall schlängelt sich an früheren Gesindehäusern entlang, an deren Fassaden Drillingsblumen ranken und endet an der Zisterne. Von dort gelangt man durch ein kleines Tor über steile Treppenstufen abwärts zu einem weiteren Schutzwall, an dessen Kante die früher muslimische Gebetsstätte und heutige Kapelle São João steht.
Das Herumklettern über Zinnen und Treppen macht Appetit. Eine Handvoll Restaurants bietet delikat zubereitete regionale Spezialitäten sowie kulinarisch bestens gelungene Fusionen aus der andalusischen mit der alentejanischen Küche an, gekrönt von edlen Tropfen aus Monsaraz. Mit etwas Glück ergattert man einen Tisch auf einer Restaurantterrasse mit Blick auf den See, spätestens dann ist man sich einig, einen zweiten Ort wie diesen gibt es nicht. Der Abschied fällt schwer. Ein letzter Stopp am Kreisverkehr, ein letzter verträumter Blick über den wie ein Gemälde in der Landschaft ruhenden See, neben der Silhouetten-Installation eines Cante Alentejano Männerchors aus Metall, muss sein.
Abwärts auf der M-514 Richtung Telheiro zweigt die Landstraße CM-1127 ab und endet am Seeufer am Centro Náutico de Monsaraz mit Badestrand, Schwimmzone, Liegewiese und Picknickplatz. Mit Skipper David Quintas von NautiMonsaraz gewinnt man auf einem Bootsausflug eine gänzlich andere Perspektive auf Monsaraz mit Entspannung pur.
Bevor die M-514 Landstraße am Kreisverkehr weiter Richtung Telheiro führt, liegt rechts das verlassene Nonnenkloster Convento da Orada und auf einem freien Feld daneben beeindruckt eine Ansammlung mystischer Zeugen aus der Steinzeit den Besucher. Im Zentrum des Cromelegue do Xarez reckt sich ein einzelner schlanker, wie ein Phallus geformter Megalith aus einer Gruppe von etwa fünfzig niedrigeren Megalithen heraus und sorgt für recht unterschiedliche Interpretationen. Rund um Monsaraz markieren insgesamt ungewöhnlich viele Megalithen, Menire und Hünengräber, sogenannte Antas, Territorien, Grabstätten und heidnisch-heilige Orte, die zu einer Rundstrecke Rota Megalítica em Reguengos de Monsaraz zusammengefasst sind. Eines dieser prähistorischen Prachtexemplare steht zwischen Telheiro und São Pedro do Corval am Straßenrand der M-514. Der Menir da Rocha dos Namorados sieht aus wie ein abgebrochener Baumstumpf und trägt den Spitznamen „Fels der Liebenden“. Einer Volkslegende zufolge kommen in Vollmondnächten verliebte junge Mädchen hierher und werfen einen Stein auf den Brocken. Bleibt der Stein liegen, erfüllt sich ein Herzenswunsch, fällt er herab, erfüllt er sich nicht. Im Museu Megalítico José Maria de Fonseca in Reguengos de Monsaraz erfährt man mehr über die Steine und ihre Bedeutung.
In São Pedro do Corval erreicht man die sogenannte „Töpfer-Hauptstadt“ des Alentejo und taucht ab in die Welt kunstvoll glasierter Keramik-arbeiten. Die Hauptstraße ist gesäumt von Keramik-Boutiquen mit eigenen Töpfer-Werkstätten, in denen Tonkünstler Steingut für den täglichen Hausgebrauch sowie erlesene Dekorationsstücke herstellen und bemalen.
Die Keramik-Manufaktur Olaria Tavares wird von Dora Tavares und ihrem Mann Mário Cardoso geführt. Mário modelliert jedes Stück von Hand. Teller für Teller, Vase für Vase, Krug für Krug. Seine Schwester Lídia Cardoso entwirft das jeweilige Design, wählt die passenden Farbnuancen aus und bemalt die Tonware, während Dora sich um die Keramik-Boutique und die Kundenakquise kümmert. So kann man in der Manufaktur jederzeit ein Stück portugiesische Handwerkskunst als Souvenir kaufen, nach Wunsch eine ganze Kollektion bestellen oder nach Vorlage eines eigenen Firmenlogos individuell gestaltete Unikate, zum Beispiel als Prestige-Kundengeschenke, anfertigen lassen.
Der Ausflug endet, wo er anfängt, in der Kreisstadt Reguengos de Monsaraz. Dort hat man die Qual der Wahl, eines der Weingüter in der europäischen Weinstadt von 2015 und vom US-Today-Magazin im Juli 2018 zur besten Weinregion der Welt gekürt, zu besuchen und bei einer gemütlichen Weinprobe köstliche Häppchen zu goutieren, während man gleich den nächsten Besuch plant.
INFOS
Casa da Inquisição
Mo – Do 10 – 13 / 16 – 22 Uhr, Fr – So 10 – 23 Uhr
Travessa do Quebra Costas, Monsaraz
NautiMonsaraz
David Quintas, Bootsausflüge
Mob. 960 361 906
Museu do Fresco
tägl. 9.30 – 12.30 / 14 – 18 Uhr
Largo Dom Nuno Álvares Pereira 12, Monsaraz
Museu Megalítico
José Maria de Fonseca
Mo – Fr 9 – 17 Uhr, Rua de Mourão, Reguengos de Monsaraz
(Rota Megalítica: www.diariodoviajante.pt/rota-megalitica-em-reguen gos-de-monsaraz)
Olaria Tavares
olariatavares@gmail.com Rua dos Castelhanos 10, S. Pedro do Corval
Weintourismus
Reguengos de Monsaraz:
www.cm-reguengos-monsa raz.pt/pt/visitar/Paginas/list-enoturismo.aspx
Text und Fotos: Catrin George Ponciano in ESA 09/2018