Die Sonderwirtschaftszone Madeira wurde bereits 1980 gegründet. Mit dem Beitritt Portugals zur damaligen EWG im Jahr 1986 wurde die Zone reglementiert. Die aktuellen Vergünstigungen für Unternehmen, insbesondere steuerlicher Natur, sind am 1.1.2015 in Kraft getreten und gelten bis zum 31.12.2027. Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau, der auch auf Madeira tätig ist, erläutert
Die Sonderwirtschaftszone Madeira besitzt den amtlichen Namen „Internationales Geschäftszentrum Madeira“ (Centro Internacional de Negócios da Madeira, kurz CINM). Im Jahr 1987 wurde die Verwaltung der Sonderwirtschaftszone einem privaten Unternehmen namens Sociedade de Desenvolvimento da Madeira S.A. übertragen. Hauptaktionäre dieses Unternehmens sind die Regionalregierung Madeira und die Unternehmensgruppe Pestana.
Die Sonderwirtschaftszone verfolgt das primäre Ziel, ausländische Investoren auf die Insel zu locken und Anreize dafür zu schaffen, dass sich madeirensische Unternehmen internationalisieren. Wie Sie in diesem Beitrag lesen werden, profitieren Unternehmen, die in der Sonderwirtschaftszone auf-genommen wurden, von einem der niedrigsten Körperschaftssteuersätze in der EU und den OECD-Staaten.
Da die steuerlichen Vergünstigungen der Sonderwirtschaftszone Staatshilfen im Sinne des EU-Rechts darstellen, die nur ausnahmsweise erlaubt sind, wurde erstmalig im Jahr 1987 deren Zulassung mit der Europäischen Kommission verhandelt. Es gab bisher vier Zeiträume, die unterschiedliche Vergünstigungen vorsahen: von 1987-2011 (mit Wirkung bis Ende 2011), von 2003-2006 (mit Wirkung bis Ende 2011), von 2007-2013 (mit Wirkung bis Ende 2020) und aktuell von 2015-2027 (mit Wirkung bis Ende 2027).
Bis heute hat die Europäische Kommission kein Veto gegen die Sonderbehandlung der Unternehmen der Sonderwirtschaftszone Madeira eingelegt, obwohl immer wieder neu mit ihr über die jeweiligen Vergünstigungen verhandelt wurde. Wiederkehrende Prüfberichte der Europäische Kommission führten nur zu Anpassungen der Rechtslage, insbesondere im Jahre 2002. Nach geltendem EU-Recht ist es Portugal erlaubt, Madeira eine als wirtschaftsschwache, entlegene Region besonders zu fördern, ohne sich wegen unerlaubter Staatsbeihilfen verantworten zu müssen.
Nach der Veröffentlichung der sog. Panama Papers und der Kritik von Europaabgeordneten, wie der Portugiesin Ana Gomes, hat die Europäische Kommission im Jahr 2018 eine besondere Überprüfung der Sonderwirtschaftszone veranlasst. Dieses Handeln blieb jedoch ohne sichtbare Konsequenzen. Ein u. a. von der portugiesischen Regierung bei der Universidade Católica Portuguesa in Auftrag gegebenes Gutachten hat im April 2019 ergeben, dass im Falle der Abschaffung der Sonderwirtschaftszone bis zu 6.400 Menschen, die auf Madeira leben, ihre Arbeit verlieren würden, bis zu 20 % aller Steuereinnahmen auf Madeira wegfielen und die Abschaffung allgemein einen starken Einbruch der regionalen Wirtschaft mit sich brächte. Dieses Gutachten hat für den portugiesischen Staat eine große Bedeutung, da das EU-Recht grundsätzlich voraussetzt, dass die Hilfen ausschließlich der Wirtschaft auf Madeira zugutekommen. Madeira wäre ohne die Sonderwirtschaftszone noch stärker vom Tourismus abhängig als Südportugal.
Laut den aktuellen Vorschriften, die bis Ende 2027 gelten, beträgt der Körperschaftssteuersatz für Unternehmen, die in der Sonderwirtschaftszone Madeira operieren, pauschal nur 5 %. Der reguläre Satz für Unternehmen mit Sitz auf Madeira, die nicht in der Sonderwirtschaftszone tätig sind, beträgt derzeit 20 % (auf dem portugiesischen Festland beträgt der Satz derzeit 21 %). Die einmalige Gebühr für die Aufnahme in der Sonderwirtschaftszone beträgt € 1.800. Hinzu kommt eine jährliche Gebühr von € 1.000.
Die Vergünstigungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Diese Vergünstigungen setzen voraus:
1. Die Gründung von einem bis fünf Vollzeit-Arbeitsplätzen während der ersten 6 Monate und die Vornahme einer Investition in Höhe von mindestens € 75.000 während der ersten zwei Jahre oder
2. Die Gründung von sechs oder mehr Vollzeit-Arbeitsplätzen während der ersten sechs Monate.
Darauf hinzuweisen ist, dass die Arbeitnehmer auf Madeira ansässig sein müssen. Die Anstellung eines Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitglieds, der auf der Insel ansässig ist, erfüllt bereits die Voraussetzung der Gründung eines Arbeitsplatzes. Die Investition der genannten € 75.000 muss hingegen nicht Vermögenswerte betreffen, die einen Bezug zu Madeira haben. Oftmals wird allerdings eine Immobilie auf Madeira erworben. Bei dieser Immobilie muss es sich nicht um ein Gewerbeobjekt handeln. Vielmehr kann es sich um eine Wohnimmobilie handeln, die vom Unter-nehmensinhaber während seiner Madeira-Aufenthalte genutzt wird.
Ferner unterliegen die aufgezeigten Vergünstigungen gestaffelten Umsatzgrenzen, die je nach Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze variieren sowie folgende jährliche Grenzen:
1) 20,1 % an erhaltener Brutto-Mehrwertsteuer im Jahr oder
2) 30,1 % der eingegangen Kosten mit Arbeitnehmern im Jahr oder
3) 15,1 % des jährlichen Geschäftsvolumens
Die Sonderwirtschaftszone Madeira sieht auch noch andere attraktive Vergünstigungen u. a. für Reedereien und sogenannte Trusts vor. Lassen Sie sich beraten. Die Gründung des Unternehmens auf Madeira setzt keine persönliche Anwesenheit voraus, da hierfür eine Vollmacht erteilt werden kann. Gerade in Zeiten der Pandemie ist das eine praktische Lösung.
Text: DR. ALEXANDER RATHENAU in ESA 12/2020