Stehen dem Käufer der Immobilie Ansprüche zu?
Es passiert täglich: Jemand kauft eine Immobilie in Portugal, die mit einer bestimmten Größe angeworben wird. Dabei handelt es sich regelmäßig um die Fläche, die aus den amtlichen Unterlagen des Anwesens hervorgeht. Nach dem Kauf stellt sich allerdings heraus, dass die Fläche des Grundstücks deutlich kleiner ist als angenommen. Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau erläutert diese wichtigen Fälle aus der Praxis
Im Grundbuch und Steuerregister der Immobilie ist die Größe der Grundstücksfläche genannt. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Flächenangaben regelmäßig nicht mit der Realität übereinstimmen. Nach ständiger Rechtsprechung darf der Käufer der Immobilie nicht auf die Richtigkeit der aus dem Grundbuch hervorgehenden Grundstücksflächen vertrauen. Es stellen sich hier zwei Fragen: i) Wie weise ich als Käufer nach, dass die Immobilie tatsächlich kleiner ist? und ii) Habe ich als Käufer der Immobilie Ansprüche gegen den Verkäufer aufgrund der Flächendifferenz, etwa einen Anspruch auf Minderung des Kaufpreises?
Es stellt sich zunächst die Frage, wie man die Größe der Immobilie feststellt bzw. wo sich die Grundstücksgrenzen befinden, um eine Vermessung vornehmen zu können. Das portugiesische Festland wurde bisher nur teilweise vermessen. Ein Liegenschaftskataster für ganz Portugal steht noch aus. Auf den Inselgruppen Madeira und Azoren gibt es noch gar keine Liegenschaftskataster. Dieser Zustand ist kritikwürdig, da in vielen Gemeinden deshalb keine verbindliche Grundstücks-vermessung möglich ist. In der Praxis wird nach alten Grenzsteinen gesucht. Es kommt wiederholt vor, dass sich die Nachbarn über die Grenzziehung einigen. Existiert ein Liegenschaftskataster im Gemeindegebiet, kann der beauftragte Vermesser die amtlichen Koordinaten beim Katasteramt anfordern. Aber: Auch diese Vermessung ist nicht genau. Die Vermessungskoordinaten stammen von Zeichnungen auf Polyester-Papier, das sich mit der Zeit deformiert. Man spricht von einer Fehlermarge von ca. 3 Metern. Eine digitale Vermessung über Satelliten steht auch in den Gebieten noch aus, die katastermäßig erfasst sind. Deshalb muss man sich auch in diesen Gemeindegebieten in der Regel mit den Nachbarn über die exakte Grenzsteinsetzung einigen. Scheitert eine Einigung, entscheidet das Gericht.
In zahlreichen Fällen ist die Flächendifferenz so groß, dass der Käufer unschwer beweisen kann, dass das erworbene Grundstück kleiner ist als angenommen. Das belegen die zahlreichen Gerichtsurteile, die sich mit dieser Thematik befassen. Der klassische Fall besteht darin, dass die Vertragsparteien zunächst einen Kaufvorvertrag und im Anschluss den Kaufendvertrag über die Immobilie abschließen. Mit dem Abschluss des Kaufendvertrages gehen das Eigentum und der Besitz (Sachherrschaft) an der Immobilie auf den Käufer über. Während in Kaufvorverträgen regelmäßig die Größe der Immobilie angegeben wird, fehlen in Kaufendverträgen in der Regel Flächenangaben. Notare in Portugal tendieren dazu, in Kaufendverträgen keine Angaben zur Fläche aufzunehmen, da sie wissen, dass die aus den amtlichen Unterlagen hervorgehende Fläche oftmals nicht mit der realen Fläche übereinstimmt. Aus der Sicht der Notare gilt es zu vermeiden, den Kaufvertrag durch die – womöglich falsche – Flächenangabe anfechtbar zu machen. Das ist ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es für den Verkäufer und insbesondere für den Käufer einer Immobilie ist, vor dem Kaufgeschäft anwaltlichen Rat einzuholen. Was im Kaufendvertrag im Zusammenhang mit der Grundstücksfläche steht, ist nämlich entscheidend für die Feststellung, ob dem Käufer der Immobilie Ansprüche gegen den Verkäufer infolge der Flächendifferenz zustehen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (Urteile vom 26.4.2007 und 10.9.2019, Aktenzeichen 07B698 und 272/17.1T8BGC.G1.S2) ist allein relevant, welche Angaben der Kaufendvertrag zur Grundstücksgröße beinhaltet. Der Inhalt des abgeschlossenen Kaufvorvertrages ist für diese Thematik irrelevant.
Folgendes Beispiel illustriert die aktuelle Rechtslage, das auf dem zitierten höchstrichterlichen Urteil vom 10.9.2019 beruht: A hat B ein Grundstück mit Haus und Garten für € 190.500 verkauft. Laut Grundbuch und Steuerauszug besitzt die Immobilie 9.500 m2. Tatsächlich beläuft sich die Fläche auf 4.506 m2. Im Kaufendvertrag fehlen Angaben zur Grundstücksgröße. B beantragt vor Gericht, den Preis um € 50.500 zu reduzieren, da er das Anwesen nicht für mehr als € 140.000 erworben hätte, hätte er dessen reale Fläche gekannt. A trägt zu seiner Verteidigung vor, dass er diese Differenz nicht kannte und die genaue Größe des Grundstücks im Rahmen der Verhandlungen über den Kaufpreis keine Rolle spielte.
Man muss zwischen zwei Arten von Geschäften unterschieden: Solche Geschäfte, die als Gegenstand bestimmte Waren-Stückzahlen und einen Preis für jedes Warenstück aufweisen und solche Geschäfte, deren Preis nicht ausdrücklich für eine bestimmte Stückzahl vereinbart wurde. Im erstgenannten Fall schuldet der Käufer nur den Kaufpreis für die tatsächlich erhaltenen Stückzahlen (Art. 887 CC). Im zweitgenannten Fall schuldet der Käufer auch dann den vollen vereinbarten Kaufpreis, wenn im Kaufvertrag die Stückzahl genannt ist und sich später herausstellt, dass eine geringere Stückzahl übergeben wurde (Art. 888 Abs. 1 CC).
Letzteres ist nur dann nicht der Fall, wenn die aus dem Kaufvertrag hervorgehende Stückzahl um mehr als 5 % (1/20) höher ist als die reale Stückzahl. Dann wird der Kaufpreis zu Gunsten des Käufers verhältnismäßig reduziert (Art. 888 Abs. 2 CC).
Der oben genannte Beispielsfall könnte – wenn überhaupt – nur unter Art. 888 CC subsumiert werden. Unter Stückzahl kann die Quadratmeterzahl des Grundstücks angesehen werden. Da im Kaufendvertrag aber die Quadratmeterzahl nicht genannt wurde, liegen die Voraussetzungen von Art. 888 CC nicht vor. Wäre die Grundstücksgröße im Kaufendvertrag genannt worden, wäre Art. 888 CC aber dennoch nicht erfüllt. Da Gegenstand des Kaufes ein Grundstück mit einem Haus und Garten war, kann man den Preis nicht einfach im Verhältnis zur Flächendifferenz reduzieren, wie es der Gesetzeswortlaut vorsieht. Der Marktwert der Flächen für Haus- und Gartenfläche ist nämlich sehr unterschiedlich. Zu einem anderen Ergebnis kann man bei unbebauten Grundstücken gelangen, so das oberste Gericht.
Wichtig ist, dass der Käufer B sich auch nicht auf Gewährleitungsvorschriften infolge eines Mangels an der Immobilie berufen kann. Ein Mangel liegt vor, wenn die Sache in ihrem Wert gemindert ist oder ihr Eigenschaften fehlen, die zur Erreichung ihres bestimmungsgemäßen oder vereinbarten Zwecks notwendig sind. Ein Mangel in Sinne des Gesetzes bezieht sich auf die Qualität der Sache. Die Quantität der Sache – d. h. im Beispielsfall die Quadratmeterzahl der Immobilie – spielt im Rahmen des Mangelbegriffs grundsätzlich keine Rolle. Außerdem kannte der Käufer B im obigen Beispielsfall die Eigenschaften der Immobilie. Er hat die Immobilie besichtigt und es kam zu keiner nachträglichen Verkleinerung des Grundstücks. Die Immobilie ist immer noch so groß wie zum Zeitpunkt der Besichtigung. Außerdem war die Größe der Immobilie nie Gegenstand von Verhandlungen mit dem Verkäufer. Ein Mangel liegt nicht vor. Nur ausnahmsweise kann eine Flächendifferenz einen Mangel im genannten Sinne begründen. Das ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn die Immobilie aufgrund der geringeren Fläche nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann, z. B. wenn sich herausstellt, dass nahezu die gesamte Gartenfläche der Gemeinde gehört und deshalb ein Haus ohne freie Fläche verkauft wurde. Es kommt hier auf den Einzelfall an.
Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass Käufern von portugiesischen Immobilien in der Regel zu raten ist, in Kauf(end)verträgen ausdrücklich die Größe der Immobilie anzugeben. Handelt es sich um eine Immobilie mit bebautem und unbebautem Grund, sollten beide Flächen angegeben werden. Darauf zu achten ist allerdings, dass im Kaufvertrag keine anderen Flächenangaben gemacht werden dürfen als diejenigen, die aus dem Grundbuch und Steuerauszug hervorgehen. Kommt es für den Käufer demnach auf die genaue Fläche an, sollte er deshalb vor dem Kauf die realen Flächen prüfen und dem Verkäufer die Pflicht auferlegen, die realen Flächen vor dem Kauf amtlich eintragen zu lassen.
Vor allem bei ländlichen Immobilien kommt außerdem in Betracht, dass im Kaufvertrag festgehalten wird, dass die Höhe des Kaufpreises auf Basis der konkreten Quadratmeterzahl vereinbart wurde, sodass der vereinbarte Kaufpreis pro Quadratmeter aus der Kaufurkunde hervorgeht. Das sichert einen potentiellen Anspruch auf Preisreduzierung.
In ESA 05/2021