Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau beantwortet die häufigsten Fragen zum deutschen und portugiesischen Arbeitsrecht
1. Wie viele Urlaubstage stehen mir zu?
Das deutsche Recht gewährt jedem Arbeitnehmer mindestens 24 bezahlte Urlaubstage. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang jedoch eine Sechs-Tage-Woche, sodass bei einer üblichen Fünf-Tage-Woche ein Anspruch auf 20 Urlaubstage besteht. Anders ausgedrückt: Unabhängig davon, wie viele wöchentliche Arbeitstage vereinbart sind, hat der Arbeitnehmer insgesamt ein Recht auf mindestens vier Wochen bezahlten Urlaub. In Portugal beträgt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch 22 Tage pro Jahr. Darüber hinaus steht den Arbeitnehmern für besondere Anlässe Sonderurlaub zu, das sog. gerechtfertigte Fehlen, wie z.B. 15 Tage Sonderurlaub nach der Eheschließung.
2. Besteht ein Mindestlohn? Wie hoch ist dieser?
In Deutschland besteht seit dem 1.1.2015 ein flächendeckender und branchenübergreifender Mindestlohn. Zum 1.1.2017 beträgt dieser Euro 8,84 brutto pro Stunde. Auch in Portugal gibt es einen Mindestlohn. Es handelt sich hierbei um einen nationalen Mindestlohn. Seit 1.1.2018 beträgt dieser Euro 580 pro Monat.
3. Welche Kündigungsfristen muss der Arbeitnehmer beachten?
Die vom Arbeitnehmer zu beachtende gesetzliche Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats. Häufig werden in Arbeits- oder Tarifverträgen zum Teil längere Fristen vereinbart. In Portugal kann der Arbeitnehmer bei einer Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren den Vertrag ohne Angabe von Gründen kündigen, wenn er den Arbeitgeber mindestens 30 Tage im Voraus darüber informiert. Bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 2 Jahren hat er den Arbeitgeber mindestens 60 Tage im Voraus darüber zu informieren. Beim Vorliegen eines wichtigen Grundes kann dieser den Vertrag wiederum sofort kündigen. Er hat dem Arbeitgeber jedoch innerhalb von 30 Tagen die Gründe mitzuteilen.
4. Welche Kündigungsfristen muss der Arbeitgeber beachten?
Die vom Arbeitgeber zu beachtenden gesetzlichen Kündigungsfristen richten sich nach der Beschäftigungsdauer. Dauerte das Arbeitsverhältnis weniger als zwei Jahre, ist eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats zu beachten. Bestand dieses zwei Jahre, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Ende eines Kalendermonats. Bestand das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, muss der Arbeitgeber eine Frist von zwei Monaten beachten. Bei einer Betriebszugehörigkeit von acht Jahren ist eine Frist von drei Monaten, bei einer zehnjährigen Beschäftigung von vier Monaten zu beachten. Sechs Monate beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis 15 Jahre bestanden hat. Bei einer 20-jährigen Beschäftigungsdauer muss der Arbeitgeber schließlich eine Frist von sieben Monaten beachten. In Portugal hat der Arbeitgeber für die Durchführung von Disziplinarmaßnahmen eine Frist von 60 Tagen zu beachten. Das Kündigungsverfahren ist hier sehr viel formeller geregelt. Bei Kündigungen, die auf das Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, kann diese Frist durch einige Verfahrensschritte gehemmt werden, wie z.B. die Befragung des Arbeitnehmers bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes und durch die in Kenntnissetzung des Arbeitnehmers über die Kündigung und deren Gründe. Auch besteht die Möglichkeit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer mittels Schreibens gegen Entgelt freizustellen. Innerhalb einer Frist von 10 Tagen hat der Arbeitnehmer darauf einzugehen. Nach Durchführung des Untersuchungsverfahrens und der Stellungnahme der Arbeiterausschüsse bzw. ggf. der Gewerkschaften innerhalb von 5 Tagen, hat der Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme die Kündigung auszusprechen. Bei betriebsbedingten Kündigungen hängt die Frist von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ab. Ist dieser unter einem Jahr in dem Betrieb beschäftigt, hat der Arbeitgeber eine Frist von 15 Tagen zu beachten. Bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 1 Jahr und unter 5 Jahren, hat dieser eine Kündigungsfrist von 30 Tagen zu beachten, bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren bis unter 10 Jahren eine Frist von 60 Tagen und bei einer Betriebszugehörigkeit von 10 oder mehr Jahren eine Kündigungsfrist von 75 Tagen.
5. Was muss während der Probezeit beachtet werden?
Eine Probezeit besteht nur, wenn diese vertraglich vereinbart wurde. Das Gesetz sieht eine maximale Dauer der Probezeit von sechs Monaten vor. Das Arbeitsverhältnis kann während der Probezeit mit einer kurzen Kündigungsfrist von zwei Wochen sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber gekündigt werden. In Portugal hingegen besteht automatisch eine Probezeit. Sollte man damit nicht einverstanden sein, ist diese schriftlich abzubedingen. Die Dauer der Probezeit hängt davon ab, ob es sich um einen befristeten oder unbefristeten Vertrag handelt. Bei unbefristeten Verträgen beträgt diese grundsätzlich 90 Tage. Für Arbeitnehmer, die technisch komplexe Aufgaben wahrnehmen, die mit einem erhöhten Verantwortungsgrad einhergehen, besondere Qualifikationen besitzen oder eine gewisse Vertrauensfunktion ausüben, beträgt die Probezeit 180 Tage. 240 Tage beträgt sie bei Führungspositionen. Bei befristeten Arbeitsverträgen beträgt die Dauer der Probezeit 30 Tage, wenn das Arbeitsverhältnis 6 Monate oder länger andauert. Sollte das Arbeitsverhältnis nicht länger als 6 Monate bestehen oder sollte dies bereits voraussehbar sein, beträgt die Probezeit 15 Tage. Die Vereinbarung einer geringeren Probezeit ist durch kollektivrechtliche Regelungen sowie schriftlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien möglich. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis grundsätzlich ohne Angabe eines wichtigen Grundes sowie ohne Einhaltung einer besonderen Kündigungsfrist gekündigt werden. Sollte die Probezeit mehr als 60 Tage betragen, kann der Arbeitgeber den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 7 Tagen kündigen und bei der Dauer der Probezeit von 120 Tagen, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 15 Tagen.
6. Welche Bestimmungen muss der Arbeitsvertrag enthalten und wann ist er nichtig?
Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag mündlich vereinbart werden. Eine schriftliche Urkunde ist nicht zwingend notwendig. Ein befristetes Arbeitsverhältnis muss jedoch zwingend schriftlich festgehalten werden. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber die schriftliche Bestätigung der wesentlichen Bedingungen des Vertrages (z.B. Arbeitsort, Tätigkeit, Höhe der Bezahlung) verlangen. Bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen gilt ferner die Vertragsfreiheit. Vorformulierte bzw. standardisierte Arbeitsverträge unterliegen der sog. AGB-Kontrolle, sodass zu prüfen ist, ob die einzelnen Klauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen bzw. intransparent sind. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind dabei angemessen zu berücksichtigen. Eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrages kann sich insbesondere aus allgemeinen Gründen ergeben, wie z.B. wenn dieser nur zum Schein abgeschlossen wird oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ferner aus arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverboten sowie einem Verstoß gegen die guten Sitten. Stellt sich die Nichtigkeit eines Arbeitsverhältnisses erst später heraus, besteht keine Bindung an dieses für die Zukunft. Es liegt jedoch ein sog. „fehlerhaftes/faktisches Arbeitsverhältnis“ vor, weil es für die Vergangenheit wie ein wirksames Arbeitsverhältnis behandelt wird. Auch in Portugal unterliegt der Arbeitsvertrag keiner bestimmten Form und muss somit grundsätzlich nicht schriftlich vereinbart werden. In bestimmten Fällen ist die Schriftform jedoch erforderlich, wie z.B. bei Arbeitsverträgen mit ausländischen und staatenlosen Arbeitnehmern, Leih- und Teilzeitarbeit, befristeten Arbeitsverträgen, dem Vorvertrag und Arbeitnehmerüberlassungsverträgen. Die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages ergibt sich auch in Portugal größtenteils aus allgemeinen Vorschriften, wie z.B. dem Fehlen der Rechts- oder Geschäftsfähigkeit, bei Verstößen gegen das Gesetz, die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten. Der Vertrag wird für den Zeitraum, in dem der Vertrag trotz Erklärung der Nichtigkeit bzw. Annullierung vollzogen wurde, wie ein wirksamer Vertrag behandelt. Auch das ist vergleichbar mit dem sog. „fehlerhaften/faktischen Arbeitsverhältnis“. Ein Unterschied zur deutschen Rechtslage ergibt sich bei dem anfänglichen Fehlen eines zur Ausübung der Arbeit notwendigen Titels. Fehlt ein solch erforderlicher Titel, ist der Vertrag nichtig.
7. Welche gesetzlichen Regelungen gibt es zu den Arbeitszeiten?
Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers darf maximal acht Stunden pro Werktag betragen. Unter bestimmten Umständen kann diese bis zu zwei Stunden verlängert werden, falls ein späterer Ausgleich geschaffen wird. Bei einer Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden ist eine Pause von 30 Minuten vorgeschrieben. Beträgt die Arbeitszeit mehr als neun Stunden, ist eine Pause von 45 Minuten Pflicht. Zwischen zwei Arbeitsschichten sind grundsätzlich wenigstens elf Stunden Ruhezeit vorgeschrieben. Die gesetzlichen Bestimmungen sind auf gewisse Personengruppen nicht anwendbar oder es gelten besondere Bestimmungen, wie beispielsweise für Jugendliche, die das 15., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben. Durch kollektivrechtliche Vorschriften können Ausnahmeregelungen geschaffen oder in besonderen Fällen von den Regelfällen abgewichen werden. In Portugal beträgt die maximale Arbeitszeit pro Arbeitstag auch 8 Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit darf 40 Stunden nicht überschreiten. Pro Arbeitstag ist eine Ruhepause von mindestens einer und höchstens zwei Stunden vorgesehen. Die Ruhezeit zwischen den Arbeitseinsätzen beträgt ebenfalls 11 Stunden. Eine Erhöhung der täglichen Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden ist möglich. Auch gibt es eine zeitliche Toleranz von 15 Minuten für Transaktionen, Arbeitsabläufe oder Aufgaben, die bereits begonnen aber noch nicht beendet wurden. Abweichende Regelungen sind durch kollek-tivrechtliche Vereinbarungen möglich.
8. Was ist bei einem befristeten Arbeitsvertrag zu beachten?
Ein Arbeitsvertrag darf bis zu zwei Jahre befristet werden, wenn kein sog. Sachgrund für die Befristung vorliegt. In dieser Zeit darf das Arbeitsverhältnis maximal dreimal verlängert werden. Ohne zeitliche Höchstgrenze ist eine Befristung zulässig, wenn diese durch sachlichen Grund gerechtfertigt ist, wie z.B. der Vertretung eines erkrankten Mitarbeiters. Die Vereinbarung über die Befristung eines Arbeitsverhältnisses muss stets in schriftlicher Form erfolgen. Auch in Portugal ist eine Befristung möglich. Unterschieden wird zwischen kalendermäßig befristeten und zweckbefristeten Arbeitsverhältnissen. Die Schriftform ist auch hier zu beachten, mit Ausnahme der Bereiche der Landwirtschaft oder des Tourismus bei Verträgen von weniger als 15 Tagen. Der Vertrag darf nicht mehr als 3 mal verlängert werden, eine Dauer von 18 Monaten bei erstmaliger Beschäftigung des Arbeitnehmers und eine Dauer von 3 Jahren aus sonstigen Gründen, nicht überschreiten. Ferner muss der Vertrag bestimmte Inhalte enthalten, wie unter anderem das Auflösungsdatum, die vereinbarte Frist, etc.
Text: DR. ALEXANDER RATHENAU in ESA 12/2018