Wer in einem Verfahren obsiegt und ein Urteil erwirkt hat, besitzt einen Vollstreckungstitel.
Die meisten Beklagten werden zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt. Zahlt der Beklagte nicht freiwillig die Geldschuld, muss der Kläger die Vollstreckung einleiten. Rechtsanwalt und advogado Dr. Rathenau beantwortet die häufigsten Fragen zum portugiesischen Vollstreckungsrecht
Wenn man Recht hat, muss man es zunächst vor Gericht bekommen. Liegt ein Gerichtsurteil vor, bedeutet dies aber noch nicht, dass man sein Recht auch durchsetzen kann. Die Zwangsvollstreckung unterliegt formalen Regeln und ist in Portugal oft mindestens so langwierig wie das Verfahren auf der Erwirkung eines Urteils. Nach meiner Erfahrung dauern Vollstreckungsverfahren in Portugal regelmäßig zwischen 2,5-5 Jahren.
1. Welche Arten der Zwangsvollstreckung gibt es?
Es wird unterschieden zwischen der Zwangsvollstreckung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, der Zwangsvollstreckung zur Herausgabe einer bestimmten Sache und der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer Handlung oder Unterlassung. Eine Zwangsvollstreckung zur Wirkung von Unterlassungen und die Vollstreckung auf Abgabe einer Willenserklärung sieht das portugiesische Recht – anders als das deutsche Recht – nicht vor. Eine Ausnahme sieht das portugiesische Recht allein für die Vollstreckung von Kaufvorverträgen bei Immobilien in Art. 830 CC vor, wo die aus dem Vorvertrag geschuldete Willenserklärung durch ein entsprechendes Urteil erlangt werden kann.
2. Welches Verfahren findet bei einer Vollstreckung wegen einer Geldforderung Anwendung?
Die Vollstreckung wegen einer Geldforderung folgt der sog. summarischen Form, wenn sich die Vollstreckung auf ein gerichtliches Urteil stützt oder ein Mahnantrag mit Vollstreckungsklausel vorliegt. Vor der Pfändung erfolgt im summarischen Verfahren keine Klagezustellung an den Vollstreckungsschuldner. Vor der Pfändung wird dem Vollstreckungsschuldner somit kein rechtliches Gehör gewährt.
3. Welche Voraussetzungen hat die Zwangsvollstreckung?
Jeder Zwangsvollstreckung muss ein Vollstreckungstitel zugrunde liegen. Folgende Vollstreckungstitel sieht das portugiesische Recht vor: Leistungsurteile, öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, Wertpapiere und Urkunden, denen das Gesetz Vollstreckungskraft zuerkennt. Voraussetzung für die Vollstreckungsfähigkeit von Urteilen ist, dass diese rechtskräftig sind. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Urteile zu vollstrecken, gegen die ein Rechtsmittel eingelegt wurde, soweit dieses das angegriffene Urteil nicht aussetzt. In diesem Falle muss der Gläubiger aber eine Sicherheit leisten.
4. Welche Anforderungen hat der Vollstreckungsantrag?
Der Vollstreckungsantrag ist an das Vollstreckungsgericht zu richten. Im Vollstreckungsantrag sind das Klagebegehren, der Streitwert, der zu beauftragende Vollstreckungsgehilfe, die Namen der Parteien, deren Anschrift bzw. Sitz, deren portugiesische Steuernummer und wenn möglich weitere Angaben zu dem Vollstreckungsschuldner anzugeben. Außerdem sind das Ziel der Vollstreckung und die Verfahrensform im Antrag zu nennen. Dem Antrag sind eine Kopie des Vollstreckungstitels und der Beweis der Zahlung der Prozesskosten beizufügen. Gibt der Vollstreckungsgläubiger zu pfändende Güter an, hat er soweit möglich Unterlagen vorzulegen, die zur genauen Identifizierung dieser Güter beitragen.
5. Welche Vollstreckungsorgane gibt es in Portugal?
In Portugal ist zentrales Vollstreckungsorgan der sog. Vollstreckungsgehilfe. Daneben gibt es in Portugal spezialisierte Vollstreckungsgerichte. Der Richter hat bestimmte Aufgaben in Zwangsvollstreckungsverfahren. In bestimmten Fällen nimmt der Justizbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts die Funktion des Vollstreckungsgehilfen wahr. Der Vollstreckungsgehilfe ist für die Durchführung von allen Vollstreckungsmaßnahmen zuständig, die nicht der Geschäftsstelle zugeteilt sind oder für die der Richter zuständig ist. Zu diesen Aufgaben zählen Zustellungen, Veröffentlichungen, Einsichten in Datenbanken, Pfändungen und deren Eintragung, Festsetzungen der Schuld sowie Zahlungen. Die Zwangsvollstreckung kann in folgende Phasen eingeteilt werden: Die einleitende Phase, die Pfändung, die Verwertung und die Beendigung.
6. Wie läuft eine klassische Zwangsvollstreckung einer Geldforderung ab?
Die Durchsetzung des Anspruches erfolgt mittels einer Vollstreckungsklage. Der Prozess beginnt mit Einreichung des Vollstreckungsantrags. Liegt ein Urteil vor, findet das summarische Verfahren Anwendung. Der Antrag ist nicht an das Gericht zu richten, sondern direkt an den Vollstreckungsgehilfen, der für die formelle Überprüfung des Antrags zuständig ist. Sodann hat der Gehilfe mit der Pfändung zu beginnen. Wie bereits erläutert, findet in dieser Phase keine Klagezustellung statt. Die Zustellung der Klage an den Schuldner wird erst später zusammen mit Zustellung der Pfändung durchgeführt. Der Vollstreckungshilfe ist für alle Arten der Pfändung zuständig. Die Pfändung beginnt mit Gütern, deren Geldwert sich am besten realisieren lässt und die im Verhältnis zur Höhe der Forderung des Gläubigers angemessen erscheinen. Werden innerhalb von drei Monaten keine pfändbaren Güter gefunden, fordert der Gehilfe den Gläubiger auf, Güter zu spezifizieren, welche er gepfändet sehen will. Auch wird der Schuldner aufgefordert, pfändbare Güter anzugeben. Letzteres erfolgt unter der Androhung einer Geldstrafe i.H.v. 5 % der geschuldeten Summe pro Monat für den Fall der Unterlassung oder falscher Angaben.
7. Kann sich der Schuldner oder ein Dritter gegen die Pfändung wehren?
Ja. Der Schuldner kann sich gegen die Pfändung wehren, indem er Widerspruch eingelegt. Über den Widerspruch entscheidet das Gericht. Ein Widerspruchsgrund ist die Rechtswidrigkeit der Pfändung. Wurde eine Sache gepfändet, die einem Dritten gehört, kann dieser Drittwiderspruch erheben.
8. Wie erfolgt die Verwertung einer gepfändeten Sache?
Soweit Geld gepfändet wurde, muss es nur vom Vollstreckungsgehilfen ausgehändigt werden. Wurde z. B. eine Immobilie gepfändet, erfolgt die Verwertung durch einen Verkauf. Das Gesetz sieht verschiedene Arten des Verkaufes vor: i) der Verkauf mittels Angeboten in verschlossenen Briefen; ii) der Verkauf an reglementierten Märkten; iii) der direkte Verkauf an Personen oder Einrichtungen, die ein Recht zum Erwerb der Güter haben; iv) der Verkauf mittels persönlicher Verhandlung; v) der Verkauf in Versteigerungseinrichtungen, vi) der Verkauf öffentlicher Verwaltungsstellen oder vii) der Verkauf mittels elektronischer Versteigerung. Der Vollstreckungsgehilfe hat eine Entscheidung hinsichtlich der Art des Verkaufes und des Basiswertes zu treffen. Der Basiswert, zu dem eine Immobilie verkauft wird, beträgt entweder den vor weniger als sechs Jahren steuerlich gesetzten Vermögenswert oder den Marktpreis, je nachdem welcher von beiden höher ist. Bei anderen Gütern gilt grundsätzlich der Marktpreis. Gängig sind die Varianten des Verkaufes mittels Angeboten in verschlossenen Briefen und der Verkauf mittels elektronischer Versteigerung.
9. Besteht eine Reihenfolge der Zahlungen durch den Vollstreckungsgehilfen?
Ja. Aus dem Erlös der gepfändeten Güter werden vorrangig die Kosten für die Vollstreckung gezahlt, welche das Honorar und die sonstigen dem Vollstreckungsgehilfen entstandenen Kosten umfassen. Sodann prüft er, ob es Gläubiger gibt, die vorrangig zu befriedigen sind. Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Rechte sind die generellen Vorzugsrechte zugunsten des Sozialversicherungsamtes und der Finanzverwaltung. Die Existenz dieser Vorzugsrechte zugunsten des Staates ist sehr kritikwürdig, da Gläubiger i.d.R. keine Kenntnis solcher Verbindlichkeiten haben und es ungerecht ist, dass der Staat hier bevorzugt wird, nachdem man bereits das gesamte Verfahren auf Erwirkung eines Urteils und die Zwangsvollstreckung durchlaufen hat.
In ESA 08/2023
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