Portugals Unternehmenslandschaft ist zu rund 99 % durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt. Dabei ist Gesellschaft mit beschränkter Haftung (auf Portugiesisch: sociedade por quotas, auch als Lda. bekannt) die weitaus wichtigste Gesellschaftsform. Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau gewährt einen Überblick über die wichtigsten Regelungen der GmbH
A. Bedeutung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Die Gesellschaftsform der GmbH ist für kleine und mittlere Unternehmen sehr attraktiv. Ende 2021 waren 616.550 GmbHs in Portugal registriert. Die GmbH setzt nur einen einzigen Gesellschafter voraus und nur ein Stammkapital von € 1 je Anteil. Zum Vergleich: Die Aktiengesellschaft stellt die zweitwichtigste Gesellschaftsform dar, die nur rund 1 % aller Unternehmen Portugals ausmachen. Ende 2021 führten Registerämter insgesamt 29.845 AG auf. Die fehlende Attraktivität der Aktiengesellschaft ist in der Komplexität des Aktienrechts begründet. Außerdem werden fünf Gründungsmitglieder vorausgesetzt und das Mindeststammkapital beträgt € 50.000. Ferner sind seit dem 4.5.2017 keine Inhaberaktien, sondern nur noch Namensaktien zulässig. Auch setzt eine Aktiengesellschaft die Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers voraus, der bezahlt werden muss.
B. Attraktiver Steuersatz
Auf dem portugiesischen Festland beträgt der Körperschaftssteuersatz 21 %. Kleine und mittlere Unternehmen müssen die ersten € 25.000 des zu versteuernden Gewinns sogar nur mit einem Satz von 17 % versteuern. Je nachdem, in welchem Gebiet sich der Gesellschaftssitz befindet, kann noch ein Gemeindezuschlag (derrama) von bis zu 1,5 % hinzukommen. Bei einem zu versteuernden Gewinn von € 1.500.000 – € 7.500.000 erhöht sich die Steuerlast um 3 %, bei einem zu versteuernden Gewinn von € 7.500.000 – € 35.000.000 erhöht sich die Steuerlast um 5 % und bei einem zu versteuernden Gewinn von über € 35.000.000 erhöht sich die Steuerlast um 9 % (sog. staatliches derrama). Um Anreize für Investoren zu schaffen, beträgt der reguläre Körperschaftssteuersatz auf den autonomen Regionen Azoren und Madeira (außerhalb der Sonderwirtschaftszone) derzeit nur 14,7 %, d. h. der Satz auf den Inseln ist um 6,3 % geringer als auf dem Festland.
C. Stammkapital der GmbH und Haftung der Gesellschafter
Die GmbH sieht seit 2011 ein „freies Stammkapital“ vor. Der Mindestbetrag beläuft sich auf € 1 je Anteil. Diese symbolische Einlage erinnert an die UG im deutschen Recht. Vor der Reform betrug das Mindeststammkapital € 5.000. Der Gesetzgeber begründete die Abschaffung eines höheren Mindestbetrages u. a. damit, dass viele Jungunternehmer höhere Beträge nicht aufbringen können und die Höhe des Stammkapitals für Gläubiger keine Aussage über die Liquidität des Unternehmens beinhaltet.
Das Stammkapital der GmbH ist aufgeteilt in Anteile. Im Verhältnis zu Gläubigern der Gesellschaft haften die Gesellschafter nicht. Das ist ein sehr wichtiges Merkmal der GmbH. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, dass ein Gesellschafter bis zu einem bestimmten Betrag gegenüber Gläubigern der Gesellschaft haftet.
Wer auf eine Fremdfinanzierung angewiesen ist, profitiert von der genannten Haftungsbeschränkung nur bedingt. Portugiesische Kreditinstitute verlangen bei der Vergabe von Darlehen nämlich regelmäßig persönliche Garantien der Gesellschafter oder zumindest der geschäftsführenden Gesellschafter in Form von selbstschuldnerischen Bürgschaften oder Blankowechsel. Da viele KMU auf Fremdfinanzierungen angewiesen sind, wird die Haftungsbeschränkung der betroffenen Gesellschafter hierdurch in der Praxis ausgehebelt.
D. Rechte der Gesellschafter, insbesondere auf Gewinnausschüttung
Die Gesellschafter einer GmbH haben primär das Recht, sich am Gewinn zu beteiligen. Auf dieses Recht kann nicht verzichtet werden. Im Gesellschaftsvertrag kann aber vereinbart werden, dass ein Gesellschafter, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung am Stammkapital, einen Anspruch auf einen höheren oder einen geringeren Anteil am Gewinn hat. Grundsätzlich ist die Gesellschaft verpflichtet, den Gesellschaftern mindestens die Hälfte des Gewinnes des Geschäftsjahres auszuschütten. Des Weiteren haben Gesellschafter das Recht, Beschlussfassungen der Gesellschaft beizuwohnen, Auskunft über die Gesellschaft zu erhalten und zum Geschäftsführer oder Aufsichtsrat ernannt zu werden.
E. Online-Gründung der GmbH
Die Online-Gründung der GmbH ist seit über 15 Jahren sehr beliebt und verdrängt weitgehend das klassische – aufwendigere – Gründungsverfahren. Zum Vergleich: In Deutschland erfolgte die erste Online-Gründung einer GmbH erst am 1.8.2022. Den Firmennamen kann man bei der Online-Gründung entweder vorab genehmigen lassen oder es wird ein vorgenehmigter Phantasiename aus einer Liste beim Gründungsakt verwendet. Außerdem kann entweder ein bereitgestellter Standard-Gesellschaftsvertrag verwendet oder ein eigener Gesellschaftsvertrag hochgeladen werden. Die Gesellschafter müssen versichern, dass sie das Stammkapital innerhalb von 5 Werktagen bei der Gesellschaft einzahlen, sollte nicht erklärt worden sein, dass die Einzahlung bis zum Ende des Geschäftsjahres erfolgt.
F. Praxisrelevant: Finanzierung der Gesellschaft durch die Gesellschafter
In der portugiesischen Praxis gewähren Gesellschafter der Gesellschaft regelmäßig Gesellschaftsdarlehen (suprimentos). Das Darlehens muss eine langfristige Finanzierung der Gesellschaft bezwecken. Indiz für diese Langfristigkeit ist die Vereinbarung eine Fälligkeitszeitraumes von über einem Jahr. Der Darlehensvertrag unterliegt keiner besonderen Form und es bedarf auch keines Beschlusses der Gesellschaft. Relevant ist außerdem, dass solche Gesellschafterdarlehen in Portugal i. d. R. unentgeltlich, d. h. zinslos, gewährt werden. Zu steuerlichen Problem führte diese Praxis bisher nicht. Aus dem Gesellschaftsrecht geht außerdem ausdrücklich die Möglichkeit der Unentgeltlichkeit hervor. Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Gesellschafter über die Stammeinlagen hinaus die Einforderung von Nachschüssen beschließen können (prestações suplementares). Für Nachschüsse werden keine Zinsen fällig und der Anspruch auf Erstattung von Nachschüssen kann nicht abgetreten werden. Nur unter strengen Voraussetzungen kann die Erstattung von Nachschüssen verlangt werden. Schließlich kann der Gesellschaftsvertrag zusätzliche Verpflichtungen der Gesellschafter vorsehen, z. B. dass ein Gesellschafter für die Gesellschaft die Buchhaltung führt oder sein Fahrzeug unentgeltlich bereitgestellt (prestações acessórias).
G. Organe der GmbH
1. Geschäftsführung
Die GmbH wird durch ihren Geschäftsführer vertreten. Wurde kein Geschäftsführer ernannt, vertreten alle Gesellschafter die Gesellschaft. Die Gesellschafter können entweder einen oder mehrere Geschäftsführer ernennen. Geschäftsführer muss eine (geschäftsfähige) natürliche Person sein. Dabei kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine der Gesellschaft fremden Person handeln. Vor allem im letztgenannten Fall ist der Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführervertrages ratsam.
2. Gesellschafterversammlung
In der Versammlung der Gesellschafter werden Entscheidungen im Namen der Gesellschaft getroffen. Das Gesetz listet die Themenfelder auf, über welche die Gesellschafterversammlung zu entscheiden hat, wie etwa die Änderung des Gesellschaftsvertrages. Das Gesetz sieht vier Arten von Entscheidungen der Gesellschafter bei der GmbH vor: i) ordentliche einberufene Hauptversammlung; ii) einvernehmliche schriftliche Entscheidung, iii) Universalversammlung und iv) Entscheidung per schriftlicher Stimmabgabe. Über alle Entscheidung ist ein ordentliches Protokoll zu führen, das im sog. Protokoll-Buch zu archivieren ist.
3. Aufsichtsrat
Eine GmbH ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu haben. GmbHs, die keinen – fakultativen – Aufsichtsrat haben, der in aller Regel aus einem Wirtschaftsprüfer besteht, sind allerdings verpflichtet, einen Wirtschaftsprüfer zu ernennen, wenn über einen Zeitraum von zwei Jahren zwei der nachstehenden Obergrenzen überschritten wurden:
i) Gesamtsumme der Bilanz: € 1.500.000;
ii) Gesamtsumme der Netto-Verkäufe und sonstiger Vorteile: € 3.000.000 und iii) Durchschnittliche Anzahl an Arbeitnehmern während des Geschäftsjahres: 50.
In ESA 10/2022