Das Gesetzesdekret über das „Dingliche Dauerwohnrecht“ (Direito Real de Habitação Duradoura) ist am 10.1.2020 in Kraft getreten. Es tritt neben den klassischen Vertragstypen, wie Kauf und Miete. Der Experte im Immobilienrecht, Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau, erläutert
Mit dem „Dinglichen Dauerwohnrecht“ (fortan „DD“ genannt) hofft der Gesetzgeber eine attraktive Alternative zum klassischen Wohnungskauf geschaffen zu haben. Über 70 % der portugiesischen Fami-lien besitzen Privateigentum und haben sich dafür hoch verschuldet. Viele Familien geraten in Verzug mit der Erstattung der Darlehensraten. Bei unvorhersehbaren Ereignissen, wie die Finanzkrise 2014 und die aktuelle „Corona-Krise“ mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen, steigt die Anzahl der säumigen Kreditschuldner. Der Kauf auf Kredit wird dadurch verstärkt, dass es in Portugal immer noch so gut wie keinen klassischen Mietmarkt gibt. Letzteres hätte sich nach dem Wunsch der Troika eigentlich nach dem Ende der Finanzkrise 2014 ändern sollen. Für Eigentümer ist es immer noch finanziell vorteilhafter ihre Wohnungen an Touristen zu vermieten, anstatt langfristige Mietverträge abzuschließen. Der Gesetzgeber führt außerdem kulturelle Gründe dafür an, dass sich Portugiesen vornehmlich für den Wohnungskauf auf Kredit entscheiden.
Durch den Kauf eines DD soll die Möglichkeit eröffnet werden, etwas ähnliches wie Wohnungseigentum zu erwerben, ohne dass man sich dafür hoch verschulden muss. Bereits aufgrund seiner Komplexität wird sich das DD nach meiner Einschätzung gegen den klassischen Kauf jedoch nicht durchsetzen, insbesondere nicht bei Jugendlichen und älteren Menschen, die der Gesetzgeber besonders im Fokus hat. Interessant könnte das DD hingegen für große Immobilienunternehmen werden, die ein Geschäftsmodell daraus machen könnten. Nicht verwechselt werden darf das DD mit dem dinglichen Zeitwohnrecht (bekannt unter dem Begriff timesharing), das so gut wie keine Praxisrelevanz mehr hat. Es werden nur noch Altfälle abgewickelt.
1. Was versteht man unter „Dinglichem Dauerwohnrecht“
Das DD gewährt einer oder mehreren natürlichen Personen das Recht, eine fremde Wohnung als Hauptwohnsitz lebenslang (also bis zum Tod) gegen Zahlung einer Geldkaution sowie wiederkehrender Zahlungen (s. dazu unter 4) zu nutzen. Es ähnelt einer Miete, bei der regelmäßig ebenso eine Kaution erbracht und (i.d.R. monatlicher) Mietzins entrichtet wird. Der Erwerber des DD wird als „Bewohner“ (morador) und der Veräußerer als „Eigentümer“ (proprietário) bezeichnet. Anders als bei der Miete wird vom Gesetz die Höhe der Geldkaution vorgegeben (s. dazu unter 4). Die Höhe der monatlichen Zahlungen ist, wie bei der Miete, hingegen frei verhandelbar.
2. Welche Immobilien können mit einem „Dinglichen Dauerwohnrecht“ belastet werden?
Es muss sich um eine Immobilie handeln, die Wohnzwecken dient, die unbelastet ist (insbesondere darf keine Hypothek auf ihr ruhen) und die mindestens einen „mittleren Erhaltungszustand“ aufweist. Dieser Erhaltungszustand ist durch ein Gutachten eines Architekten oder Ingenieurs nachzuweisen, der dafür ein vorgegebenes Formblatt verwenden muss. Bei dem Bewohner muss es sich um eine natürliche Person handeln, wie bereits ausgeführt.
3. Wie wird das „Dingliche Dauerwohnrecht“ begründet?
Das DD entsteht durch einen Vertrag, der u. a. die Höhe der Kaution, Angaben zu den wiederkehrenden Zahlungen und eine Erklärung des Bewohners, dass er den vom Gutachter ermittelten Erhaltungszustand anerkennt, beinhalten muss. Dem Vertrag ist das Gutachten als Anlage beizufügen. Die Unterschriften der Vertragsparteien müssen (notariell oder anwaltlich) beglaubigt werden. Eine Beurkundung ist demnach nicht zwingend vorgeschrieben. Mit dem Vertragsabschluss sind die Kaution und die erste laufende Zahlung zu leisten. Die Urkundsperson hat festzustellen, ob die Höhe der Kaution den gesetzlichen Vorgaben entspricht (s. dazu unter 4.). Das DD muss vom Bewohner innerhalb von 30 Tagen nach Vertragsabschluss im Grundbuch registriert werden. Wie bei einem klassischen Kauf ist die Grundbuchregistrierung aber nicht Voraussetzung für die Entstehung des DD.
4. Welche Zahlungen hat der Bewohner vorzunehmen und was hat er Gegenleistung zu zahlen?
Der Bewohner hat eine einmalige Geldkaution – welche ihm teilweise oder voll erstattet wird, sollte er während der ersten 30 Jahre auf sein DD verzichten – sowie eine fortlaufende Zahlung zu leisten. Die Kaution wird vom Gesetz der Höhe nach vorgegeben: Sie muss zwischen 10 % und 20 % des vom nationalen Statistikamt festgestellten Durchschnittswertes des Verkaufspreises von Familienheimen unter Berücksichtigung deren Größe und Belegenheit betragen. Als Gegenleistung für das DD zahlt der Bewohner dem Eigentümer ab Vertragsabschluss einen monatlichen – frei zu vereinbarenden – Betrag sowie ab dem 11. Jahr bis Ende des 30. Jahres der Vertragslaufzeit einen jährlichen Betrag in Höhe von 5 % der anfänglichen Kautionssumme. Diese 5 % im Jahr werden von der Kautionssumme in Abzug gebracht. Läuft der Vertrag demnach über 30 Jahre muss der Eigentümer dem Bewohner im Falle der Vertragsbeendigung somit keine Kaution mehr erstatten (20 Jahre X 5 % = 100 %).
5. Welche Pflichten hat der Eigentümer der Wohnung?
Der Eigentümer hat folgende Pflichten: i) Den Bewohner die Wohnung in einem (mindestens) mittleren Erhaltungszustand zu übergeben; ii) bei Wohnungseigentum die laufenden (anteiligen) Kosten mit der Pflege der Gemeinschaftsflächen zu zahlen; iii) Versicherungsverträge, die gesetzlich vorgeschrieben sind, abzuschließen; iv) außergewöhnliche Renovierungsarbeiten am Wohnobjekt vorzunehmen und v) die Kautionssumme zu verwalten und diese dem Bewohner im Falle der Vertragsbeendigung (anteilig) zu erstatten (s. dazu unter 8).
6. Welche Pflichten hat der Bewohner?
Der Bewohner hat folgende Pflichten: i) die Wohnung ausschließlich als seinen Hauptwohnsitz zu nutzen; ii) die laufende Grundsteuer zu zahlen; iii) je nach Konstellation die Begutachtung des Erhaltungszustandes der Wohnung zu gestatten oder in Auftrag zu geben; iv) gewöhnliche Renovierungsarbeiten auf eigene Kosten vorzunehmen und v) dem Eigentümer die Vornahme von Arbeiten zu gestatten, die dieser vorzunehmen hat (s. unter 5.) sowie ihn über Mängel unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Der Bewohner alle 8 Jahre ein Gutachten über den Grad des Erhaltungszustandes der Wohnung in Auftrag geben und dem Eigentümer vom Ergebnis in Kenntnis zu setzen. Geht aus dem Gutachten hervor, dass der Erhaltungszustand schlechter als „Mittel“ ist, weil der Bewohner gewöhnliche Renovierungsarbeiten nicht vorgenommen hat, ist dieser verpflichtet, die notwendigen Arbeiten innerhalb von 6 Monaten vorzunehmen und deren Durchführung durch ein neues Gutachten nachzuweisen.
7. Darf der Bewohner sein Dingliches Dauerwohnrecht belasten?
Der Bewohner darf sein DD nur mit einer Hypothek für die Sicherung eines Darlehens belasten, das er für die Zahlung der Kaution aufgenommen hat.
8. Können der Eigentümer und der Bewohner den Vertrag auflösen?
Der Eigentümer kann das DD grundsätzlich nur auflösen, wenn der Bewohner gegen eine vertragliche Pflicht verstößt, insbesondere die laufenden monatlichen Zahlungen nicht rechtzeitig vornimmt. Der Eigentümer muss den Bewohner im Falle des Verzuges zur Zahlung unter Gewährung einer Frist von mindestens 60 Tagen auffordern, bevor er vom Vertrag zurücktreten kann. Überschreitet die Vertragslaufzeit 10 Jahre, verlängert sich die genannte Frist um jeweils 2 Tage ab dem 10. Jahr der Laufzeit. Der Bewohner kann sich hingegen jederzeit unter Einhaltung einer Frist von 90 Tagen vom Vertrag lösen. Der Eigentümer ist dann verpflichtet, dem Bewohner die Kaution (vollständig oder – sollten bereits über 10 Jahre vergangen sein, s. oben unter 4 – anteilig) zu erstatten. Das Gesetz sieht unterschiedliche Erstattungsfristen vor.
Text: DR. ALEXANDER RATHENAU in ESA 06/2020