Wer in Portugal eine schwere und sehr schwere Verkehrsordnungswidrigkeit begeht, wird nicht nur verpflichtet, ein Bußgeld zu zahlen. Vielmehr muss auch die Fahrerlaubnis für eine bestimmte Dauer abgegeben werden. Rechtsanwalt und advogado Dr. Alexander Rathenau beantwortet die häufigsten Fragen zum Fahrverbot.
Durch das Fahrverbot sollen verkehrsauffällige Kraftfahrer dazu bewegt werden, über ihr verkehrsordnungswidriges Verhalten nachzudenken. Ein Fahrverbot ist sehr unangenehm. Die berufliche Existenz kann vom Besitz eines Führerscheins abhängen. Viele Kraftfahrer sind überrascht, wenn sie in Portugal „doppelt“ mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot „bestraft“ werden. Dies wird oft als überzogen empfunden.
1. Was ist der Unterschied zwischen Fahrverbot und Fahrerlaubnisentzug?
Das Fahrverbot (inibição de conduzir) ist eine zeitlich begrenzte Maßnahme. Es untersagt das Führen von Fahrzeugen für die Dauer von einem Monat bis zu zwei Jahren. Danach wird der Führerschein wieder ausgehändigt. Der Fahrerlaubnisentzug (umgangssprachlich auch Führerscheinentzug; auf portugiesisch: cassação do título de condução) stellt dagegen eine zeitlich unbegrenzte Anordnung dar. Die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen wird vollständig entzogen. Ursache dafür sind begründete Zweifel an der Fahreignung eines Kraftfahrers, welche dieser durch sein Verhalten genährt hat. In der Regel wurde vor dem Fahrerlaubnisentzug eine Straftat begangen (z. B. Alkohol am Steuer mit hohem Promillewert) oder die 12 Punkte im portugiesischen Punktesystem wurden aufgebraucht (s. dazu https://anwalt-portugal.de/2020/08/01/das-fahrverbot-in-portugal-fragen-und-antworten/ „Das Punktesystem bei Verkehrsverstößen“).
2. Wann wird ein Fahrverbot verhängt?
Ein Fahrverbot wird immer dann verhängt, wenn eine schwere oder sehr schwere Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr verübt wurde. Das kann schneller passieren, als man denkt! Als schwer werden in Portugal u.a. bereits folgende Ordnungswidrigkeiten eingestuft: i) die Überschreitung der zugelassenen Geschwindigkeit um mehr als 30 km/h außerhalb von Ortschaften oder um mehr als 20 km/h innerhalb von Ortschaften, ii) Handy am Steuer, iii) die Missachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen zwischen Fahrzeugen und die Missachtung der Vorfahrts- und der Überholungsregelungen, iv) die Missachtung von Fußgängern auf Zebrastreifen; v) das Fahren unter Alkoholeinfluss (bereits ab 0,5 g/L) und vi) die Beförderung von Kindern ohne die Verwendung vorgeschriebener Kindersitze. Beispiele von sehr schweren Ordnungswidrigkeiten sind die Missachtung von Halteschildern an Kreuzungen und der Regeln über das Fern- und Abblendlicht.
3. Über welchen Zeitraum wird das Fahrverbot angeordnet?
Wurde eine schwere Ordnungswidrigkeit begangen, beträgt der Zeitraum des Fahrverbots zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Liegt eine sehr schwere Ordnungswidrigkeit vor, beträgt der Zeitraum 2 Monate bis 2 Jahre. Das Amt legt den Zeitraum per Verwaltungsakt fest.
4. Innerhalb welcher Frist muss die Fahrerlaubnis abgegeben werden?
Die Fahrerlaubnis ist innerhalb einer Frist von 15 Werktagen nach dem Ablauf der Frist für die Anfechtung des Behördenbescheids abzugeben. Da diese Anfechtungsfrist ebenso 15 Werktage beträgt, ist die Fahrerlaubnis zwischen dem 16. und 30. Werktag nach der Zustellung des Bescheids abzugeben. Darauf zu achten ist, dass das Amt verpflichtet ist, zunächst den Betroffenen schriftlich anzuhören. Der „definitive“ Bescheid ergeht erst in einem zweiten Schritt. Erst nach Zustellung des letztgenannten Bescheids fangen die genannten Fristen an zu laufen.
5. Wo ist die Fahrerlaubnis abzugeben?
Die Fahrerlaubnis ist bei den Straßenverkehrsabteilungen der Polícia de Segurança Pública oder der Guarda Nacional Republicana des Wohnsitzes des Kraftfahrers abzugeben und dort nach Ablauf der Frist auch wieder abzuholen.
6. Wie verhält es sich mit der Abgabe der Fahrerlaubnis, wenn man im Ausland lebt?
Darauf hinzuweisen ist, dass das Fahrverbot nur für das portugiesische Territorium gilt und es innerhalb von 2 Jahren vollstreckt werden kann. Diese Zwei-Jahres-Frist beginnt mit der Zustellung des Bescheids, der das Verbot anordnet. Lebt man im Ausland, kann die Abgabe per Einschreiben mit Rückschein an das Nationale Straßensicherheitsamt erfolgen: Autoridade Nacional de Segurança Rodoviária, Parque de Ciências e Tecnologia de Oeiras, Avenida de Casal de Cabanas, Urbanização de Cabanas Golf, nº1, Taguspark, 2734-507 Barcarena.
7. Welche Folgen hat es, wenn man die Fahrerlaubnis nicht abgibt?
Wenn die Fahrerlaubnis nicht fristgerecht abgegeben wird, wird der Straftatbestand der Nichtbefolgung behördlicher Anweisung verwirklicht. Der Strafrahmen gereicht von einer Geldstrafe von bis zu 120 Tagessätzen bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Wer trotz Fahrverbot ein Kraftfahrzeug (in Portugal, s. o. unter 6) fährt, wird wegen Nichtbefolgung behördlicher Anweisung in qualifizierter Form bestraft. Hier ist der Strafrahmen doppelt so groß.
8. Kann von dem Fahrverbot abgesehen werden, da man bereits die Geldbuße entrichtet hat?
Von dem Fahrverbot kann die Behörde nicht absehen. Das Gesetz sieht aber die Möglichkeit der Aussetzung der Vollstreckung des Fahrverbots im Falle der Begehung einer schweren Ordnungswidrigkeit sowie einer „besonderen Abmilderung“ im Falle der Begehung einer sehr schweren Ordnungswidrigkeit vor.
9. Unter welchen Voraussetzungen kann die Vollstreckung des Fahrverbots ausgesetzt werden?
Die Vollstreckung des Fahrverbots kann über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr ausgesetzt werden, wenn i) nur eine schwere Ordnungswidrigkeit begangen wurde; ii) die Geldbuße entrichtet wurde; iii) während der letzten fünf Jahre keine schwere oder sehr schwere Ordnungswidrigkeit und auch keine Straftat im Straßenverkehr begangen wurde und iv) konkrete Umstände vorliegen, welche die Aussetzung rechtfertigen. Sollte der Kraftfahrer während der letzten fünf Jahren nur eine schwere Ordnungswidrigkeit verübt haben, kann die Vollstreckung des Fahrverbots über einen Zeitraum von einem bis zu zwei Jahre ausgesetzt werden. Allerdings muss der Kraftfahrer in diesem Falle eine Geldkaution zwischen € 500 und € 5.000 leisten und an Fahrausbildungen teilnehmen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Fahrverbots muss innerhalb der Frist von 15 Werktagen, der allgemein für die Anfechtung des Bescheids gewährt wird (vgl. Antworten zu den Fragen 4 und 11), gestellt werden.
10. Was bedeutet, dass die Vollstreckung des Fahrverbots ausgesetzt wird?
Im Falle der Aussetzung der Vollstreckung des Fahrverbots muss die Fahrerlaubnis nicht abgegeben werden. Verübt der Kraftfahrer aber während der Dauer der Aussetzung eine schwere oder sehr schwere Ordnungswidrigkeit oder verwirklicht er einen sonstigen Tatbestand, der ein Fahrverbot oder gar den Entzug der Fahrerlaubnis vorsieht, wird die Aussetzung widerrufen. Im Falle des Widerrufs muss der Kraftfahrer dem anfänglich angeordneten Fahrverbot Folge leisten und auch die Sanktion(en) infolge der Begehung der neuen Tat über sich ergehen lassen.
11. Wie kann man den Bescheid über die Anordnung des Fahrverbots anfechten?
Der Bescheid über die Anordnung des Fahrverbots kann innerhalb von 15 Werktagen ab dem Tag dessen Zustellung angefochten werden. Die Anfechtung ist schriftlich an den Vorsitzenden des Nationalen Straßensicherheitsamts (s. Adresse unter 6) in portugiesischer Sprache zu richten und hat mindestens zu enthalten: i) Aktenzeichen des Bescheids; ii) Identifikation des Beschuldigten; iii) Schilderung des Sachverhalts mitsamt Begründung der Anfechtung; iv) Unterschrift. Der Beschuldigte kann sich eines Rechtsanwalts bedienen, muss es aber nicht. Es können bis zu drei Zeugen sowie weitere Beweise angeführt werden; dabei sind die Tatsachen anzugeben, über die der jeweilige Beweis erhoben werden soll. Die Anfechtungsschrift kann entweder direkt per Post (Einschreiben mit Rückschein) an das Nationale Straßensicherheitsamt gesendet oder bei den Straßenverkehrsabteilungen der PSP oder GNR am Wohnsitz des Beschuldigten abgegeben werden.
12. Kann gegen (negative) Entscheidung der Behörde über die Anfechtung vorgegangen werden?
Gegen die (negative) Entscheidung der Behörde über die Anfechtung kann man vor Gericht ziehen. Auch hier besteht kein Anwaltszwang; die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist aber zu empfehlen. Neben der ausführlichen Begründung der Anfechtung sollte der Schriftsatz auch eine Zusammenfassung enthalten. Die gerichtliche Anfechtungsfrist beträgt ebenso 15 Werktage ab dem Tag der Zustellung der behördlichen Entscheidung. Die Anfechtungsschrift ist an den Richter des Amtsgerichts zu richten. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht des Ortes, an dem die Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Obwohl diese Anfechtungsschrift an den Richter zu richten ist, muss sie entweder direkt per Post (Einschreiben mit Rückschein) an das Nationale Straßensicherheitsamt gesendet oder bei den Straßenverkehrsabteilungen der PSP oder GNR am Wohnsitz des Beschuldigten abgegeben werden.
Text: DR. ALEXANDER RATHENAU in ESA 08/2020