Leseranfrage:
Ich bin Vater eines 13-jährigen Sohnes und wir haben bis Ende des vergangenen Jahres zusammen mit der Mutter in Portugal gelebt. Ich bin mit der Mutter meines Sohnes nicht verheiratet. Anfang diesen Jahres ist die Mutter mit meinem Sohn nach Deutschland gezogen, wo mein Sohn nun die Schule besucht. Ich bin in Portugal berufstätig und erziele ein monatliches Nettoeinkommen von ca. € 3.800. Die Mutter bezieht in Deutschland das Kindergeld und ich habe meinen Sohn seit seinem Wegzug aus Portugal finanziell je nach Bedarf unterstützt, monatlich mit ca. € 300. Nun lässt mich die Mutter mit anwaltlichem Schreiben auffordern, gemäß der Düsseldorfer Tabelle monatlich € 609,50 Kindesunterhalt an meinen Sohn zu zahlen. Ist das gerechtfertigt?
Antwort:
Gemäß Artikel 15 der Europäischen Unterhaltsverordnung bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht nach dem Haager Unterhaltsprotokoll vom 23.11.2007 (HPU). Nach Artikel 3 Absatz 1 HPU ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; im Falle Ihres Sohnes ist daher deutsches Unterhaltsrecht anzuwenden. Der Unterhaltsanspruch ergibt sich aus § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. In den folgenden Paragrafen wird die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten sowie die Höhe des Unterhalts geregelt.
Ein Kind hat bis zum Abschluss seiner Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung, sondern leitet diese von seinen Eltern ab. Maßgebend sind daher die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern. Das Kind hat grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch für seinen gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Ausbildung, Erziehung, Betreuung und Pflege. Der Unterhalt zur Deckung des Lebensbedarfs des Kindes wird als Barunterhalt oder als Naturalunterhalt erbracht. Der Naturalunterhalt umfasst Pflege, Erziehung, freie Kost und Unterbringung, sowie Kleidung, Krankenvorsorge und Taschengeld und wird i. d. R.
von dem Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, geleistet. Der Barunterhalt erfolgt durch Zahlung einer Geldsumme durch den Elternteil, bei dem sich das Kind nicht ständig aufhält. Bei Getrenntleben der Eltern richtet sich wegen der gesetzlich postulierten Gleichwertigkeit von Bar- und Naturalunterhalt die Höhe des Barunterhalts allein nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.
In Deutschland werden die Unterhaltssätze zum Kindesunterhalt anhand der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Diese hat keine Gesetzeskraft, ist jedoch eine bundesweit anerkannte Richtlinie zum Unterhaltsbedarf. Sie dient als Leitlinie für die Familiengerichte und soll die Rechtsprechung der Familiengerichte in Bezug auf den Kindesunterhalt einheitlich und damit gerechter gestalten. Die Leitlinien vereinheitlichen die Rechtsprechung zum Unterhalt und enthalten neben der Tabelle auch ergänzende Anmerkungen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf aktualisiert die Unterhaltssätze regelmäßig in Abstimmung mit den anderen Oberlandesgerichten und dem Deutschen Familiengerichtstag zum Ende des Jahres für das Folgejahr. Die Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2021 ist unten abgebildet. Die Tabelle kennt drei Altersgruppen für minderjährige Kinder sowie eine Bedarfsgruppe für Volljährige und insgesamt zehn Einkommensstufen für die Barunterhaltspflichtigen. Die Tabelle geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Sind mehr Unterhaltsberechtigte vorhanden, so wird pro zusätzlichem Berechtigten die nächstniedrigere Einkommensstufe angesetzt; sind weniger Unterhaltsberechtigte vorhanden, kann die nächsthöhere Einkommensstufe angesetzt werden.
Berufsbedingte Aufwendungen und berücksichtigungsfähige Schuldentilgungen sind vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen. Danach berechnet sich der von Ihnen zu zahlende Kindesunterhalt wie folgt. Mit einem Nettoeinkommen von ca. € 3.800, befinden Sie sich in der 6. Einkommensstufe und bleiben dort, solange Sie durch den Abzug von berufsbedingten Aufwendungen und berücksichtigungsfähigen Schulden nicht unter € 3.301 gelangen. Da nur ein Unterhaltsberechtigter vorhanden ist, können Sie in die nächsthöhere Einkommensstufe hochgestuft werden, sodass Sie mit Ihrem 13-jährigen Sohn (3. Altersstufe – 12 bis 17 Jahre) in die 7. Einkommensstufe mit einem Unterhaltsbetrag von € 719 gelangen. Hiervon kann das hälftige Kindergeld in Höhe von € 109,50 in Abzug gebracht werden, sodass sich ein monatlicher Zahlbetrag von € 609,50 ergibt.
In Portugal gibt es nichts Vergleichbares mit der deutschen Düsseldorfer Tabelle. Bei der Festsetzung von Kindesunterhalt hat der Familienrichter in Portugal ein weites Ermessen. Die Unterhaltssätze der portugiesischen Gerichte fallen in der Regel erheblich niedriger als die der deutschen Gerichte aus.
Erschienen in ESA 03/2021