Leseranfrage:
Ich bin in zweiter Ehe verheiratet und habe eine Tochter aus erster Ehe. Meine Ehefrau hat einen Sohn aus erster Ehe; gemeinsame Kinder haben wir nicht. Wir sind im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Da ich erheblich älter als meine Ehefrau bin, möchte ich meine Vermögensnachfolge regeln und sicherstellen, dass der wesentliche Teil meines Vermögens in der eigenen Familie bleibt.
Antwort:
Die gesetzliche Erbfolge, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, führt bei Patchwork-Familien oft nicht zu dem vom Erblasser gewünschten Ergebnis. Dies zeigt folgendes Beispiel.
Falls Sie zuerst versterben sollten, erben Ihre Ehefrau und Ihre Tochter Ihren Nachlass je zur Hälfte. Verstirbt Ihre überlebende Ehefrau, so erbt deren Sohn den gesamten Nachlass der Mutter und über diesen indirekt auch Ihren halben Nachlass. Ihre Tochter erbt nach dem Tode ihrer Stiefmutter nichts.
Da Stiefeltern und Stiefkinder im Verhältnis zueinander nach der gesetzlichen Erbfolge des Bürgerlichen Gesetzbuches weder erbberechtigt noch pflichtteilsberechtigt sind, werden die Kinder des längerlebenden Ehegatten unangemessen bevorzugt, wie die vorbeschriebene Fall-konstellation zeigt.
Die beiderseitigen Vermögen der Eltern verteilen sich im Falle des Eintretens des gesetzlichen Erbrechts völlig unterschiedlich, je nachdem, welcher Stiefelternteil als erster oder Überlebender verstirbt, denn beim Tod eines Elternteils erben nur dessen leibliche oder adoptierte Kinder. Es ist daher empfehlenswert, testamentarisch festzulegen, welche Familienmitglieder welchen Anteil vom Nachlassvermögen erhalten sollen.
Allgemeine Patentlösungen für die erbrechtlichen Probleme in Patchwork-Familien gibt es nicht. Es müssen Testamentsgestaltungen gefunden werden, die den jeweiligen Sach-verhalt erbrechtlich optimal regeln, da die Verhältnisse in jeder Patchwork-Familie anders liegen. Einfache gemeinschaftliche Ehegattentestamente ohne besondere Regelungen sind für Patchwork-Familien ungeeignet. Haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, sind die Kinder des Erstversterbenden gezwungen, ihren Pflichtteil geltend zu machen, da sie nach dem Versterben des längerlebenden Stiefelternteils keinen Erb- oder Pflichtteilsanspruch haben.
In Ihrem Fall würde das bei Ihrem Versterben bedeuten, dass Ihre Ehefrau testamen-ta-rische Alleinerbin würde und Ihre Tochter lediglich einen Pflichtteilsanspruch in Höhe eines Viertels des Nachlasswertes geltend machen könnte. Zwar könnten die Kinder des Erstverstorbenen in einem gemeinschaftlichen Testament auch als Schlusserben nach dem Versterben des Längerlebenden eingesetzt werden, was diese jedoch nicht davor schützt, dass der Längerlebende das gesamte Vermögen verbraucht und für die Schlusserben nichts mehr übrigbleibt.
Sind Stiefkinder vorhanden, so ist häufig gewünscht, dass der überlebende Partner erbrechtlich finanziell abgesichert wird, die eigentliche Vermögenssubstanz jedoch letztlich den eigenen Kindern zukommen soll. Hierfür bietet das Erbrecht verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in der Nachlassplanung.
Einfach liegt der Fall, wenn nur die eigenen Kinder bedacht werden sollen, etwa weil der überlebende Ehegatte selbst vermögend ist. In diesem Fall wird lediglich ein Testament zugunsten der eigenen Kinder errichtet. Der überlebende Ehegatte hat in diesem Fall einen Pflichtteilsanspruch.
Soll der Ehegatte oder unverheiratete Lebenspartner jedoch versorgt sein, kann er entweder als Erbe neben den eigenen Kindern eingesetzt oder ihm kann lediglich ein Vermächtnis zugewandt werden.
Wird dem überlebenden Partner an bestimmten Nachlassgegenständen oder am gesamten Nachlass ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zugewandt, dann werden die eigenen leiblichen Kinder Erben und damit Eigentümer der bestimmten Nachlassgegenstände oder des gesamten des Nachlasses, während der überlebende Partner ein lebenslanges Nutzungsrecht hat, das aber mit seinem Tode erlischt. Der Nachlass kann so nicht in die Hände der Stiefkinder fallen.
Der überlebende Partner kann, während die eigenen Kinder Erben sind, über Vermächtnisse verschiedensten Inhalts geschützt und versorgt werden. Außer Nießbrauchsrechten kann ihm per Vermächtnis ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an dem Haus oder der Eigentumswohnung des Erblassers zugewendet werden. Er kann auch über ein Geld- oder Rentenvermächtnis versorgt werden, es können ihm auch Gegenstände, wie Schmuck, Kunstgegenstände oder Hausrat vermächtnisweise zugewandt werden.
Ein weiteres verbreitetes erbrechtliches Gestaltungsmittel bei Patchwork-Familien ist die Vor- und Nacherbschaft. Der Erblasser setzt eine Person als Vorerben ein, der die Erbschaft für einen bestimmten Zeitraum nutzen kann. Der Nacherbe wird erst dann Erbe des Erblassers, wenn die Vorerbschaft endet.
Mit der Vor- und Nacherbschaft kann einerseits die wirtschaftliche Versorgung des Partners und andererseits die Weitergabe der Vermögenssubstanz an die eigenen Kinder gesichert werden.
Der Erblasser kann sein eigenes Kind als Nacherben in der Weise einsetzen, dass dieses erst dann Erbe wird, wenn die Vorerbschaft des Partners beendet ist. Vor- und Nacherbe sind zeitlich nacheinander Rechtsnachfolger des Erblassers. Bei der Nacherbfolge ist zwischen dem Erbfall und dem Nacherbfall zu unterscheiden. Der Erbfall tritt mit dem Tod des Erblassers ein. Zu diesem Zeitpunkt erwirbt der Vorerbe die Erbschaft. Der Nacherbfall tritt mit dem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis ein, beispielsweise mit der Wiederverheiratung des Vorerben. Bei Fehlen einer solchen Bestimmung tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.
Erschienen in ESA 12/2021