Leseranfrage:
Wir sind Eigentümer eines mit einer Villa bebauten Mischgrundstücks mit einer Gesamtfläche von ca. 3.000 m2 in der Ostalgarve. Wir haben die Immobilie im Jahre 1996 erworben und beabsichtigen nun deren Verkauf.
Sämtliche Unterlagen für den Verkauf der Immobilie haben wir einem Immobilienmakler übergeben, der auch bereits einen Kaufinteressenten präsentiert hat. Nun teilte uns der Rechtsanwalt des Kaufinteressenten jedoch mit, dass die Grundstücksdokumente nicht in Ordnung seien und sein Mandant unter diesen Umständen nicht bereit sei, die Immobilie zu kaufen: Die tatsächliche Grundfläche des Hauses sei größer als in den Unterlagen angegeben und zudem sei der Pool nicht genehmigt; die Gesamtfläche des Grundstücks erscheine erheblich kleiner als angegeben.
Hierzu ist zu sagen, dass wir das Haus durch einen Anbau erweitert haben. Der Pool war schon vorhanden als wir die Immobilie gekauft haben; allerdings hat meine Nachprüfung nun ergeben, dass der Pool in den seinerzeitigen Kaufunterlagen nicht ausdrücklich erwähnt ist. Weiterhin ist möglich, dass die Gesamtfläche unseres Grundstücks durch die Verbreiterung einer öffentlichen Straße, die an einer Seite unseres Grundstücks entlangführt, verkleinert worden ist. Diese Straße wurde jedoch bereits vor dem Kauf der Immobilie durch uns verbreitert.
Außer der Erweiterung des Hauses mit einem Gäste- und Badezimmer, das vor 20 Jahren angebaut wurde, haben wir die Immobilie in dem Zustand gekauft, in dem sie sich heute befindet. Genießen wir insoweit keinen Vertrauens- oder Bestandsschutz?
Antwort:
Um es gleich an dieser Stelle vorwegzuneh-men: Einen Vertrauens- oder Bestandsschutz genießen Sie bezüglich der in Ihrem Fall angesprochenen Fragen nicht.
Der Bestandsschutz dient der Rechtssicherheit und soll verhindern, dass neue oder geänderte Gesetze in die Rechte des Bürgers eingreifen und diese Rechte einschränken oder gar beseitigen.
Im Baurecht versteht man darunter den Anspruch des Eigentümers eines bebauten Grundstücks darauf, dass ihm die einmal zulässig verwirklichte Nutzung des Grundstücks für die Zukunft erhalten bleibt. Eine baurechtlich genehmigte und errichtete bauliche Anlage genießt aufgrund der Genehmigung einen zeitlich unbegrenzten Bestandsschutz. In Ihrem Fall ist jedoch weder der Anbau noch der Pool baurechtlich genehmigt worden.
Beim Vertrauensschutz handelt es sich um einen Rechtsgrundsatz, wonach ein vom Bürger der Rechtsordnung entgegengebrachtes Vertrauen von diesem zu schützen ist.
Im Baurecht äußert sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes darin, dass der Bürger sich bei seinen Dispositionen auf die bestehende Rechtslage verlassen darf und bei Gesetzesänderungen keine für den Bürger nachteiligen Rückwirkungen in Kraft treten dürfen.
Im Zivilrecht schützt der Grundsatz des Vertrauensschutzes beispielsweise das Vertrauen des Erwerbers, dass der Besitzer einer Sache auch zur Übereignung berechtigt ist, nicht hingegen, dass der Kaufgegenstand, vorliegend die Immobilie, baurechtlich genehmigt ist.
Beim Immobilienkauf in Portugal muss der Käufer überprüfen und sicherstellen, dass die Flächen der Gebäude und die Fläche des gesamten Grundstücks den Angaben in den Grundstücksunterlagen sowie sämtliche baulichen Anlagen dem Baurecht entsprechen.
Daher haben Sie nun das Problem, dass Sie vor Durchführung des Verkaufs alle Unstimmigkeiten, auch die vom Voreigentümer übernommenen, berichtigen müssen: Der Anbau des Hauses, den Sie ohne Baugenehmigung errichtet haben sowie der Pool, den Sie ohne Baugenehmigung übernommen haben, müssen nachträglich von der zuständigen Baubehörde genehmigt werden. Hiermit muss ein Architekt oder ein zugelassener Ingenieur beauftragt werden, der jeweils eine entsprechende Baugenehmigung beantragt und das gesamte Baugenehmigungsverfahren nachholt. Am Ende dieses Verfahrens erteilt die Baubehörde nach der Abnahme der bau-lichen Anlagen eine Bewohnbarkeits- oder Nutzungsgenehmigung.
Nach Erteilung einer solchen Genehmigung durch die Baubehörde muss eine Steuer-erklärung zum Zwecke der Neufestsetzung des Einheitswertes der Immobilie abgegeben werden, die sogenannte IMI-Modelo-1 Erklärung. In diesem Verfahren stellt das Finanzamt die Flächen des Gebäudes sowie die Ausstattung der Immobilie (hier mit Pool) entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten fest und nimmt eine Neufestsetzung des Einheitswertes vor.
Erst nachdem dies erfolgt ist, können die Flächenangaben in dem vom Finanzamt geführten Grundstücksdokument der baulichen Anlagen, der caderneta predial urbana, sowie im Grundbuch berichtigt werden.
Da es sich bei Ihrem Grundstück um ein Mischgrundstück handelt ist die Gesamtfläche Ihres Grundstücks in dem vom Finanzamt geführten Grundstücksdokument für unbebaute ländliche Grundstücke, der caderneta predial rústica, angegeben. Um die Gesamtfläche des Grundstücks zu berichtigen, muss ein entsprechender Antrag beim Katasteramt gestellt werden. Mit diesem Antrag muss in der Regel ein topographischer Grundstücksvermessungsplan sowie in Ihrem Fall eine Bescheinigung der Câmara Municipal, dass ein Teil des Grundstücks für die Straßenerweiterung benötigt wurde, eingereicht werden. Erst wenn der Feststellungsbescheid über die zutreffende Grundstücksfläche vorliegt, was ein bis zwei Jahre dauern kann, ist die Berichtigung der caderneta predial rústica sowie des Grundbuchs möglich.
Erst zu diesem Zeitpunkt liegen die wichtigsten berichtigten Dokumente für den Immobilienverkauf vor: die neue Bewohnbarkeits- und Nutzungsgenehmigung, der berichtigte Grundbuchauszug sowie die beiden berichtigten cadernetas prediais.
Erschienen in ESA 06/2021