Leseranfrage:
Ich beabsichtige ein circa zwei Hektar großes, in der Westalgarve gelegenes und mit einem alten renovierten Bauernhaus bebautes Grundstück zu erwerben. Den Kaufvorvertrag habe ich bereits im Januar dieses Jahrs abgeschlossen. Als wir nun den Notartermin zur Beurkundung des Kaufvertrages vorbereiten wollten, ergab sich jedoch ein Problem: Das Bauernhaus wurde zwar vor 1951 gebaut, jedoch haben die Eigentümer das Haus vor einigen Jahren vollständig renoviert und mit einem weiteren Wohnraum und einem Badezimmer erweitert.
Nachdem die Verkäufer bei der zuständigen Baubehörde die für den Verkauf und für den Notartermin erforderliche Bescheinigung, dass das Haus vor 1951 gebaut worden ist, beantragt haben und die Baubehörde eine Besichtigung des Gebäudes durchgeführt hat, erhielten sie den Bescheid, dass die beantragte Bescheinigung nicht ausgestellt werden könne, da nach 1951 bauliche Erweiterungen und Änderungen an dem Haus vorgenommen worden seien, für welche die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens erforderlich gewesen sei.
Die Beauftragung eines Architekten mit der nachträglichen Genehmigung dieser baulichen Veränderungen an dem Gebäude hat ergeben, dass diese nicht genehmigungsfähig sind, weil durch die Erweiterung des Hauses die nach dem Bebauungsplan zulässige überbaute Grundfläche überschritten sei.
Die Verkäufer, eine aus fünf Personen bestehende Erbengemeinschaft, haben mir nun den Vorschlag unterbreitet, nicht die Immobilie, sondern die Erbschaft der Erbengemeinschaft, die lediglich aus der Immobilie bestehe, zu erwerben. Hierfür werde keine Bescheinigung der Baubehörde benötigt. Ist dies richtig?
Antwort:
Das erste Baugesetz mit Bestimmungen für die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens trat in Portugal am 7.8.1951 in Kraft. Für bauliche Anlagen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes errichtet wurden, ist die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens erforderlich, an dessen Ende nach Besichtigung und Abnahme des Gebäudes durch die zuständige gemeindliche Baubehörde eine Nutzungserlaubnis (Alvará de autorização de utilização) erteilt wird. Mit dieser Bescheinigung wird die Nutzung des Bauwerks genehmigt und bestätigt, dass es der erteilten Baugenehmigung und den Bauvorschriften entspricht.
Eine Immobilie ohne gültige Nutzungserlaubnis darf weder verkauft noch vermietet werden.Für bauliche Anlagen, die vor Inkrafttreten des Baugesetzes vom 7.8.1951 errichtet worden sind, für die also noch kein Baugenehmigungsverfahren erforderlich war, stellt die Gemeinde eine entsprechende Bescheinigung mit dem Inhalt aus, dass das Bauwerk vor Inkrafttreten des Baugesetzes vom 7.8.1951 errichtet worden und deshalb keine Nutzungserlaubnis erforderlich ist.
Bei dem Verkauf einer bebauten Immobilie muss daher entweder eine solche Bescheinigung oder eine Nutzungserlaubnis der zuständigen Baubehörde vorgelegt werden; ansonsten kommt kein wirksamer Kaufvertrag zustande.
Werden ältere Gebäude, die schon vor dem 7.8.1951 bestanden, renoviert und umgebaut und stellt der Eigentümer bei der Gemeindeverwaltung einen Antrag auf Erteilung der Bescheinigung, dass das Gebäude vor Inkrafttreten des Baugesetzes vom 7.8.1951 errichtet worden ist, so überprüft die Behörde, ob für die durchgeführten Umbauten nach den geltenden Bauvorschriften ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung erforderlich gewesen wäre. Ist dies der Fall, so wird die beantragte Bescheinigung nicht erteilt und der Eigentümer wird darauf verwiesen, das Bauwerk zu legalisieren, d. h. das Baugenehmigungsverfahren für die nachträglichen Baumaßnahmen gemäß den bestehenden Gesetzen nachzuholen.
Nun hat sich im vorliegenden Fall ergeben, dass weder eine Nutzungserlaubnis noch die Bescheinigung, dass das Gebäude vor dem 7.8.1951 errichtet wurde, vorliegt, sodass die Immobilie daher weder verkauft noch vermietet werden kann.
Besteht wie vorliegend ein Nachlass lediglich aus einer Immobilie, so kommt ein Erbschaftskauf, wie von den Verkäufern vorgeschlagen, in Betracht.
Die Veräußerung und der Kauf der Erbschaft oder eines Erbteils ist in den Artigos 2124 bis 2130 des portugiesischen Código Civil (CC) geregelt. Nach Art. 2126 Absatz 1 CC bedarf die Veräußerung der Erbschaft oder eines Erbteils der öffentlichen Form, wenn Nachlassgegenstände vorhanden sind, für deren Veräußerung die öffentliche Form erforderlich ist. Die Veräußerung des Nachlasses muss also ebenso wie die Veräußerung einer Immobilie öffentlich beurkundet werden.
Auch sonst erfolgt die Veräußerung und der Kauf der Erbschaft (Cessões onorosas de Quinhões hereditários) wie der Kauf der Immobilie. Der Käufer muss Grunderwerb- und Stempelsteuer bezahlen und er wird nach dem Kauf als Eigentümer der Immobilie im Grundbuch eingetragen.
Ein weiterer Vorteil des Erbschaftskaufs als Mittel des Immobilienerwerbs ist, dass für die Grundstücksnachbarn der Immobilie keine Vorkaufsrechte entstehen. Auch dies kann in bestimmten Fällen ein Grund sein, den Erbschaftskauf als Mittel des Immobilienerwerbs zu wählen.
Da Gebäude, für die weder eine Nutzungserlaubnis noch eine Bescheinigung, dass das Gebäude vor Inkrafttreten des Baugesetzes vom 7.8.1951 errichtet worden ist, erteilt wurde, weder verkauft noch vermietet werden dürfen und daher im Rechtsverkehr und aus wirtschaftlicher Sicht nur einen geringen Wert haben, sollte man den Erbschaftskauf als Mittel des Immobilienerwerbs in diesen Fällen nur dann wählen, wenn die Nutzungserlaubnis später erlangt werden kann, und sei es durch Rückbau der nicht genehmigungsfähigen Gebäudeteile.
Der Erbschaftskauf ist auch nach deutschem Recht möglich und in den §§ 2371 – 2385 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Wie im portugiesischen Recht verpflichtet sich ein Erbe durch einen Erbschaftskauf, seine Erbschaft gegen Zahlung an einen anderen zu übertragen. Es kann sowohl ein Alleinerbe als auch ein Miterbe seinen Erbteil verkaufen. Nach § 2371 BGB bedarf ein Vertrag, durch den der Erbe die ihm angefallene Erbschaft verkauft stets der notariellen Beurkundung.
Erschienen in ESA 08/2021