Leseranfrage:
Wir beabsichtigen, eine Immobilie in Portugal zu kaufen. Wir haben bereits verschiedene Objekte im Internet gesehen, die für uns in Frage kommen. Welche Voraussetzungen müssen für den erfolgreichen Immobilienkauf erfüllt werden und worauf müssen wir achten?
Antwort:
Die Verkäuferseite hat dem Kaufinteressenten zunächst sämtliche Grundstücksdokumente zur Überprüfung vorzulegen, die für den Abschluss des Immobilienkaufs erforderlich sind. Ist die Käuferseite anwaltlich vertreten, so erhalten die Anwälte die Unterlagen in der Regel per Email zur Überprüfung:
Aus dem aktuellen Grundbuchauszug des Grundbuchamts (Conservatória do Registo Predial), der nicht älter als sechs Monate sein darf, ergeben sich die Eigentumsverhältnisse sowie eventuelle Belastungen des Grundstücks, wie etwa Hypotheken und Grunddienstbarkeiten, wie Nießbrauch- oder Wegerechte. Liegt eine Pfändung des Finanzamtes vor, etwa weil die Grundsteuern für das Grundstück nicht bezahlt worden sind, oder ist bezüglich des Grundstücks ein gerichtliches Verfahren anhängig, so kann sich dies auch aus einem besonderen Grundbucheintrag ergeben.
Die Caderneta Predial ist der beim Finanzamt geführte Registerauszug, welcher eine Grundstücksbeschreibung sowie den für die Erhebung der Grundsteuer maßgeblichen Einheitswert (Valor Patrimonial Tributário) der Immobilie enthält. Auch dieses Dokument wird wie der Grundbuchauszug per Internet bezogen und sollte nicht älter als sechs Monate sein.
Hinsichtlich der Art der Nutzung wird beim Finanzamt zwischen dem bebauten Grundstück (prédio urbano) und dem landwirtschaftlichen unbebauten Grundstück (prédio rústico) unterschieden. Für jede der beiden Nutzungsarten wird eine gesonderte Caderneta ausgestellt, die Caderneta predial urbana und die Caderneta predial rústica. Bei Mischgrundstücken werden also mindestens zwei Cadernetas für ein Grundstück geführt, eine Caderneta Predial Urbana und eine Caderneta Predial Rústica.
Die sich aus dem Grundbuchauszug auf der einen Seite und aus den Cadernetas auf der anderen Seite ergebenden Grundstücksdaten, wie beispielsweise die Flächenangaben, müssen übereinstimmen. Im Rahmen der Vorbereitung eines Immobilienverkaufs ergibt sich häufig die Notwendigkeit der Berichtigung von Eintragungen, die vor der Beurkundung des Kaufvertrages erfolgen müssen.
Neben diesen Dokumenten ist für die Beurkundung eines Kaufvertrages beim Kauf einer Immobilie zu Wohnzwecken die Vorlage einer von der Baubehörde der Kreisverwaltung (Câmara Municipal) erteilte Bewohnbarkeits- oder Nutzungsgenehmigung erforderlich, sofern das Gebäude nach dem 7. August 1951 fertiggestellt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt traten in Portugal die Bestimmungen über das Baugenehmigungsverfahren in Kraft. Die Erteilung der Bewohnbarkeitsbescheinigung ist der abschliessende Verwaltungsakt der Baubehörde im Baugenehmigungsverfahren, mit dem das zu Wohnzwecken bestimmte Objekt abgenommen wird. Für Gebäude, welche vor diesem Zeitpunkt erbaut worden sind, ist lediglich eine Bescheinigung der Baubehörde vorzulegen, dass das Gebäude vor diesem Zeitpunkt errichtet worden ist und deshalb keine Bewohnbarkeitsbescheinigung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass für vor dem 7. August 1951 erstellte Gebäude, die nach diesem Datum umgebaut oder erweitert worden sind, je nach dem Umfang dieser nachträglichen Baumaßnahmen eine Bewohnbarkeits- oder Nutzungsgenehmigung erforderlich sein kann. Vor Erteilung der Bescheinigung, dass ein Gebäude vor dem
7. August 1951 erstellt worden ist, findet regelmäßig eine Besichtigung des Objekts durch Mitarbeiter der Baubehörde statt.
Wichtig ist, dass sich der Käufer die von der Baubehörde baurechtlich genehmigten und abgestempelten Baupläne aus der behördlichen Bauakte vorlegen lässt, anhand welcher überprüft werden kann, ob das Gebäude so wie es steht genehmigt ist, oder ob nicht genehmigte Baumaßnahmen vorgenommen worden sind.
Am 16. August 2004 trat ein Erlass in Kraft, wonach eine technische Bescheinigung für Wohngebäude (ficha técnica de habitação) vorgelegt werden muss, deren Bewohnbarkeits- oder Nutzungsgenehmigung nach dem 30. März 2004 erteilt wurde. Für Gebäude, die vor dem Inkrafttreten dieses Erlasses (16. August 2004) erbaut, nach diesem Zeitpunkt jedoch modernisiert oder erweitert wurden, kann auf die technische Bescheinigung verzichtet werden, wenn in den notariellen Kaufvertrag die Erklärung aufgenommen wird, dass keiner an der Grundstücksübertragung Beteiligten Bauträger oder Bauunternehmer ist.
Die Energiebescheinigung (certificado energético) ist für alle Gebäude, die Dienstleistungs- oder Wohnzwecken dienen – unabhängig von ihrem Baujahr – seit dem 1. Januar 2009 zwingend bei Verkauf oder Vermietung erforderlich.
Schließlich ist bei dem Erwerb eines landwirtschaftlich oder gemischt genutzten Grundstücks durch zwei oder mehr Erwerber – und dies gilt auch für Ehepaare, die nicht in Gütergemeinschaft leben –, eine Bescheinigung der Kreisverwaltung über die Genehmigung des Miteigentums erforderlich. Eine Ablehnung der Erteilung dieser Bescheinigung darf nur mit der Begründung erfolgen, dass durch die Grundstücksübertragung an mehrere Personen eine Zersiedelung angestrebt oder bewirkt wird.
Erst wenn alle die Immobilie betreffenden Unterlagen sowie sämtliche maßgeblichen tatsächlichen Umstände überprüft worden sind, sollte der in der Regel in Portugal übliche und verbindliche Vorvertrag abgeschlossen werden.
Der Kaufvorvertrag ist in den Art. 410 bis 413 des Código Civil (CC) geregelt. In der Regel wird in diesem Vorvertrag, mit welchem sich die Parteien verpflichten, später den Hauptvertrag abzuschließen, der gesamte Vertragsinhalt geregelt, wohingegen mit dem notariell beurkundeten Kaufvertrag nur der Eigentumsübergang bewirkt wird. Im Kaufvorvertrag werden daher in der Praxis die individuellen Vereinbarungen des Grundstückskaufs, beispielsweise die dem Verkäufer obliegenden Gewährleistungspflichten, zwischen den Parteien vereinbart.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 09/2018