Leseranfrage:
Ich lebe von meiner Ehefrau seit vier Jahren getrennt. Das Ehescheidungsverfahren ist seit zwei Jahren bei dem zuständigen deutschen Familiengericht im Bezirk unseres letzten gemeinsamen Aufenthalts in unserer ehelichen Wohnung anhängig. Bei der ehelichen Wohnung handelt es sich um ein Einfamilienhaus, das meine Ehefrau mit unserem gemeinsamen vierzehnjährigen Sohn seit meinem Auszug alleine bewohnt und das im jeweils hälftigen Miteigentum von meiner Ehefrau und mir steht.
Wir leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Nach unserer Trennung bin ich nach Portugal gezogen, wo ich mich beruflich neu orientierte. Da das Ende unseres Ehescheidungsverfahrens derzeit nicht absehbar ist und ich für den Erwerb einer Eigentumswohnung in Portugal Geld benötige, habe ich beim Amtsgericht in Deutschland einen Antrag auf Teilungsversteigerung unseres Hauses gestellt. Meine Ehefrau widerspricht der Teilungsversteigerung, weil ein gewinnbringender Verkauf an einen Dritten möglich sei und weil sie die Grundstücksgemeinschaft noch aufrechterhalten möchte. Wie ist die Rechtslage zu bewerten?
Antwort:
Zunächst stellt sich die Frage, in welcher Phase des Trennungsprozesses kann der Versteigerungswillige seinen Versteigerungswunsch auch gegen den Willen des anderen durchsetzen? Bereits während der Trennung oder erst nach Rechtskraft der Scheidung? Diese Frage wird in der Rechtsprechung kontrovers beantwortet.
Das Oberlandesgericht Hamburg hat mit seiner umstrittenen Entscheidung vom 28.7.2017 eine Teilungsversteigerung der Ehewohnung gegen den Willen des anderen Ehegatten, während der Trennung, bis zur Rechtskraft der Scheidung als unzulässig erklärt. Dies gebiete der Grundsatz des Schutzes des räumlichgegenständlichen Bereichs der Ehe, da die von den Eheleuten gemeinsam bewohnte Wohnung ihren Charakter als Ehewohnung über die Trennung hinaus bis zur Rechtskraft der Scheidung behalte.
Diese Auffassung widerspricht jedoch der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, da dies mit dem nach § 749 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich gegebenen jederzeitigen Aufhebungsanspruch einer Miteigentumsgemeinschaft nicht zu vereinbaren ist.
Nach dieser Vorschrift kann jeder Miteigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, und zwar jederzeit. Jedoch unterliegt dieses Recht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Schranken, die sich aus den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, vor allem aber aus den Besonderheiten der Ehe ergeben.
Betreibt ein im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte die Teilungsversteigerung betreffend seines Miteigentumsanteils an einer Immobilie, der das Vermögen im Ganzen darstellt, ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten, besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das zur Aufhebung oder einstweiligen Einstellung des Teilungsversteigerungsverfahrens führt.
Jeder Ehegatte ist insoweit nämlich gemäß § 1365 BGB beschränkt. Danach kann ein Ehegatte über sein Vermögen im Ganzen nur mit Einwilligung des anderen verfügen. Zweck dieser Regelung ist, zu verhindern, dass das gesamte Vermögen eines Ehegatten, das die Lebensgrundlage der ehelichen Gemeinschaft bildet, ohne dessen Zustimmung der ehelichen Gemeinschaft entzogen wird und mögliche Zugewinnausgleichsansprüche vereitelt werden. Bei kleineren Vermögen hat der Bundesgerichtshof § 1365 BGB als nicht erfüllt angesehen, wenn dem verfügenden Ehegatten Werte von 15 % seines ursprünglichen Gesamtvermögens verbleiben.
Des Weiteren leitet die Rechtsprechung die Grenzen des Aufhebungsrechts unmittelbar aus der Vorschrift des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ab, wonach die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen wird und die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen. Hiernach ist der Aufhebungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn dadurch „der rechtlich geschützte räumlich-gegenständliche, in der Ehe geschaffene Lebensbereich des in Anspruch genommenen Ehegatten beeinträchtigt wird“. Auf der anderen Seite sollten auch die Interessen des versteigerungswilligen Ehegatten angemessen berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nach den jeweiligen Umständen des einzelnen Falls zu entscheiden.
Diese aus § 1353 I S. 2 BGB hergeleitete Pflicht der Ehegatten zur gegenseitigen Rücksichtnahme kann der Teilungsversteigerung entgegenstehen. Insoweit ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich. Zu berücksichtigen ist beispielsweise, wie lange die Trennung bereits andauert, ob gemeinsame Kinder betroffen sind, wie dringend der Versteigerungswillige auf den erstrebten Erlös angewiesen ist etc.
Es gibt jedoch keinen Anspruch eines -Ehegatten auf Mitwirkung am freihändigen Verkauf.
Die vorstehend erörterten Verhinderungsmöglichkeiten sind jedoch Ausnahmen. Es sind Beschränkungen, die sich im Wesentlichen aus den Besonderheiten der Ehe ergeben.Hinzu kommen noch die allgemeinen nicht spezifisch familienrechtlichen Möglichkeiten, einen zeitlichen Aufschub der Teilungsversteigerung durch einstweilige Einstellung aus besonderen Härtegründen oder wegen Gefährdung des Wohls gemeinsamer Kinder zu erreichen. Das Verfahren kann auf Antrag für bis zu sechs Monate einstweilen eingestellt werden, wenn dies bei Abwägung der widerstreitenden Interessen angemessen erscheint. Bei der Teilungsversteigerung zwischen Ehegatten kann das Verfahren zum Wohl gemeinsamer Kindes für bis zu fünf Jahre eingestellt werden.
Sachlich zuständig ist der Rechtspfleger am Amtsgericht.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 05/2019