Leseranfrage:
Ich bin deutscher Staatsangehöriger und beziehe eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung (Rente Bund) in Deutschland. Ich wohne in Portugal und habe meine Rente in Deutschland in den vergangenen Jahren dort nicht versteuert.
Nun habe ich ein Schreiben des Finanzamts Neubrandenburg erhalten, dessen Inhalt ich wie folgt auszugsweise zitieren möchte: „Nach dem zwischen Ihrem Wohnsitzstaat Portugal und Deutschland geschlossenem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) kann Deutschland die Renteneinkünfte besteuern, wenn Sie in Portugal für diese Einkünfte von der Steuer befreit wurden (Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 DBA).
Portugal bietet für neuzugezogene Rentenbezieher seit 2009 die Möglichkeit, für 10 Jahre von der Steuer befreit zu werden (Status „residente não habitual“).
Das Finanzamt Neubrandenburg beabsichtigt, Ihre in Deutschland zu leistende Einkommensteuer für die oben genannten Jahre festzusetzen und Ihnen die Steuerbescheide nach Ablauf von etwa 2 Monaten zuzusenden.“
Für den Fall, dass ich den Status „residente não habitual“ nicht hätte, solle ich nachweisen und belegen, dass ich meine Rente entweder in Portugal versteuert habe oder dass ich in Deutschland grundsätzlich steuerpflichtig sei, dort jedoch keine Steuererklärung einzureichen brauche.
Schließlich fordert das Finanzamt Neubrandenburg mich mit seinem Schreiben auf, entweder einen Antrag auf Besteuerung als beschränkter oder als unbeschränkter Steuerpflichtiger zu stellen und eine Einkommensteuererklärung abzugeben.
Ist die Auffassung des Finanzamts Neubrandenburg zutreffend?
Antwort:
Dem Finanzamt Neubrandenburg ist die bundesweite Sonderzuständigkeit für die Veranlagung von Rentenempfängern mit Wohnsitz im Ausland übertragen worden, die nicht aus anderen Gründen bereits in Deutschland veranlagt werden.
Wie in dem Schreiben des Finanzamts Neubrandenburg zutreffend festgestellt, gibt es in Portugal seit 2009 eine besondere Steuerbegünstigung für Personen, die in Portugal ihren Wohnsitz begründen, also steuerrechtlich in Portugal neu „ansässig werden“. Der Status „residente não habitual“ gewährt bestimmte Steuervorteile für einen Zeitraum von 10 Jahren und bezweckt, Fachkräfte für Portugal zu gewinnen, die einer Tätigkeit mit erheblicher Werthaltigkeit im Bereich der Wissenschaften, Management, Künste oder auch der Technik nachgehen sowie Ruheständler, die ihre Renten oder Pensionen aus dem Ausland erhalten, zu veranlassen, sich in Portugal niederzulassen.
Im Jahre1980 wurde das in dem Schreiben des Finanzamts erwähnte Doppelbesteuerungsabkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag, zwischen Deutschland und Portugal, geschlossen.
Das DBA soll vermeiden, dass bei natürlichen oder juristischen Personen, die Einkünfte im Ausland erzielen, diese ausländischen Einkünfte sowohl vom Ansässigkeitsstaat (vorliegend Portugal) als auch vom Quellenstaat, dem Staat in dem die Einkünfte erzielt werden (vorliegend Deutschland) besteuert werden.
Nach Art. 18 des DBA zwischen Deutschland und Portugal können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person (vorliegend Portugal) für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat (vorliegend Portugal) besteuert werden.
Aus dem Ausland bezogene Renten und Pensionen sind in Portugal von der Steuer befreit, wenn sie im Quellenstaat nach Maßgabe eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Portugal und dem Quellenstaat besteuert werden, oder wenn sie nach den Regelungen des portugiesischen Einkommensteuergesetzes als nicht in Portugal erzielt gelten.
Aufgrund von Art. 18 des DBA zwischen Deutschland und Portugal ist davon auszugehen, dass sowohl Betriebsrenten als auch Beamtenpensionen und Renten aus der gesetzlichen Altersversorgung im Ansässigkeitsstaat Portugal versteuert werden.
Bezüglich der Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland vertritt das Finanzamt Neubrandenburg jedoch neuerdings eine andere Auffassung: Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung seien keine vom früheren Arbeitgeber geleistete Vergütungen für frühere Arbeitsleistung, sondern „Versicherungsleistungen”, die nach Art. 22 Absatz 1 DBA an Deutschland zurückfallen: „Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, können ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat (vorliegend Portugal) besteuert werden. Unterliegen die Einkünfte jedoch in diesem Staat nicht der Steuer, so können sie im anderen Vertragsstaat besteuert werden.”
Gegen diese vom Finanzamt vertretene Auffassung ist folgendes einzuwenden: Renten der gesetzlichen Rentenversicherung als „Versicherungsleistungen”, die nicht unter Art. 18 des DBA fallen, zu betrachten ist abwegig.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 05/2018