Leseranfrage:
Mein Stiefvater, deutscher Staatsangehöriger ist verwitwet und lebt seit vielen Jahren in Portugal. Er ist in Deutschland nicht mehr steuerpflichtig und hat mich in seinem Testament als Alleinerbe für sein gesamtes Vermögen eingesetzt. Sein leiblicher Sohn aus erster Ehe soll nur pflichtteilsberechtigt sein. In seinem Testament hat er bestimmt, dass für seinen Nachlass deutsches Recht gelten soll. Sein gesamtes Vermögen befindet sich in Portugal und besteht im wesentlichen aus Immobilien, Bankkonten, einem Wertpapierdepot, einem Pkw, Kunstgegenständen und Antiquitäten. Ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit und lebe in Deutschland. Was muss ich tun, wenn der Erbfall eintritt und wie sieht die erbschaftsteuerrechtliche Situation für mich aus?
Antwort:
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) besteht eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, wenn der Erblasser oder der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls Inländer im Sinne des ErbStG war. Als Inländer gilt nach dieser Bestimmung, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat; bei deutschen Staatsangehörigen darüber hinaus, die nicht länger als fünf Jahre aus Deutschland verzogen waren.
Wohnt also entweder der Erbe oder der Erblasser in Deutschland, so ist die Erbschaft in Deutschland voll erbschaftsteuerpflichtig. Dies gilt auch, wenn der Nachlass nach ausländischem Recht abgewickelt wird.
Für Ihren Stiefvater besteht in Deutschland wegen Verstreichens der fünf Jahresfrist somit keine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht mehr. In Ihrem Fall besteht aus der Sicht des Erblassers auch keine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, da sich kein Vermögen in Deutschland befindet.
Da Sie jedoch Inländer im Sinne des ErbStG sind, besteht für Sie in Deutschland die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht.
Nach dem deutschen ErbStG werden Stiefkinder den leiblichen Kindern gleichgesetzt, sodass Sie in die Erbschaftsteuerklasse I mit dem hohen Freibetrag von Euro 400.000 fallen. Das den Steuerfreibetrag übersteigende Erbe wird in der Erbschaftsteuerklasse I beispielsweise für die Beträge bis Euro 6.000.000 mit 7 % bis 19 % besteuert.
In Portugal sind Verwandte in gerader Linie und Ehegatten von der Erbschaftsteuer befreit. Sonstige Erben werden mit 10 % des Wertes ihrer Erbschaft besteuert. Im portugiesischen Recht werden Stiefkinder nicht wie Verwandte in gerader Linie privilegiert und sind daher mit 10 % steuerpflichtig.
Den portugiesischen Fiskus interessieren jedoch lediglich die in Portugal registrierten Nachlassgegenstände, also Immobilien, Kraftfahrzeuge, Boote, Bankkonten, Kapitalanlagen, Gesellschaftsanteile etc.
Zunächst sollte innerhalb von drei Monaten nach dem Tode des Erblassers in Portugal die Erbschaftsteuererklärung (Imposto do Selo) abgegeben werden, in der sämtliche in Portugal registrierte Nachlassgegenstände aufgeführt werden müssen. Kunstgegenstände, Schmuck, Antiquitäten und andere nicht registrierte Wertgegenstände müssen in der portugiesischen Steuererklärung nicht angegeben werden. Für die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung erhält man von der portugiesischen Finanzbehörde eine besondere Steuernummer für den Nachlass.
Nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz unterliegt der Erbschaftsteuer der gesamte Erwerb von Todes wegen, und zwar der im In- und Ausland befindliche.
Zwischen Deutschland und Portugal besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftsteuer. Soweit kein Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung kommt und ausländisches Vermögen in Deutschland wie in vorliegendem Fall der Erbschaftsteuer unterliegt, ist die in Portugal bezahlte Erbschaftsteuer unter den in § 21 ErbStG genannten Voraussetzungen auf Antrag auf die in Deutschland zu zahlende Erbschaftsteuer anzurechnen.
Für die Umschreibung der in Portugal registrierten Nachlassgegenstände auf den Erben müssen den zuständigen Behörden, beispielsweise dem Grundbuchamt oder der Kfz-Zulassungsstelle, sowie den Banken, die Sterbeurkunde des Erblassers, die Erbschaftsteuererklärung sowie der Erbschein, aus welchem sich die Erbfolge ergibt, vorgelegt werden.
Im Falle eines deutschen Erblassers kann ein Erbschein eines deutschen Nachlassgerichts vorgelegt werden. Sofern ein solcher deutscher Erbschein bei den zuständigen portugiesischen Behörden, Banken oder Versicherungen vorgelegt wird, muss dieser mit einer Apostille versehen sein und in die portugiesische Sprache übersetzt werden.
Auch für ausländische Erblasser, die Vermögen in Portugal hinterlassen, kann jedoch ein Erbschein nach portugiesischem Recht erlangt werden. Dieser ist in seiner Wirkung nicht nur auf in Portugal befindliches Vermögen beschränkt, sodass er auch im Ausland vorgelegt werden kann.
Das portugiesische Erbscheinsverfahren erfolgt als besonderes notarielles Erbenfeststellungsverfahren und bedarf der Durchführung einer notariellen Beurkundung (Escritura Pública de Habilitação dos Herdeiros). Dem portugiesischen Notar ist die Sterbeurkunde und gegebenenfalls ein Testament vorzulegen, aus welchem sich die testamentarische Erbfolge ergibt. Ist kein Testament vorhanden, ist in der Regel ein Gutachten oder eine Erklärung vorzulegen, woraus sich die gesetzliche Erbfolge nach dem jeweiligen ausländischen Recht ergibt. Die Erbfolge muss durch entsprechende Standesurkunden, also Heiratsurkunden, Geburtsurkunden oder Adoptionsurkunden der Erben belegt werden.
Des Weiteren besteht nun die Möglichkeit in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark für Erbfälle, die nach dem 16.8.2015 eingetreten sind, die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung zu beantragen.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist nur auf Antrag zu erteilen, jedoch nur dann, wenn es im europäischen Bereich grenzüberschreitend benötigt wird.
Unter Vorlage der Erbschaftsteuererklärung mit Eingangsvermerk des Finanzamtes sowie des entsprechenden Erbscheins oder Europäischen Nachlasszeugnisses können sodann die Anträge auf Umschreibung der Nachlassgegenstände auf den Erben bei den zuständigen portugiesischen Behörden gestellt werden. Bei Banken und Versicherungen kann die Auszahlung von Guthaben und Versicherungsleistungen in der Regel erst dann erwirkt werden, wenn die Zahlung der Erbschaftsteuer nachgewiesen wird.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 01/2019