Leseranfrage:
Die Ehe mit meiner portugiesischen Ehefrau wurde im vergangenen Jahr durch Urteil des Familiengerichts in Portimão nach portugiesischem Recht geschieden; ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Durch eine privatschriftliche Vereinbarung haben wir während unseres Ehescheidungsverfahrens eine abschließende Regelung getroffen, in welcher wir wechselseitig auf sämtliche etwa noch bestehende Ansprüche für die Zukunft verzichtet haben.
Wir haben während unserer Ehe 16 Jahre in Deutschland gelebt und dort beide rentenversicherungspflichtig gearbeitet. Meine geschiedene Ehefrau hat mit ihrem mittleren Einkommen lediglich Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, wohingegen ich mit einem erheblich höheren Einkommen ebenfalls Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung und darüber hinaus Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung erworben habe. Nun hat mir meine geschiedene Ehefrau mitgeteilt, dass sie Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einem deutschen Gericht stellen werde. Hat sie damit Aussicht auf Erfolg?
Antwort:
Der Versorgungsausgleich ist nach deutschem Familienrecht der bei der Ehescheidung stattfindende Ausgleich der in der Ehezeit von den Ehegatten erworbenen Anwartschaften auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Er wird in Deutschland vom Familiengericht im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens von Amts wegen durchgeführt, da an der Altersversorgung der Bevölkerung ein öffentliches Interesse besteht. Die Ehezeit im Sinne des Gesetzes beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde und sie endet am letzten Tag des Monats vor der Zustellung des Scheidungsantrags.
Das portugiesische Recht kennt keinen Versorgungsausgleich, sodass bei Scheidungen in Portugal – auch von deutschen Staatsangehörigen – ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden kann. Der Versorgungsausgleich unterliegt dem auf die Scheidung anzuwendenden Recht und ist nur durchzuführen, wenn auf die Scheidung deutsches Recht anwendbar ist, und ihn das Recht eines der Staaten kennt, dem die Eheleute zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens angehören. Die erste Voraussetzung liegt in Ihrem Fall nicht vor.
Darüber hinaus ist der Versorgungsausgleich jedoch auf ausdrücklichen Antrag eines Ehegatten nach deutschem Recht durchzuführen, wenn einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem deutschen Versorgungsträger erworben hat, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht.
Ein solcher nachträglicher Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs kann auch dann bei einem deutschen Familiengericht gestellt werden, wenn die Ehe – wie im vorliegenden Fall – im Ausland nach ausländischem Recht geschieden wurde. Im Versorgungsausgleichsverfahren werden die Rentenansprüche jedes Ehegatten gesondert ermittelt. In den Versorgungsausgleich werden alle im In- oder Ausland bestehenden Anwartschaften sowie die laufenden, bereits in Anspruch genommenen Altersversorgungsbezüge einbezogen, beispielsweise die gesetzliche Rentenversicherung, die Pensionsansprüche der Beamtenversorgung, die betriebliche Altersversorgung, private Rentenversicherungen wie die Riesterrente etc.. Beide Parteien sind gesetzlich dazu verpflichtet, dem Gericht eine wahrheitsgemäße Auskunft über die bestehenden Altersversorgungsansprüche zu erteilen. Das Gericht holt sodann die benötigten Auskünfte über die Höhe der Renten-anwartschaften direkt bei den entsprechenden Versorgungsträgern ein.
Nachdem die Anwartschaften beider Ehegatten ermittelt sind, werden sie jeweils einzeln bewertet und miteinander verglichen. Dann werden entsprechend dem Halbteilungsgrundsatz die Versorgungsanwartschaften grundsätzlich zu gleichen Teilen aufgeteilt. Das heißt, dass derjenige Ehegatte, der während der Ehe mehr Rentenanwartschaften erworben hat, dem anderen die Hälfte der Differenz übertragen muss. Die künftige Rente des Ausgleichspflichtigen wird dementsprechend in gekürzt.
Die Ehegatten können Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich abschließen. Die rechtlichen Grundlagen für Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind in den §§ 6 bis 8 VersAusglG geregelt. Hieraus ergibt sich, dass die Ehegatten grundsätzlich berechtigt sind, den Versorgungsausgleich näher auszugestalten oder aber auch ganz oder teilweise auszuschließen. Eine solche Vereinbarung unterliegt jedoch der Inhalts- und Wirksamkeitskontrolle durch das Familiengericht. Unwirksam kann eine solche Vereinbarung beispielsweise sein, wenn sie dazu führt, dass ein Ehegatte durch den Verzicht nicht mehr über eine ausreichende Alterssicherung verfügt. Die Vereinbarung zwischen den Ehegatten bedarf der notariellen Beurkundung und kann im Rahmen eines Ehevertrages oder auch als gesonderte Vereinbarung getroffen werden.
Das Oberlandesgericht Hamm hat in seiner Entscheidung vom 22.7.2013 über den Antrag der Ehefrau eines geschiedenen portugiesischen Ehepaares auf Durchführung des Versorgungsausgleichs in Deutschland im Rahmen der Billigkeitsabwägung die Auffassung vertreten, dass die im Zusammenhang mit der Ehescheidung in Portugal getroffene Privatvereinbarung die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht unbillig erscheinen lasse, obwohl die Ehegatten wie im vorliegenden Fall mit ihrer Privatvereinbarung wechselseitig künftige Ansprüche ausgeschlossen hatten.
Zwar sei nach Auffassung des Gerichts eine im Rahmen eines ausländischen Scheidungsverfahrens verbindlich getroffene Privatvereinbarung zum Versorgungsausgleich grundsätzlich bei der Anwendung des deutschen Rechts unter Billigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen, jedoch müsse eine solche Vereinbarung eine ausdrückliche Regelung zum Versorgungsausgleich enthalten. Hinzu kam, dass die privatschriftliche Vereinbarung der Ehegatten nicht der gesetzlich vorgeschriebenen notariellen Form entsprach.
Nach allem dürfte der Antrag Ihrer geschiedenen Ehefrau Aussicht auf Erfolg haben.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 04/2019