Leseranfrage:
Wir sind Eigentümer von zwei nebeneinanderliegenden Grundstücken in der Ostalgarve, die wir verkaufen wollen. Es handelt sich um ein Mischgrundstück mit einer Fläche von ca. 3.000 m2, auf dem sich unser Wohnhaus befindet, und ein angrenzendes größeres unbebautes ländliches Grundstück mit einer Fläche von einem halben Hektar, das mit Oliven- und Alfarrobabäumen bewachsen ist. Beide Grundstücke liegen in der RAN-Zone. Wir haben einen Käufer, der beide Grundstücke für einen Gesamtpreis von Euro 400.000 zu kaufen beabsichtigt. Einen Vorvertrag haben wir mit dem Käufer noch nicht abgeschlossen, da drei an unsere Grundstücke angrenzenden Nachbarn ein Vorkaufsrecht zusteht und wir diese vor Abschluss des Vorvertrages zunächst über ihr Vorkaufsrecht informieren wollten. Nun hat einer der Nachbarn innerhalb der von uns gesetzten Frist – für uns völlig überraschend – mitgeteilt, dass er sein Vorkaufsrecht ausüben und die beiden Grundstücke zu dem angebotenen Kaufpreis erwerben wolle. Unser ursprünglicher Kaufinteressent, der schon fest mit dem Kauf gerechnet hatte, hat daraufhin angeboten, den Kaufpreis auf Euro 450.000 zu erhöhen. Wie sollen wir uns in dieser Situation verhalten?
Antwort:
Vor dem Verkauf einer Immobilie ist stets zu prüfen, ob Dritten ein gesetzliches Vorkaufsrecht zusteht. In ländlichen Regionen kommen hier insbesondere Eigentümer von angrenzenden Grundstücken in Betracht. Sofern Kaufvorverträge und Kaufverträge abgeschlossen werden, ohne bestehende Vorkaufsrechte zu beachten, kann dies zu erheblichen Nachteilen sowohl für den Käufer als auch und insbesondere für den Verkäufer führen. Der übergangene Vorkaufsberechtigte kann sein Vorkaufsrecht nämlich gerichtlich durchsetzen: Er kann innerhalb von sechs Monaten nach Kenntniserlangung von dem Verkauf Klage bei Gericht erheben. Innerhalb einer weiteren Frist von 15 Tagen nach Klageerhebung, muss er den Kaufpreis bei Gericht hinterlegen. Der ursprüngliche Käufer verliert dadurch sein Eigentum an dem erworbenen Grundstück mit der Folge, dass der gesamte Verkauf rückabgewickelt werden muss und der Verkäufer dem Käufer über die Rückerstattung des Kaufpreises hinaus schadenersatzpflichtig ist.
Aus diesen Gründen sollten Vorkaufsrechte stets beachtet werden. In der Praxis ist es häufig schwierig, Nachbarn von unbebauten ländlichen Grundstücken zu ermitteln, da die Behörden aus Datenschutzgründen keine entsprechenden Auskünfte mehr erteilen.
Die Vorkaufsberechtigten sollten per Einschreiben mit Rückschein vom Verkäufer über den bevorstehenden Verkauf in Kenntnis gesetzt werden. In diesem Schreiben müssen alle wesentlichen Informationen über den bevorstehenden Verkauf enthalten sein, damit der Vorkaufsberechtigte prüfen kann, ob er das Grundstück zu den festgesetzten Bedingungen erwerben möchte. Dem Vorkaufsberechtigten wird mit dem Schreiben in der Regel eine achttägige Frist ab Erhalt des Schreibens zur Geltendmachung seines Vorkaufsrechts gesetzt. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, so erlischt sein Vorkaufsrecht ohne Weiteres.
Der Vorkaufsberechtigte kann nach der Rechtsprechung nur in den anstehenden Kaufvertrag eintreten und zu den Bedingungen erwerben, die zwischen dem Verkäufer und dem ursprünglichen Kaufinteressenten vereinbart worden sind. In Ihrem Falle bedeutet das, dass der Vorkaufsberechtigte nicht etwa nur eines der beiden Grundstücke erwerben kann, sondern er muss beide Grundstücke zu den Verkaufsbedingungen erwerben, wie sie mit dem ursprünglichen Kaufinteressenten vereinbart wurden; dies gilt auch für den Mitverkauf des Inventars eines Wohnhauses. Der Verkäufer soll durch die Ausübung des Vorkaufsrechts keine Nachteile hinnehmen müssen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, die das Vorkaufsrecht ländlicher Grundstücke regeln, sollen die Landwirtschaft fördern und Grundstückseigentümer durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in die Lage versetzen, Grundstücke bewirtschaften zu können, die wirtschaftlich rentabel sind. Das Gesetz sieht daher für ländliche Grundstücke entsprechende Mindestgrößen vor, die als wirtschaftlich rentabel gelten. In der Algarve beträgt die Mindestgröße für bewässerte landwirtschaftliche Grundstücke 2,5 ha und für nicht bewässerte Grundstücke 8,0 ha. Grundsätzlich müssen sowohl das Grundstück, das zum Verkauf ansteht, als auch das angrenzende Grundstück des Vorkaufsberechtigten jeweils eine Gesamtfläche aufweisen, die unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgröße liegt. Es soll demjenigen vorkaufsberechtigten Nachbarn ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden, der nicht bereits ein angrenzendes Grundstück besitzt, das die Mindestgröße überschreitet.
Besondere Vorschriften gelten im Bereich der Reserva Agrícola Nacional (RAN). Ob ein Grundstück in diesem Bereich liegt, kann dem Bebauungsplan (PDM) entnommen werden, der bei der zuständigen Câmara Municipal eingesehen werden kann.
Im Bereich der RAN, in dem auch Ihre beiden Grundstücke liegen, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorkaufsrecht zugunsten des vorkaufsberechtigten Nachbarn erheblich erleichtert. So müssen im RAN-Bereich beispielsweise die Vorschriften über die Mindestgrößen nicht eingehalten werden. Des Weiteren können die Grundstücke mit einem Gebäude bebaut sein, das mit der unbebauten ländlichen Restfläche nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang steht, also beispielsweise mit einem Wohnhaus.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung in Portugal vertritt die Auffassung, dass zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten durch die Beanspruchung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigten zu den Bedingungen des ursprünglichen Verkaufs ein Rechtsverhältnis zustande gekommen ist, das der Verkäufer jedenfalls erfüllen muss. Der Kaufpreis kann nach dieser Rechtsprechung also nicht nachträglich erhöht werden.
Das Berufungsgericht Coimbra vertritt eine für den Verkäufer günstigere Auffassung: Danach wird der anstehende Verkauf nur als eine Absicht gewertet, von welcher der Verkäufer auch nach Beanspruchung des Vorkaufsrechts durch den Nachbarn Abstand nehmen kann und nicht an den Vorkaufsberechtigten verkaufen muss. Folgt man dieser Mindermeinung, so nimmt man jedoch ein hohes Prozessrisiko in Kauf.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 08/2018