Die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung
Leseranfrage:
Meine Ehefrau und ich sind Gesellschafter einer Offshore-Gesellschaft (OG) mit Sitz in Delaware/USA. Die Gesellschaft ist Eigentümerin einer Villa in der Algarve, die wir bewohnen. Wir haben die Gesellschaftsanteile der OG im Jahre 2004 für € 450.000 erworben und beabsichtigten Anfang diesen Jahres, die Gesellschaftsanteile für € 850.000 zu veräußern. Der Kaufinteressent nahm jedoch wegen der neuen Gesetze in Portugal vom Kauf der Gesellschaftsanteile Abstand und wollte die Villa als Privatperson aus unserer OG „herauskaufen”. Da die OG die Villa im Jahre 2002 für € 300.000 gekauft hat, müssten wir bei dem Verkauf der Villa an den Käufer als Privatperson eine sehr hohe Veräußerungsgewinnsteuer von mehr als € 100.000 bezahlen. Wie ist die Situation unserer OG im Hinblick auf den von uns beabsichtigten Verkauf angesichts der neuen Gesetze in Portugal einzuschätzen?
Antwort:
Die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (sog. vierte europäische Geldwäsche-Richtlinie) ist am 25. Juni 2015 in Kraft getreten. Die einzelnen Mitgliedstaaten mussten die Bestimmungen dieser EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzen.
Artikel 30 der EU-Richtlinie begründet eine neue Art der Mitwirkungspflicht aller juristischen Personen, insbesondere der Kapital- und Personengesellschaften sowie der Stiftungen, nämlich präzise und aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten sowie zu Art und Umfang der wirtschaftlichen Berechtigung einzuholen und zu melden. Diese Informationen sind in jedem Mitgliedstaat in einem zentralen Register, dem sogenannten Transparenzregister aufzubewahren.
Ziel der EU-Richtlinie ist, dass jede natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle eine juristische Person steht, identifiziert werden kann. Damit tatsächlich Transparenz herrscht, sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass ein möglichst breites Spektrum von juristischen Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet eingetragen oder durch ein anderes Verfahren geschaffen wurden, erfasst wird. Die Mitgliedstaaten sollen deshalb dafür sorgen, dass in ihrem Staatsgebiet gemäß dem nationalen Recht eingetragene Unternehmen zusätzlich zu den grundlegenden Informationen, wie Name und Anschrift der Gesellschaft, Nachweis der Gründung und des rechtlichen Eigentums, auch angemessene, präzise und aktuelle Angaben zu ihrem wirtschaftlichen Eigentümer beschafft und vorgehalten werden müssen.
Mit dem Gesetz Nr. 83/2017 vom 18. August, das Maßnahmen zur Bekämpfung der Geld-wäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie die Einrichtung des Transparenzregisters vorsieht, und durch das Gesetz Nr. 89/2017 vom 21. August sowie durch die Durchführungsverordnung Nr. 233/2018 vom 21. August, mit denen das neue Transparenzregister geregelt wird, hat Portugal die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die Durchführungsverordnung Nr. 233/2018 vom 21. August ist zum 1. Oktober 2018 in Kraft getreten.
Für eine bereits am 1. Oktober 2018 bestehende OG mit Sitz in Delaware, die lediglich eine Immobilie hält und keine wirtschaftlichen Aktivitäten betreibt und daher nicht im Handelsregister eingetragen ist, besteht die erstmalige Verpflichtung zur Mitteilung der Daten des wirtschaftlich Berechtigten und der wirtschaftlichen Berechtigung an das Transparenzregister bis
30. Juni 2019. Danach muss jede Änderung bezüglich des wirtschaftlich Berechtigten oder der Gesellschaft innerhalb von 30 Tagen gemeldet werden und ab 2020 gilt darüber hinaus noch eine jährliche Frist jeweils zum 15. Juli zur Bestätigung der meldepflichtigen Daten.
Mitteilungspflichtig gegenüber dem Transparenzregister sind die jeweiligen Vertretungsorgane der Gesellschaften; darüber hinaus sind bestimmte Berufsgruppen, wie beispielsweise Rechtsanwälte, zur Mitteilung befugt.
Durch diese neue Gesetzgebung ändert sich die Situation für eine OG in Portugal, die eine Immobilie zum Eigentum hat, grundlegend.
Wurden bisher die Gesellschaftsanteile einer solchen OG durch einen privatschriftlichen Anteils-Veräußerungsvertrag verkauft, so war dies in Portugal kein steuerlich relevanter Vorgang, da die Gesellschaft nach wie vor die Immobilieneigentümerin blieb und als solche auch weiterhin im Grundbuch registriert war; lediglich die Gesellschafter – nach der neuen Terminologie also die wirtschaftlich Berechtigten der Gesellschaft – wechselten.
Ein solcher Veräußerungsvorgang, der den Wechsel der Gesellschafter zur Folge hat, muss künftig innerhalb von 30 Tagen dem Transparenzregister gemeldet werden.
In den neuen Gesetzen ist nicht geregelt, wie die Besteuerung einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile zu erfolgen hat. Als Folge der Mitteilung des Wechsels der Gesellschafter an das Transparenzregister wird die Finanzbehörde den Veräußerungsvorgang künftig besteuern. Ähnlich wie bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns beim Verkauf von Immobilien wird die Differenz zwischen dem nunmehrigen Verkaufspreis und dem seinerzeitigen Kaufpreis der Gesellschaftsanteile, wie sie sich aus den privatschriftlichen Anteils-Veräußerungsverträgen ergibt, besteuert werden. Im vorliegenden Fall wäre dies die Differenz zwischen € 850.000 und € 450.000, wobei die Absetzungsmöglichkeiten sowie die Berücksichtigung der Inflationsrate den besteuerbaren Betrag vermindern. In diesen Fällen ist jedenfalls fachliche Beratung geboten.
Wird die Immobilie vom Käufer als Privatperson von der Gesellschaft als Verkäuferin durch einen normalen notariellen Immobilienkaufvertrag erworben, so wird der Veräußerungsgewinn aus der Differenz zwischen dem nunmehrigen Verkaufspreis der Immobilie in Höhe von € 850.000 und dem seinerzeitigen Kaufpreis in Höhe von € 300.000 zu dem die Gesellschaft die Immobilie erworben hat, unter Berücksichtigung der Absetzungsmöglichkeiten ermittelt. Für Gesellschaften beträgt der Steuersatz bei der Veräußerungsgewinnsteuer 25 %.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 06/2019