Die Wahl des Güterrechts nach der europäischen Güterrechtsverordnung
Leseranfrage:
Wir haben im Sommer des vergangenen Jahres geheiratet und leben in Portugal. Ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, meine Ehefrau ist Portugiesin. Vom Standesbeamten wurde uns mitgeteilt, dass wir im gesetzlichen portugiesischen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft (communhão de bens adquiridos) verheiratet seien, jedoch nach dem neuen europäischen Recht die Möglichkeit der Wahl eines anderen Güterstandes hätten. Welche Möglichkeiten sind uns danach eröffnet?
Antwort:
Bereits die am 21.6.2012 in Kraft getretene EU-Verordnung („Rom III“) regelt, welches Recht im Falle einer Ehescheidung in Fällen mit Auslandsbezug zur Anwendung kommt. Nach dieser EU-Verordnung können die Ehegatten eine Rechtswahl treffen und das auf ihre Scheidung anwendbare Recht selbst bestimmen. Dabei können sie beispielsweise das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt.
Die seit August 2015 geltende Europäische Erbrechtsverordnung eröffnete EU-Bürgern, die im Ausland leben, ebenfalls die Möglichkeit einer Rechtswahl, d.h. die Wahl, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommen soll, das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers oder das Recht seiner Staatsangehörigkeit.
Die Europäische Güterrechtsverordnung 2016/1103 (EuGüVO) regelt für alle Ehen, die nach dem 29. Januar 2019 geschlossen wurden, welches nationale Recht für Fragen des ehelichen Güterrechts anwendbar ist. Dies ist relevant für Ehepartner mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten oder wenn sich der erste gemeinsame Wohnsitz nach der Eheschließung im Ausland befindet.
Die Ehegatten können vor, bei oder nach der Eheschließung das für sie maßgeblichen Recht im Rahmen der Artikel 22 ff der EuGüVO selbst wählen, ändern oder aufheben. Grundsätzlich kann das Recht des Staates gewählt werden, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten hat.
Die Europäische Union begründet durch die verschiedenen EU-Verordnungen die Rechtswahlfreiheit der Bürger im Interesse einer größeren Rechtssicherheit, einer besseren Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts und einer größeren Entscheidungsfreiheit des Einzelnen. Derartige Rechtswahlmöglichkeiten waren früher weder im deutschen noch im portugiesischen nationalen Recht vorgesehen.
Sofern die Ehegatten nichts anderes vereinbaren, gilt eine während der Ehe vorgenommene Änderung des auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Rechts nur für die Zukunft. Eine rückwirkende Änderung des anzuwendenden Rechts können die Ehegatten vereinbaren, jedoch darf die Änderung die Ansprüche Dritter, die sich aus diesem Recht ableiten, nicht beeinträchtigen.
Eine Rechtswahlvereinbarung führt i.d.R. auch zu einem Güterstandswechsel. Die Formvorschriften für die Rechtswahlvereinbarung sowie für die Vereinbarung über den ehelichen Güterstand sind im Einzelnen in den Artikeln 23 bis 25 EuGüVO geregelt.
Haben die Ehegatten keine Rechtswahlvereinbarung gemäß Artikel 22 EuGüVO getroffen, so unterliegt der eheliche Güterstand gemäß Artikel 26 Absatz 1 EuGüVO dem Recht des Staates,
(a) in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder andernfalls
(b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzen, oder andernfalls
(c) mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden sind.
In diesen Fällen sollten die Ehegatten prüfen, ob das aufgrund der EuGüVO bestimmte anwendbare Recht ihren Interessen entspricht und erforderlichenfalls eine davon abweichende Rechtswahl treffen.
Da Sie Ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal hatten, kommt portugiesisches Recht zur Anwendung, wenn Sie keine anderweitige Rechtswahl treffen, etwa zugunsten des Rechts des deutschen Staates, dessen Staatsangehörigkeit Sie besitzen.
Der gesetzliche Güterstand in Portugal ist die Errungenschaftsgemeinschaft, sofern kein wirksamer Ehevertrag vorliegt, mit dem ein anderer Güterstand, beispielsweise Gütertrennung, vereinbart worden ist.
In der Errungenschaftsgemeinschaft gibt es eigene Güter und Gemeinschaftsgüter. Das von den Ehegatten während des Bestehens der Ehe erworbene Vermögen, sofern es nicht vom Gesetz ausgenommen ist und in das Eigengut eines Ehegatten fällt, wird Gemeinschaftsgut der Ehegatten. Zu den eigenen Gütern zählt vor allem das Vermögen, das jeder Ehegatte bereits vor der Eheschließung besaß und das er während der Ehe durch Schenkung oder Erbschaft erwarb.
Mit der Auflösung der Ehe wird die Teilung (partilha) des ehelichen Gemeinschaftsgutes durchgeführt und festgestellt, wer Eigentümer welches Vermögensgegenstandes ist.
Demgegenüber gibt es im deutschen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft kein Gemeinschaftsgut.
Gemäß § 1363 Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches werden das Vermögen des Ehemannes und das Vermögen der Ehefrau nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. In der deutschen Zugewinngemeinschaft gilt somit der Grundsatz der Vermögenstrennung. Erst bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft findet der Zugewinnausgleich in Form eines schuldrechtlichen Zahlungsanspruchs gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten statt.
Sie können also entsprechend Ihren Bedürfnissen und Wünschen eine entsprechende Rechtswahl zugunsten eines Güterstandes, auch der Gütertrennung, treffen.
Text: RECHTSANWALT WALDEMAR HÜHN in ESA 02/2020