Umstrittenes Register
Zur Umsetzung einer EU-Direktive gegen Kindesmissbrauch hat Portugals Regierung den Entwurf für eine Strafrechtsänderung zur Diskussion vorgelegt. Zusätzlich wurde die Schaffung eines zentralen Registers einschlägig vorbestrafter Personen vorgeschlagen, das auch Erziehungsberechtigten von Kindern unter 16 Jahre zugänglich sein sollte
Im November 2011 verabschiedeten die EU-Justizminister die Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, die ein härteres Vorgehen gegen Sexualstraftäter und Kinderschänder vorsieht. Die Mitgliedsstaaten erhielten damit einen komplexen Katalog von Straftaten und Präventionsmaßnahmen in die Hand und zwei Jahre Zeit, das Strafrecht anzupassen. Mit neun Monaten Verspätung stellte nun Portugal einen Entwurf vor, der sogar über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht. Zu den wichtigsten vorgesehenen Änderungen des portugiesischen Strafrechts gehört eine Erhöhung des Strafmaßes, wenn die Straftat von einem Familienmitglied oder einer Person begangen wurde, die das Vertrauensverhältnis oder die Autorität missbraucht hat, sowie wenn das Kind unter 16 Jahre alt ist. Sexualstraftäter sollen zwischen 5 und 20 Jahre von beruflichen Tätigkeiten ausgeschlossen werden, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt. Während die EU-Richtlinie vorsieht, dass betroffene Arbeitgeber das Recht haben, über bestehende Verurteilungen oder über bestehende Verbote der Ausübung bestimmter Tätigkeiten in- formiert zu werden, sieht der portugiesische Entwurf unter Strafandrohung die Pflicht des Arbeitgebers vor, ein Führungszeugnis der Bewerber einzuholen. Arbeitgeber, die einen vorbestraften Sexualtäter wissentlich für Tätigkeiten, die Kontakte mit Kindern beinhalten, engagieren, sollen mit einem Jahr Haft bestraft werden. Die Kontaktaufnahme mit Kindern durch Informations- und Kommunikationstechnologie zu sexuellen Zwecken soll mit zwei Jahren Haft geahndet werden. Zuletzt ist die Schaffung eines Zentralregisters aller Sexualstraftäter und Kinderschänder geplant, das nicht nur den nationalen und internationalen Behörden sowie den Sicherheitskräften zugänglich sein soll, sondern nach Antragstellung bei der lokalen Polizeiwache auch Eltern von unter 16-Jährigen, die wissen wollen, ob in ihrer Nachbarschaft ein Pädophiler lebt. Sollte dies umgesetzt werden, wird Portugal das zweite EU-Land mit einem solchen Register sein. Den Anfang machten die USA 1994 nur wenige Monate nach dem Tod von Megan Kanka. Die Siebenjährige wurde von ihrem Nachbarn, einem vorbestraften Sexualtäter, missbraucht und ermordet. Ihre Eltern kämpften für die Erfassung vorbestrafter Sexualtäter und Kinderschänder in einem Verzeichnis. Das als Megan ́s Law bekannte Gesetz ist in allen USA-Staaten gültig, nur der Zugang zu diesem Register variiert. In Kalifornien ist das Register allen Personen frei zugänglich. Das bislang einzige Land in Europa mit einem vergleichbaren Gesetz ist England. 1997 wurde erstmals ein Index erstellt, in das lediglich Behörden Einblick hatten, doch nachdem im Sommer 2000 die achtjährige Sarah Payne vergewaltigt und tot auf- gefunden wurde, forderte die Öffentlichkeit den Zugang zum Index. Der Presse gelang es, auf die Liste zuzugreifen und veröffentlichte Fotos und Adressen von vorbestraften Sexualtätern, was zu gewalt- tätigen Protesten führte. Selbst Unschuldige, die Pädophilen ähnlich sahen, wurden schwer angegriffen. Nach einem Pilotprojekt im Jahr 2008 trat 2011 dann das Gesetz in Kraft, laut dem alle Bürger das Recht haben, die Polizei zu fragen, ob eine Person, die regelmäßig Kontakt zu Kindern hat, ein vorbestrafter Pädophiler ist. Die Polizei soll bislang jedoch lediglich in 7 Prozent der Fälle Auskunft gegeben haben. 28.000 Namen sind im Register eingetragen. Die französischen Behörden führen seit 2005 ein solches Verzeichnis, gewähren jedoch den Bürgern keinen Einblick. Die Frage ist, ob durch eine solche Liste das Risiko von Wiederholungstaten tatsächlich verhindert wird oder ob dies lediglich eine Verlängerung der Strafe bedeutet und eine Reintegration der Sexualstraftäter in die Gesellschaft verhindert. Laut der Wochenzeitung Expresso wurden in Portugal in den letzten 10 Jahren 2.349 Personen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. 97 Prozent davon sind Männer, 10 Prozent unter 30 und über 65 Jahre alt. Die Zahl soll stets gestiegen sein und 2012 soll es zu einer Verurteilung pro Tag gekommen sein.
Anabela Gaspar