Unterstützung für portugiesische Kleinerzeuger
Seit 2013 gibt es im Raum Stuttgart von Dezember bis Mai alle fünf Wochen frisches Obst aus der Algarve. Verantwortlich dafür ist Matthias Kästner, ein Portugal-Fan und engagierter Bürger, der dadurch die Bauern der Algarve unterstützen will
Seit 28 Jahren besucht Matthias Kästner regelmäßig die Region und kennt sich dementsprechend gut aus. 2012 verbrachten er und seine Frau über Weihnachten vier Wochen Urlaub an der Westküste. In der Zeit lernten sie einige Kleinbauern kennen und hörten von deren schwieriger Situation fair für ihre Arbeit entlohnt zu werden. Auf dem Rückweg nahm Matthias dann einige Kisten Orangen mit nach Deutschland. Eine kleine Geste, die sich zu einer wichtigen Unterstützung und regelmäßigen und blühenden Geschäftsverbindung entwickelte. Die Orangen waren schnell verkauft und die Reaktion der Käufer war: „Nachdem wir diese Orangen probiert haben, wollen wir keine anderen mehr“, erinnert er sich. Also fragte Matthias Freunde und Bekannte, wer regelmäßig Interesse an „fair gehandelten, unbehandelten Orangen aus Portugal“ hätte. Die Nachfrage war groß und so erfolgte eine erste „offizielle“ Auslieferung im März 2013. Damals war der Plan, vier mal im Jahr mit einem kleinen Anhänger Orangen aus Algarve zu holen. Mittlerweile fährt Matthias ca. sechs Mal im Jahr in die Region und engagiert für den Transport eine Spedition. Bei der zweiten Lieferung nahm Matthias auch schon Honig und Erdnüsse mit nach Deutschland. „Es war einfach ein Selbstläufer“, erzählt er stolz und gut gelaunt. Im Sommer 2013 kam dann die Frage, wie man das Projekt nennen sollte. „Mir kam der Gedanke, dass die Portugiesen ein Lieblingswort haben: pois. Eine positive Bejahung von Ereignissen und Gegebenheiten. Das passte einfach zum Projekt“. Ziel von pois ist es, ehrlich und nachhaltig produzierte Lebensmittel von Kleinerzeugern und Landwirten aus Portugal in der Direktvermarktung im Großraum Stuttgart dem Endverbraucher anzubieten und dabei den Erzeuger fair für seine Arbeit zu entlohnen. Laut Matthias erhalten die Bauern das Vierfache dessen, was sie am portugiesischen Großmarkt dafür erzielen würden. Sérgio Silva von der Quinta do Barranco bei Algoz bestätigt dies. Matthias zahlt das Doppelte für die Orangen und übernimmt zudem die Kosten für die Kisten und den Transport, so dass diese für Sérgio Silva entfallen, seine Gewinnspanne also das Vierfache von dem ist, was er von Supermärkten in Portugal erhält. Für den jungen Unternehmer, der 2008 das 20 Hektar große Landgut seines Vaters übernahm, ist die Zusammenarbeit mit pois „ein Segen“. Wer die beiden Männer zusammen sieht, merkt auch, dass die Verbindung nicht nur geschäftlich, sondern auch freundschaftlich ist. Trotz Sprachbarriere verstehen sie sich blendend. Rosa Dias, die treibende Kraft hinter der Bio-Farm Quinta da Fornalha in São Bartolomeu do Sul bei Castro Marim ist ebenfalls sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. Seit September 2013 nimmt Matthias ihr getrocknete Feigen, Feigenchutneys, -marmelade und -trüffel, Johannisbrotmarmelade und -butter sowie Meersalz ab. Dieses Jahr wird sie ihm auch erstmals frische Biofeigen liefern. Rosas Konzept, bei dem Respekt gegenüber der Natur die goldene Regel ist, gefiel Matthias auf Anhieb und er wurde zu einem ihrer größten Kunden. Rosa war ebenfalls von Matthias ́ Unternehmen begeistert. „pois ist ein sehr lobenswertes Projekt. Nicht nur wirtschaftlich gesehen, sondern auch was das Soziale und natürlich die Nachhaltigkeit betrifft”. Sérgio und Rosa beweisen, dass Matthias aktiv portugiesischen Bauern und Kleinerzeugern hilft. „Die Welt kann ich nicht ändern“, sagt er ernst, „und Großmärkte wird es immer geben. Aber mit pois zeige ich, dass man es auch anders machen kann“. Matthias ist auch bemüht, weitere Kontakte für sie zu knüpfen. Der Winnender arbeitet nicht nur mit bestehenden Produzenten, sondern verhilft auch anderen dazu, selbstständig zu werden. Nachdem seine Frau Christine Orangen-, Orangen mit Mandellikör- und Zitronen-marmelade machte und diese ebenfalls positive Reaktionen verzeichneten, kam Matthias auf die Idee, hausgemachte Produkte anzubieten und sprach mit einigen Menschen in der Algarve, die nun regelmäßig für pois Marmeladen und andere Brotaufstriche, Chutneys, Kekse, u.v.m. herstellen. Inzwischen kooperiert pois mit 57 Erzeugern. „Der eine kennt den anderen, der den nächsten und so wuchs der Kreis“. Sérgio kam durch den Kistenproduzenten dazu, Rosa über António, den Erdnussbuttererzeuger aus Aljezur. Die meisten sind aus der Algarve. Lediglich die Olivenpaste kommt aus dem Ribatejo und das Olivenöl aus dem Alentejo. Das frisch geerntete Obst und Gemüse wird dann schnellstmöglich nach Deutschland geliefert. Mittlerweile gibt es 14 Abholstellen im Raum Stuttgart. Hauptstelle ist das Theaterhaus in Stuttgart. Dort organisieren Matthias und Christine alle fünf Wochen einen portugiesischen Markt, der von 800 bis 1.000 Menschen besucht wird. „Die Lebensmittel werden wie in einer portugiesischen Markthalle ausgelegt, es gibt portugiesisches Frühstück mit Galão, frischgepressten Orangensaft und süße Naschereien, und die Besucher können alle Produkte an unserer Verkostungstheke zu original portugiesischer Musik probieren“, so Matthias. Bei jedem Markt wird auch ein bestimmtes Produkt vorgestellt und dazu gibt es Rezeptvorschläge, wie z.B. für Dicke Bohnen, Tamarillos oder Süßkartoffeln. Demnächst soll es auch eine Webseite und einen online-Shop geben. Diese war die Lösung, die Matthias fand, um der Nachfrage außerhalb Stuttgarts nachkommen zu können. „Mit Ausnahme der frischen Ware werden unsere hausgemachten Produkte so nach ganz Deutschland geliefert werden können.“ Seit Ende April ist unter www. facebook.com/poisprojekt auch ein kleiner Dokumentarfilm über pois abrufbar. „Viele unserer Kunden wollten mehr über die Bauern, deren Produktion und Situation wissen. Daher begleitete mich der Filmproduzent Thiemo Hehl im März nach Portugal, dokumentierte die Treffen mit den Erzeugern, die Ernte, den gesamten Ablauf und machte einen kleinen Dokumentarfilm“, erklärt Matthias, der auch hofft, dass der Beitrag den einen oder anderen dazu anregt, die Algarve zu besuchen.
Anabela Gaspar
ESA 05/14