Heute wie damals
Zu dieser Jahreszeit trifft man in der Algarve oft Männer und Frauen bei der Olivenernte. Die Zeiten haben sich geändert, dennoch werden die kleinen Früchte des Ölbaums nach wie vor von Hand geerntet.
Obwohl die Sprichwörter besagen „Não apanhe a azeitona antes de S. Nicolau porque deixa o azeite no pau“ (es soll nicht vor dem Nikolaustag geerntet werden, sonst bleibe das Olivenöl im Baum) und „Quem varejar antes do Natal deixa azeite no olival“ (wer vor Weihnachten ernte, lasse das Öl im Olivenhain), beginnt in der Algarve die Olivenernte Ende Okober. Abhängig von den Wetterbedingungen kann diese bis Januar dauern. Die traditionelle Art der Ernte in der Algarve besteht aus dem „Herabschlagen“ der Früchte. Meistens steht der Mann unter dem Olivenbaum und vareja, beziehungsweise schlägt die Äste mit Hilfe eines vara, einem langen Holzstock. Unter dem Baum liegt ausgebreitet ein feinmaschiges Netz, das sogenannte Pano (Lappen), auf das die Oliven fallen. Für die niedrigeren Äste kann auch ein Rechen benutzt werden, mit dem die Oliven von den Zweigen abgestreift werden. Danach werden die Früchte von gröberen Ästen, Zweigen und Blättern befreit, aufgesammelt und in Leinensäcke oder Eimer gefüllt. Dies ist meist die Aufgabe der Frauen. Anschließend wird das Netz unter den nächsten Baum verlegt und so geht die Arbeit voran. Dies ist sicher nicht die einfachste Methode, „ganz im Gegenteil“, sagt Carlos Tolentino aus Santa Catarina da Fonte do Bispo. „Es ist mühsam und mit großer körperlicher Anstrengung verbunden“. Oft gibt es jedoch keine andere Möglichkeit. Nicht nur weil sich die meisten Olivenbauern den Kauf oder die Anmietung sogenannter Rüttelmaschinen nicht leisten können und die Investition sich bei geringeren Mengen sowieso nicht lohnt, sondern weil diese Maschinen nur im flachen Gelände eingesetzt werden können. „Was im Hinterland der Algarve natürlich nicht vorkommt“, sagt Carlos lächelnd. Typisch in der Algarve sind nicht die großen Plantagen, sondern eher kleine, in den Hügeln verstreute Grundstücke, auf denen vielleicht zehn Olivenbäume stehen und die oft nur zu Fuß erreichbar sind. „Zudem liegen die Grundstücke oft zwischen Anwesen von anderen Personen und sind durch alte Steinmauern begrenzt. Dem Nachbarn wird es sicher nicht passen, wenn wir mit einem Traktor über sein Grundstück fahren und die Mauern zerstören“, erklärt Carlos weiter. Aber er gibt zu, dass die Maschinen sehr hilfreich wären. Wie das Wort „Rüttelmaschinen“ impliziert, werden die Oliven bei dieser Erntemethode mit einem Rüttler, der den Stamm des Baumes mit einer Zange greift, vom Baum „geschüttelt“ und in darunter gespannten Netzen oder Planen, die einem umgedrehten Regenschirm gleichen, aufgefangen. Mit anderen Worten: Null manuelle Arbeit. Etwas leichter wurde die Olivenernte dank Einsatz mechanischer Geräte wie der „Vibroli“, eine Art Stange mit beweglichen, zirka 20 Zentimeter langen Stäbchen. In der Kooperative der Landwirte von Santa Catarina können diese vibrierenden, langen Rechen zu einem symbolischen Preis gemietet werden. „Es schädigt weder die Bäume noch die Früchte und beschleunigt den Ernteprozess“, fasst Luís Madeira von der Kooperative zusammen. Dieses Jahr rechnet Carlos mit weniger Oliven als 2012. „Viele werde ich nicht ernten“, sagt er resigniert. Früher gehörte seine Familie zu den finanziell etwas besser Gestellten in der Gemeinde, die zu der Erntezeit stets Arbeiter engagierte. Doch der Olivenbau wurde immer weniger rentabel und nachdem die jungen Menschen wegzogen und die Alten es nicht mehr schafften, gaben viele die Lese auf. „Heute erntet jeder seine eigenen Bäume. Die meisten nur für den Eigenbedarf für ein Jahr“, erklärt Carlos. Der Verkauf rentiert sich nicht, meint er. Die Olivenbauern erhalten pro Liter nur zirka zwei Euro. „Doch für einen Liter Olivenöl sind zirka sechs Kilogramm Oliven und starker manueller Arbeitsaufwand nötig, und die Arbeitskräfte verlangen pro Stunde weit über zwei Euro“.
Anabela Gaspar
ESA 11/13