Die Ausgrabungsstätte Cerro da Vila veranschaulicht die ästhetische Lebenskultur wohlhabender Römer im Altertum und ist dank eines Zufalls den Bauplänen in Vilamoura nicht zum Opfer gefallen
Rom belohnt keine Verräter, verkündete der Henker kurz vor der Hinrichtung der drei Meuchelmörder, die den von den Römern gefürchteten Heerführer und König von Lusitanien Viriato im Schlaf überraschten und niederstreckten, und anschlie-ßend in Rom auf ihre Belohnung hofften. Mit Viriatos Tod erlosch die Flamme des Widerstandes der Lusitaner gegen die Römer und die römischen Invasoren breiteten sich entlang der Algarve-Küste durch den Alentejo bis nach Lissabon aus.
Sie bauten Häfen, Brücken und Aquädukte, legten Meersalzsalinen an, gruben Stollen und Minen, kultvierten die Landwirtschaft und den Weinanbau und schufen ein befestigtes Via-Romana-Straßennetz zwischen ihren Hauptstützpunkten. In Lissabon schufen die neuen Herrscher in Lusitanien eine außerrömische Vorzeige-Metropole nach dem Vorbild der berühmten antiken Römerstädte Volubilis bei Meknés im heutigen Marokko und Itálica in der Nähe von Sevilla. Aber auch die Algarve gewann als Marktplatz und als Tor zum römischen Mare Nostrum für die römischen Herrscher an Bedeutung. Allem voran der Export des weißen Goldes, das Meersalz aus Castro Marim und Tavira, füllte die Kasse der römischen Händler und sorgte gemeinsam mit dem Abbau und Verkauf von Eisen und Kupfer aus den Minen im südlichen Alentejo für prosperierenden Handel zwischen Rom und Lusitanien.
Das dritte wirtschaftliche Standbein der Römer war die Fisch verarbeitende Industrie, sprich das Haltbarmachen von Frischfisch mit Salz sowie die Verarbeitung von Fischen wie Thunfisch und Makrele einschließlich ihrer Eingeweide und kleine Krustentiere zu einer pikant konzentrierten Delikatesspaste namens Garum. Diese Paste galt während der Ägide von Kaiser Julius Cäsar in der damals in Rom eben aufkeimenden Gourmetküche als kulinarisch letzter Schrei und wurde in winzigen Mengen zu Höchstpreisen gehandelt.
Die Nachfrage nach dem Konzentrat aus der Provinz stieg unaufhaltsam und binnen kurzer Zeit entstanden entlang der Algarve-Küste über ein Dutzend Garum-Fabriken. Eine davon befand sich im heutigen Vilamoura in der bis anno eher unbedeutenden römischen Siedlung Cerro da Vila im Schwemmgebiet an der Mündung des Flüsschens Ribeira de Quarteira. Für die Trinkwasserversorgung in ihrem Dorf und zur Bewässerung der Felder, bauten ansässige Römer flussaufwärts in Vale Tesnado einen Staudamm. Der immense Wasserreichtum des Ortes und die Nähe zum Meer, sorgte im zweiten Jahrhundert n. Chr. dafür, dass reiche Händler aus dem heutigen Faro die kleine Siedlung Cerro da Vila in eine römische Badekultur-Oase mit herrschaftlicher Villa und Garum-Fabrik verwandelten.
Mehrere fast noch vollständig erhaltene Mosaikfelder, Säulensockel und im Museum ausgestellte, mit Fresken dekorierte Wand-stücke des ehemaligen römischen „Mosaikhaus“, bezeugen die ästhetische Lebenskultur der Römer sowie die Beliebtheit der Villa unter der damals sporadisch in der Algarve anwesenden römischen Hautevolee, die hier vor 1.800 Jahren in kunstvoll mit Mosaiken ausgelegten Schwimmbassins mit Blick auf den Atlantik badeten. Die wie Teppiche gestalteten Mosaike am Boden zeigen unterschiedliche geometrische Muster sowie zwei verschiedene Mosaiktechniken. Im Korridor bedecken einfache geometrische Rauten den Laufgang. Hier wurde offensichtlich weniger Wert auf kunstvolle Arbeit gelegt, als in den Gesellschaftsräumen, deren Böden mit facettenreichen Blumenmotiven und wellenartigen Ketten vierfarbig und mit dicht aneinander gelegten winzigen Steinen nach Vorbild maghrebinischer Mosaikschulen geschmückt sind.
Beinahe wäre der Mosaikschatz sowie überhaupt die gesamte einstige römische Villa mit Badeanstalt der Städteplanung von Vilamoura zum Opfer gefallen, wenn nicht der portugiesische Archäologe José Farrajota während eines Spaziergangs im Sommer 1963 zufällig über eben diese römischen Mosaike gestolpert wäre und bei der Kulturerbe-Behörde Direcção-Geral do Património Cultural archäologische Ausgrabungen beantragt hätte. Durch baren Zufall also erhielt die von dem legendären portugiesischen Archäologen Estácio da Veiga bereits 1878 in seinem Werk über die Monumente der Antike in der Algarve, Carta Arqueológica do Algarve, erwähnte Villa Romana Cerro da Vila, endlich ein Gesicht.
Über einen Fußweg vom Yachthafen aus erreichbar, breitet sich die archäologische Station eingefriedet von Zypressen und einem durchgehenden Zaun auf einem Hügel aus. Die zuständige Betreibergesellschaft Vilamoura-World hat das Gelände mit Ausgrabungsstätte von der Stadtverwaltung vor einigen Jahren übernommen. Die Gesellschaft hat das Museum in der Anlage renoviert und mit einer Reihe neuer Fundstücke eingerichtet. Die Grundmauersockel der altertümlichen römischen Residenz samt Nebengebäude, Badeanstalt und Garum-Fabrik, schmiegen sich, zwischen dicht gewachsene Rasenflächen, in einen sanft hügeligen Park. Der Eingang durch das hauseigene Museum befindet sich zweihundert Meter neben der Post in der Avenida Cerro da Vila, mittendrin im Tourismuskosmos, rund um den mondänen Yachthafen von Vilamoura. Der Rundgang durch die archäologische Station beginnt hinter dem Museum am einstigen Wohnkomplex mit Gelehrtensaal, Speisezimmer und Schlafzimmer, angeordnet rund um eine Brunnenanlage, die im Sommer erfrischende Kühle verschaffte. Jede einzelne Station in der römischen Villa ist in einem Faltblatt mit Karte gekennzeichnet und zusätzlich auf einer Tafel auf Portugiesisch und Englisch erklärt. Vorbei am Mauersockel eines sechseckigen Wachturms mit Blick auf den heutigen Yachthafen, gelangt man zu einer nur noch fragmentarisch vorhandenen Olivenölpresse und zur Rückseite des einstigen Wohnkomplexes. Hier befand sich der Heizungskeller. Die noch vorhandenen niedrigen Bögen gehörten zu einem ausgeklügelten Tunnelsystem zur Beheizung der Fußböden in der Villa. Hierfür wurde Wasser in einem großen, zentral gebauten Becken erhitzt, und der Dampf durch schmale, symmetrisch in den Fußboden eingelassene Tunnel in sämtliche Wohnräume der Villa geleitet. Der Heizungskeller diente außerdem der Beheizung der Badeanstalt und der Dampfsauna im anschließenden Komplex mit Tauchbecken und Schwimmbassin. Der Weg durch die Bade-Oase mit altertümlichen Jacuzzis und Ruheräumen, führt durch den Park zu mehreren Salzbecken, in denen Fisch gepökelt wurde und weiter zum sogenannten Totenturm. In der Mitte des bis auf den Boden zerstörten Mausoleums erkennt man eine Krypta im Boden eingelassen, mit mehreren Nischen für Urnen. Erdgräber befanden sich in einer nahe liegenden eigenen Nekropole.
Der Rundgang durch die archäologische Station endet im Museum, wo umfangreiche Fundstücke die urbane Entwicklung der römischen Villa belegen. Die sorgfältig dokumentierte Aufbereitung in der Anlage bringen dem Besucher die Lebenskultur der Römer in diversen Bereichen anschaulich, populärwissenschaftlich näher und machen die Villa Romana Cerro da Vila zu einem attraktiven Ziel auf der Sehenswürdigkeiten-Liste der Algarve.
Villa Romana Cerro da Vila
Estação Arqueológica
Avenida Cerro da Vila 2
8125-507 Quarteira
Di – So 9.30 – 12.30 Uhr, 14 – 18 Uhr
Tel. 282 312 153
Römische Ausgrabungsstätten in der Algarve:
· Ruínas de Milréu, Estoi, Faro, Di – So 9.30 – 13 Uhr, 14 – 17 Uhr, Tel. 282 997 823
· Estação Arqueológica Romana da Praia da Luz, Lagos, Avenida dos Pescadores
Weitere römisch archäologische Fundstätten befinden sich in:
· Villa Romana Abicada, Ria de Alvor, Alvor
· Zwei Original Via-Romana Trassen A Calçadinha, São Brás de Alportel
· Villa Romana mit Fischfabrik, Boca do Rio, Budens, Lagos
· Ponte Romana, römische Brücke in Quelfes
· Römische Vorort-Siedlung im Keller in der Stadtbibliothek in Silves
Römische Ausgrabungsstätten im südlichen Alentejo:
· Römische Monumente, Nekropole mit Siedlung, Thermen und Tempel in Mértola
· Villa Romana im Keller im Rathaus von Mértola
· Miróbriga, Santiago do Cacém
· Römisch-maurische Festung Circuíto arqueológico da Cola, Ourique
· Villa Romana de Pisões, Beja
· Sítio Arqueológico de São Cucufate und Casa do Arco, Vidigueira, Beja
· Ponte Romana, römische Brücke in Almodôvar
· Römischer Diana-Tempel, Thermen und Stadtmauerreste in Évora
· Villa Romana de Tourega, Alcáçovas
Text: Catrin George in ESA 02/2018
Fotos: Catrin George, Gabi Zwingmann