Im sogenannten Geheimvertrag von Fontainebleau im Jahr 1807 versprach Napoleon dem spanischen Premierminister Manuel de Godoy die Übereignung des Königreiches der Algarven nach der Kapitulation Portugals, aber es kam alles ganz anders
Nach der niederschmetternd verlorenen Seeschlacht der französischen Armada 1805 bei Trafalgar gegen den britischen Vize-Admiral Horatio Nelson, rückte Napoleons Vision, eine Kontinentalsperre mit Wirtschaftsblockade gegen das Vereinigte Königreich England entlang der südwest-europäischen Küste zu errichten, vorerst in weite Ferne. Das von Napoleon an den portugiesischen König D. João VI gestellte Ultimatum im Juli 1807, dem Vereinigten Königreich den Krieg zu erklären, lehnte Portugals Regent rigoros ab, denn Portugal brauchte die Briten. Einen möglichen Verlust der nationalen Souveränität sowie die Kontrolle über die Kolonien und die damit verbundenen Einbußen der größten Einnahmequellen, war ein definitiv zu hoher Tribut, um eine Invasion der Franzosen zu vermeiden. Zur Sicherheit seines Volkes erließ König D. João VI ein Dekret, in dem er seiner Nation auferlegte, die Franzosen freundlich gesinnt zu empfangen. Die Portugiesen reagierten mit gemischten Gefühlen auf das Dekret, die Aussicht unter französischer Militärhoheit zu stehen, behagte ihnen ganz und gar nicht. Der spanische Premier Godoy half Napoleons Truppen hingegen nur allzu gerne, erst Lissabon und anschließend die Algarve zu besetzen, spekulierten er und König D. Carlos IV von Kastilien doch auf ein Groß-Königreich auf der iberischen Halbinsel und ließen bereits neues Münzgeld gießen.
Napoleon verfolgte jedoch ganz andere Ziele. Deswegen befahl er schon zehn Tage vor Unterzeichnung des Vertrages von Fontainbleau General Junot in Lissabon einzufallen und von dort weiter in die Algarve vorzurücken. Als General Junot im Februar 1808 in Faro einmarschierte wurde er vom Bischof von Faro mit einem Gala-Dinner begrüßt. Junot besetzte das ehemalige Santiago-Maior Kolleg und heutige Teatro Lethes und richtete dort die französische Militärbasis ein. Anschließend erließ er horrende Steuern auf den Fischfang sowie alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die, als sogenannte Prato do Governador francês erhoben, in die Taschen der französischen Invasoren flossen. Damit erzeugten die Besatzer sofort großen Unmut bei Bauern und Fischern. Im Mai 1808 brach Napoleon als nächstes offiziell den Vertrag von Fontainebleau und sein Versprechen Spanien gegenüber, rief das Königreich der Algarven zum französischem Hoheitsgebiet aus und setzte als I-Tüpfelchen seinen älteren Bruder Joseph Bonaparte auf den spanischen Thron. Am 12. Juni forderte General Junot in einer Bekanntmachung die Bürger von Olhão dazu auf, zu den Waffen zu greifen und in Andalusien, Seite an Seite mit den Franzosen, gegen die Spanier zu kämpfen.
Die Neuigkeiten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Entrüstet über diese dreiste französische Ignoranz, platzte den Angehörigen der Fischergemeinschaft Compromisso Marítimo de Olhão am Abend gleichen Tages, in der Kirche während der Messe, vollends der Kragen. Zuerst die zusätzliche Steuerlast und jetzt den Freischein in den Tod. Wütend rissen sie sämtliche Tücher ab, die, nach Anordnung der französischen Besetzer, religiöse und königliche Zeichen der Seitenaltäre bedeckten, und riefen laut „Es lebe der König und seine Familie“.
Angestachelt von der Flamme des Aufbegehrens schmiedeten die Fischer von Olhão rebellische Pläne gegen die Franzosen und bekamen überraschend Unterstützung von Coronel José Lopes de Sousa aus Vila Real de Santo António. Nach der heiligen Messe vier Tage später an Fronleichnam am 16. Juni, riss der Coronel empört die Bekanntmachung Junots` vom Kirchentor, richtete einen feurig patriotischen Appell an die Fischergemeinschaft von Olhão, sich gegen die Invasoren zu erheben und wurde einstimmig zum Rebellenführer ernannt.
Der Gemeindepfarrer Padre Malveira hisste, angesteckt vom Enthusiasmus seiner Gemeinde, die königliche Flagge am Kirchturm. Die in Olhão dienst-habenden französischen Wachen wurden eingesperrt, der Wachposten an der Hafenfestung Armona überwältigt. Am 18. Juni erreichte den Rebellenführer Coronel Sousa eine geheime Nachricht, dass drei französische Segelschiffe auf dem Weg nach Faro seien. Zusammen mit desertierten portugiesischen Soldaten positionierten sich die rebellischen Fischer an der Hafeneinfahrt Barra Velha, überfielen die drei Schiffe aus dem Hinterhalt, nahmen über hundert französische Soldaten gefangen und beschlagnahmten deren Waffen und Munition.
General Maurin, Kommandant auf französischer Seite und stationiert in Faro, versuchte die Rebellen in Olhão mit verheißungsvollen Versprechungen, von wegen Steuererleichterung und finanzieller Unterstützung ihrer Fischerflotte, zur Aufgabe ihrer -Revolte zu bewegen, aber darüber konnten diese bloß lachen. Französische Versprechen kannten sie bereits zur Genüge und antworteten dem General tens mais artes que os Bonapartes, was soviel bedeutet wie, „du kannst es noch besser als die Bonapartes“. Die von Maurin in der Zwischenzeit zu Hilfe gerufenen französischen Infanteristen aus Südspanien, scheiterten zunächst gegen die Rebellen an der Brücke in Quelfes zwischen Olhão und Moncarapacho. Erst als den Portugiesen die Munition ausging, schafften es die Franzosen die Rebellen zurückzudrängen und in Olhão einzukesseln. Derart umzingelt, erwarteten die Olhanenses das Schlimmste und übergaben ihr Schicksal gottestreu dem Gemeindepfarrer, der in Windeseile eine List ersann. Im Schutz der Nacht nähten die Frauen der Fischer und Bauern mit flinken Fingern rote Röcke und die Rebellen und ihre Frauen verkleideten sich als „britische Soldaten“.
Als die Franzosen am Morgen des 19. Juni von Faro Richtung Olhão vorrückten, entdeckten sie zu ihrem Entsetzen überall entlang der Küste im Gebüsch „Rotröcke“ versteckt, und glaubten, es wären britische Soldaten in ihrer roten Uniform. Aus Angst davor, in einen Hinterhalt zu geraten, legten sich die Franzosen auf die Lauer und warteten ab. Zurück nach Faro konnten sie nicht mehr, denn dort formierte sich in der Zwischenzeit eine eigene Revolte gegen die Invasoren. Drei Tage lang dauerte die Belagerung und endete letztendlich mit einem Rückzug der Franzosen Richtung Mértola. Das Husarenstück der Rebellen von Olhão und ihrer Frauen war vollbracht. General Maurin wurde überwältigt und zusammen mit seinen Offizieren als Pfand in Gefangenschaft gehalten, bis die Restaurierung der Algarve bestätigt und besiegelt war.
Der Freudentaumel über ihre Befreiung war so groß, dass 15 Männer aus Olhão plus Kapitän und Steuermann, mit einer rudimentären Seekarte, Proviant und Trinkwasser ausgestattet, am 6. Juli an Bord des Einmastbootes Bom Sucesso in See stachen, um ihrem in Rio de Janeiro im Exil befindlichen König D. João VI die Botschaft von der siegreichen Restaurierung der Algarve zu überbringen. Die Überquerung des atlantischen Ozeans, mit dem für das ruhige Mittelmeer erbauten Einmaster, glich einem Himmelfahrtskommando, begleitet von heftigen Stürmen, geprägt von Hunger und Durst und von der andauernden Furcht vor Piraten. Doch die rebellischen Olhanenses fürchteten weder die Stürme des Meeres, noch Piraten, im Gegenteil, für sie war der Einmaster die Argo aus der griechischen Argonauten-Sage und sie die Argonauten auf ihrem Wellenritt nach Brasilien, wo sie am 22. September eintrafen.
Die tollkühnen Siebzehn wurden in Rio festlich begrüßt und ihre Loyalität ihrem König gegenüber reich belohnt. Olhão wurde am 15. November 1808 zur Vila de Olhão da Restauração erhoben und die Rebellen mit dem Orden für Tapferkeit geehrt. Die Original Bom Sucesso stand in Erinnerung an die Argonauten-Fahrt der Portugiesen bis 1841 im Marinemuseum von Rio de Janeiro ausgestellt und bleibt seither verschwunden.
Dank der Revolte von Olhão und dem militärischen Geschick des britischen Brigade-Generals Graf Wellington und dessen General William Beresford an der Front gegen Napoleons Truppen im Norden Portugals, rückten die französischen Invasoren in den folgenden vier Kriegsjahren zwischen Portugal, England und Frankreich, kein zweites Mal bis in die Algarve vor.
Tipps:
Im Park Jardim dos Pescadores westlich der Markthalle erinnert ein Fliesenbild an die Überfahrt nach Brasilien. Am Kai vor der Markthalle liegt der nachgebaute Einmaster Bom Sucesso.
An der Brücke in Quelfes hängt eine Gedenktafel in Erinnerung an die Schlacht am 18. Juni 1808 und ein Fliesenpaneel stellt die Kampfszene dar.
Im Tunnel an der Avenida da República zeigt eine Kopfsteinpflastergalerie die wichtigsten historischen Ereignisse der Lokalgeschichte, unter anderem die Überfahrt der Bom Sucesso.
Text und Fotos: Catrin George Ponciano in ESA 06/2018