Die Leuchttürme der Algarve-Küste
Stille Wächter mit Warnlicht – Farol de Santa Maria
Leuchttürme sind internationale Kennzeichen, Richtungsweiser und jeder ein Einzelstück in Form und Leuchtkraft. In der Algarve stehen sie an exponierten Stellen. Zu jedem Leuchtturm gibt es eine eigene Geschichte, die ESA-Autorin Catrin George ab dieser Ausgabe in loser Folge erzählen wird
Insgesamt dreißig Leuchttürme senden ihr Licht von der Küste Portugals in Richtung Meer und Himmel. Sechs davon stehen entlang der Algarve-Küste und blinken in unterschiedlich lang andauernden, grell flackernden Lichtimpulsen in die Dunkelheit, warnen vor Gefahr entlang der Steilküste und der vorgelagerten Felseninseln, weisen den Weg in die richtige Richtung und dienen außerdem im Luft-verkehr den Piloten, um Kurs zu halten.
Strahlend weiß mit roter Kuppel wacht der 50 Meter hohe Leuchtturm Farol de Santa Maria am meri
dional südlichsten Ausdehnungspunkt von Kontinental-Portugal am Westeck der Insel Culatra über die
Zufahrt von der Meerseite aus zum Naturpark Ria Formosa. Er steht unmittelbar neben der mit Wellenbrechern befestigten Mündung Barra do Farol und weist den Weg zu den Häfen Faro und Olhão. Ein Leuchtturm am Strand, ein Motiv für ein Gemälde, umringt von bunt gestrichenen, ebenerdig gebauten Häusern, die zur Siedlung Farol gehören. Die Ilha da Culatra liegt der Küste von Olhão südlich vorgelagert an der östlichen Algarveküste, umarmt den Naturpark Ria Formosa sieben Kilometer lang von Ost nach West und trennt die Lagune wie eine natürliche Barriere gemeinsam mit anderen bewohnten und unbewohnten Inseln vom offenen Meer. Im Osten der Insel liegt der Fischerort Culatra, in der Mitte ein ehemaliges Militärgelände mit zum großen Teil verlassenen Wohnhäusern und einigen Hangars, im Westen liegt die Siedlung Farol.
Der Leuchtturm Farol de Santa Maria wacht seit 1851 über die Mündung. Nach 14 Jahren Bauzeit wurde in der Kuppel des Turms der erste in Portugal überhaupt montierte Fresnel-Linsenapparat in Betrieb genommen. Die seinerzeit konstant leuchtende Lichtquelle im hohlen Inneren der 1.600 Kilogramm schweren Glasprismakugel wurde mit Olivenöl betrieben und flackerte jede Nacht und bei Seenebel als dauerhaft leuchtendes Signal, verstärkt durch die Linsenwölbung etwa fünfzehn Meilen weit sichtbar. Gemeinsam markieren der Farol de Santa Maria sowie der Leuchtturm am Cabo da Roca in Sintra und der Farol do Cabo de São Vicente in Sagres die geografischen Kardinalpunkte Portugals gen Meer: Westen, Südwesten und Süden.
Die erste Turmkonstruktion des Farol de Santa Maria war klassisch rund; die Höhe betrug 34 Meter, mit Kuppel erreichte der Turm 38 Meter. 1922 wurde der Turm um zwölf Meter erhöht, um die Tragweite der Lichtsignale zu verlängern. Seitdem misst er 46, mit Kuppel 50 Meter Höhe.
Während dieser Bauphase blieb es dunkel an der Ria Formosa-Mündung. Das erstmontierte Linsenprisma wurde durch ein leichteres Fresnel-Modell ersetzt, in der Kuppel auf ein wie ein Uhrwerk funktio-nierendes, mechanisch betriebenes Rotationssystem installiert und die Lichtquelle zunächst mit Petroleum, ab 1925 mit Gas betrieben. Der Leuchtblitz erreicht durch die Höhe des Turms eine Nenntragweite von 25 Seemeilen und ist von der Seeseite aus bis zu 46 Kilometer weit erkennbar. Die Nenntragweite des Leuchtfeuers eines jeden Leuchtturms weltweit ist in einem Leuchtfeuerverzeichnis mit internationaler Kennnummer, Name und Standort im sogenannten WGS 84 eingetragen, einem Referenzsystem für international einheitliche Positionsangaben, und wird in der Schifffahrt stets gemeinsam mit Seekarten zur Positions-bestimmung in Küstennähe verwendet.
Vier Jahre später stellte man bei heftigem Wellengang und hoher Windstärke ungewöhnlich starke Schwankungen in der Kuppel fest. Um Schäden und technische Ausfälle zu vermeiden, wurde der gesamte Turm mit einem Korsett aus senkrechten, die Fassade stützenden Betonpfeilern mit sechs Meter tiefem Fundamentsockel abgestützt sowie zusätzlich mit Zementgürteln eingefasst, was dem Leuchtturm bis heute sein markantes Antlitz verleiht. Eine Baustelle, die enormen logistischen Aufwand erforderlich gemacht hat, um dem Turm auf relativ instabilem Grund die für seine Höhe notwendige statische Stabilität zu verleihen, denn sämtliche Baustoffe und vorgefertigten Betonpfeiler mussten wie alle anderen Baumaterialien auf dem Wasserweg zur Insel transportiert und ans Ufer gehievt werden.
Mit dem Einbau zusätzlicher, gen Himmel ausgerichtete Linsen am Prisma leuchtet der Farol de Santa Maria seit 1949 auch dem Luftverkehr den Weg. Der Leuchtturm wurde insgesamt umgerüstet auf elektrisches Licht, von einem Dieselgenerator gespeist. Erst 1992 wurde die Leuchtturmanlage samt Wohngebäude an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Die bisher letzten aufwendigen Sanierungsmaßnahmen wurden 1995 vorgenommen. Hierzu wurde die gläserne Prismakugel erneut demontiert. Ein ambulant montierter Leuchtturm mit der Kennzeichnung PRB 46, auf einem Gerüst am Strand aufgestellt, übernahm provisorisch die leuchtende Aufgabe während der Sanierungsperiode, bis die Bauarbeiten 1997 beendet waren. Seitdem sendet der -Farol de Santa Maria sein Licht voll automatisiert im siebzehn-Sekunden-Rhythmus mit vier verschiedenen Impulswechseln zwischen hell und dunkel.
Im Farol de Santa Maria arbeiten derzeit fünf Leuchtturmwärter, auf Portugiesisch Faroleiros. Sie sind Marinesoldaten, Offiziere oder Offiziersanwärter. Sie betreuen den Leuchtturm und sind zusätzlich verantwortlich für das pünktliche und einwandfreie Funktionieren sämtlicher Leuchtbojen in den weitverzweigten Prielen im Naturpark Ria Formosa sowie für die Steuerung in den unbemannten Leuchtfeuertürmchen, den Farolins, an den Zufahrten zu den Hafenbecken von Faro, Olhão und Fuzeta. Deren buntes Laternenglas spiegelt den Leuchtblitz grün oder rot wider und zeigt den Bootsführern somit an, wo exakt sich die Hafeneinfahrt befindet: Rechts, Steuerbord, estibordo – grüner Lichtblitz und links, Backbord, bombordo – roter Lichtblitz. In Richtung Meer ist es umgekehrt. Unterwegs auf regelmäßigen Patrouillenfahrten mit dem Boot überprüfen die Leuchtturmwärter vom Farol de Santa Maria ständig die Farolins an den Hafeneinfahrten sowie Dutzende Leuchtbojen, die die Fahrrinnen markieren, wechseln Lampen, Glühbirnen, Schrauben oder zerbrochenes Glas aus, überprüfen die Befestigung der Bojen und sammeln nebenbei schwimmenden Müll ein.
Ab März, April belebt sich die Insel, freut sich der diensthabende Wärter, denn während der Winter
monate kann das Leben auf der Insel ziemlich einsam sein. Sämtliche Cafés und Restaurants schließen, Hausbesitzer siedeln um auf das Festland, nehmen Hunde und Katzen mit. Dann ist es still auf der Insel und der Leuchtturm strahlt seine wilde Romantik als stiller Wächter noch stärker aus. Fernsehen und Internet bieten zwar eine gewisse Ablenkung, aber der tägliche Austausch im Gespräch mit Nachbarn und Besuchern fehlt.
Vor allem mittwochs spüren die Wärter im Winter die Verlassenheit der Insel, denn mittwochs ist Besuchstag – in allen Leuchttürmen in Portugal. Von
14 – 16 Uhr bieten die jeweils diensthabenden Leuchtturmwärter Führungen durch ihren Turm an, erzählen vom Gebäude und seiner Geschichte und erklären technische Details.
Im Farol de Santa Maria führen 226 Stufen und eine Leiterstiege hinauf bis zur Aussichtsplattform, die dem Besucher erlaubt, den Turm in luftigen 46 Metern Höhe bei mehr oder weniger laut fauchendem Wind mit einer Hand am offenen Geländer zu umrunden. Dazu gehört Mut, wenngleich die Aussicht einmalig ist. Im Westen erkennt man die Felsen von Quarteira, im Osten die sich aneinander schmiegende Insel- und Dünenlandschaft im Naturpark Ria -Formosa bei schönem Wetter und klarer Sicht bis nach Cacela Velha ausgebreitet, nördlich liegen die Küstenstädte Olhão und Faro, dahinter erheben sich die Hügel der Sotavento-Bergregion.
Freunde der Physik klettern auch noch die letzten Leiterstufen hinauf bis in die Kuppel, bewundern Prisma und Technik und genießen ganz nebenbei die 360°-Aussicht noch vier Meter höher stehend – ohne Wind und hinter Glas.
Info: Zur Insel Ilha da Culatra fährt man vom Olhão-Pier aus mit der Inselfähre (Abfahrtszeiten: www.olhao.web.pt/horariobarcos.htm), die unterwegs die Insel Armona und den Fischerort Culatra ansteuert, an Muschelsammelplätzen und Austernbänken vorbeituckert, bis sie am Pier der Praia do Farol anlegt. Fahrkarten kann man jeweils ab 30 min. vor dem Ablegen am Pier in Olhão lösen. Sie kosten Euro 4,30 pP. Wer es eilig hat oder zu anderen Uhrzeiten und Zielen fahren möchte, bucht ein Wassertaxi für ca. Euro 30 pro Fahrt.
Text: Catrin George, Foto: Miranda Opmeer
In ESA 06/16