DIE LEUCHTTÜRME DER ALGARVEKÜSTE
Stille Wächter mit Warnlicht – Farol da Ponta da Piedade
Die Felsenhalbinsel Ponta da Piedade ist das Wahrzeichen von Lagos. An ihrer südlichen Spitze steht der Leuchtturm von Lagos an genau der Stelle, wo laut der Legende die Heilige Maria Nossa Senhora da Piedade den heimkehrenden Fischern erschienen sein soll
Sonnenaufgang und Sonnenuntergang faszinieren Menschen von jeher. Auf der Felsenhalbinsel vor Lagos kann man beides erleben und das verleiht diesem Ort seine ureigene Magie. Portugals Nationaldichter Luís Vaz de Camões schrieb in seinem Epos „Die Lusíaden“ über die Südküste seines Landes. Es sei der Ort, wo das Land endet, das Meer beginnt und wo Phoebe, die Leuchtende, im Ozean ruht.
Einst stand auf dem Klippenplateau Leixão da Cruz, dort, wo heute der Leuchtturm sein rotes Dach gen Himmel reckt, ein mächtig ausladender, steinerner Torbogen, der laut Überlieferungen den Sonnenaufgang zwischen seinen Säulen gebannt hat. An diesem steinernen Bogen huldigten griechische Seefahrer ihrem Sonnengott Helios. Die nachfolgenden römischen Eroberer wählten die südliche Felsenspitze vor Lagos für die Errichtung eines religiösen Tempels zu Ehren ihres Sonnengottes Sol Invictus, ihrem auserwählten Garanten für die Weltherrschaft. Nach der christlichen Rückeroberung gewann die Halbinsel von Lagos eine völlig neue sakrale Bedeutung. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts soll, laut mündlich überlieferter Legende, den Fischern auf See die Heilige Maria Nossa Senhora da Piedade strahlend leuchtend auf dem Klippenplateau erschienen sein. Ihr Leuchten gab den Fischern sichereres Geleit um die Halbinsel herum, wann immer sie sich im Nebel verirrt hatten. Die Kunde dieser Marien-Erscheinung machte rasch die Runde und es dauerte nicht lange, bis der Felsenvorsprung Leixão da Cruz umbenannt wurde und seither Ponta da Piedade heißt. Um sich der erfahrenen Barmherzigkeit der Heiligen würdig zu erweisen, gab die Kirchengemeinde Santa Maria von Lagos im Jahr 1580 den Bau für die achteckige Wallfahrtskapelle Ermida da Nossa Senhora da Piedade in Auftrag. Unmittelbar daneben, gen Osten gewandt, wurde von der Marineeinheit in Lagos ein Wachturm mit Mauerwall erbaut, um die Einfahrt zum Hafen sowie die Thunfischfallen vor der Küste von Lagos mit Kanonengeschützen zu verteidigen. Festung und Turm fielen dem verheerenden Erdbeben von 1755 zum Opfer und wurden nicht mehr neu aufgebaut. Inmitten der Grundmauerreste des Turms entstand 1821 ein Beobachtungsposten der Marine. Ein Mast wurde aufgestellt, der Tag und Nacht helle und rote Leuchtfeuerimpulse aussandte. Diese Impulse dienten einerseits der Schifffahrt als Warnlicht und Orientierung,
andererseits als Lichtmorsezeichen zur Verständigung. Mithilfe dieser Leuchtimpulse konnten die Wachhabenden in den Beobachtungsposten in Sagres, Ferragudo und Lagos miteinander kommunizieren und Nachrichten entsprechend an die nächsten Posten weiterleiten. Die visuelle Kommunikation zwischen Schiffen, Fischerbooten und Beobachtungsposten hingegen funktionierte mittels Flaggenwinken mit Flaggenalphabet und Fernrohr.
In einem Dekret von 1911 entschied das Marine–Ministerium, dass anstelle des Beobachtungspostens und der Wallfahrtskapelle auf dem Klippenplateau am südlichen Ende der Ponta da Piedade ein Leuchtturm errichtet werden sollte. Laut Grundbuchverzeichnis von Lagos erwarb am 15.12.1912 ein Admiral der Marine das Grundstück für 250 Escudos (nach heutigem Realwert 26,61 Euro) und gab den Bau des Leuchtturms im Namen der Marine in Auftrag. Die Kirchengemeinde von Lagos protestierte vehement gegen den Abriss ihrer Kapelle, aber das Aufbegehren war zwecklos. Das über dreihundert Jahre alte Gotteshaus wurde dem Erdboden gleichgemacht und an seiner Stelle der Farol da Ponta da Piedade mit Wohngebäude für die diensthabenden Leuchtturmwärter sowie Büro und Werkstatt gebaut. Die steinerne Marien-Ikone wurde sichergestellt und ist im Museu Municipal Dr. José Formosinho in Lagos ausgestellt.
Am 1. Juli 1913 wurde der Leuchtturm eingeweiht. Das mit Petroleum gespeiste Leuchtfeuer blinkte fortan in einem festgelegten Takt von fünf Impulsen innerhalb einer Zeitspanne von zehn Sekunden und war bei klarer Sicht bis 16 Seemeilen weit sichtbar. Das mit Fresnel-Linsen ausgestattete Kristallglas-Prisma der vierten Kategorie (zu Fresnel-Linsen s. ESA 7/16, Teil 1 der Leuchtturmserie) drehte sich, montiert auf einem wie ein Uhrwerk konzipierten -Rotationsmechanismus, in immer gleicher Geschwindigkeit um die -eigene Achse. Das 1913 zuerst in Betrieb genommene Prisma wurde 1923 durch ein stärkeres der sechsten Fresnel-Kategorie ersetzt. Seitdem sendet das Leuchtfeuer regelmäßig einen einmaligen Lichtimpuls von vier Sekunden Dauer mit jeweils zweieinhalb Sekunden Pause dazwischen und ist etwa zwanzig Seemeilen weit sichtbar. Leuchtturm und Leuchtfeuerquellen wurden 1952 an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen, funktionieren seit 1983 vollautomatisch und wurden vor Kurzem digital aufgerüstet. Für die Aufsicht ist mittlerweile nur noch ein Leuchtturmwärter nötig, dem zusätzlich die Kontrolle sowie Instandhaltung der Leuchtbojen und der Warnlampen an der Hafeneinfahrt von Lagos obliegen. Der Wärter mit seiner Familie bewohnt einen Flügel im Leuchtturmgebäude, der andere Flügel ist für ranghohe
Marineoffiziere mit ihren Familienangehörigen für deren Sommerurlaub reserviert.
Der Leuchtturm von Lagos steht höher exponiert als seine Kollegen entlang der Algarve-Küste. Aus dem Inneren der Glaskuppel genießt man bei klaren Sichtverhältnissen ein wunderbares Panorama: gen Westen bis Sagres, gen Osten bis zur Flussmündung des Rio Arade zwischen Portimão und Ferragudo, gen Nordosten rückt der Bergzug Serra de Monchique ins Bild und gen Süden küsst der Ozean den Horizont. Boote mit Touristen an Bord steuern durch die bizarr aufragenden Sandsteinfelsen von Bucht zu Bucht, in Grotten hinein und wieder heraus. Eine zweihundert Stufen zählende Treppe führt vom Felsenplateau abwärts mitten hinein ins Wahrzeichen von Lagos. Elegante Segelyachten gleiten vorbei. An den Stränden Meia Praia und Porto de Mós stehen bunte Sonnenschirme wie Farbtupfer im Sand. In der Glaskuppel im Farol da Ponta da Piedade harrend, fällt es gar nicht schwer, sich vor solch erhabener Kulisse eine Marien-Erscheinung vorzustellen, denn ein altes portugiesisches Sprichwort besagt „Alles, was vorstellbar ist, ist möglich.“
Der Abriss der Wallfahrtskapelle sorgte für stets wieder aufkeimenden Protest der ansässigen Kirchengemeinde, vor allem deswegen, weil Ersatz versprochen, aber nie gebaut worden ist. Eine Altarnische mit Abbild der Heiligen-Ikone Nossa Senhora da Piedade am Eingangsportal des Leuchtturms erinnert an das Versprechen und dient der Kirchengemeinde für sakrale Rituale an Karfreitag und im September. Brigadegeneral Costa Franco, Bürgermeister von Lagos von 1964 bis 1972 ließ während seiner Amtszeit 15 Altarnischen bauen, die symbolisch für die 15 Leidensstationen von Jesus Christus auf seinem Weg zur Kreuzigung stehen. Jede Altarnische ist mit kunstvoll bemalten Kachelbildern geschmückt, die die qualvollen, biblisch dokumentierten Momente von der Verurteilung bis zur Beisetzung darstellen. Der Heilige Weg beginnt direkt vor dem historischen Stadttor an der Praça das Armas in Lagos und endet am Eingangsportal des Leuchtturms. Auf dem Platz vor dem Leuchtturm findet jedes Jahr am Sonntag nach dem 15. September, in diesem Jahr am 18. September, um 18 Uhr ein Gedenkgottesdienst zu Ehren der Nossa Senhora das Dores unter freiem Himmel statt. An Karfreitag erinnert die alljährlich zelebrierte Pilgerprozession im Fackelschein mit anschließender Karfreitagsmesse auf dem Platz vor dem Leuchtturm an die Leiden und die Erlösung von Jesus Christus. Start 21 Uhr an der Praça das Armas in Lagos.
Allgemeine Infos:
Besuchstag im Leuchtturm ist mittwochs zwischen 14 und 16 Uhr
GPS: 37.080925, -8.669519
www.amn.pt/DF/Paginas/FaroldaPontadaPiedade.aspx
Anfahrt:
Von Portimão/Lagos Stadtmitte folgt man der Nationalstraße N 125 entlang der Flusspromenade bis zum ersten Kreisverkehr stadtauswärts
und folgt der Beschilderung Ponta da Piedade bis zum Parkplatz am Leuchtturm. Von Sagres/Autobahn A22 kommend, biegt man nach dem Kreisverkehr am Autobahnzubringer Richtung Lagos am dritten Kreisverkehr in Lagos in die erste Ausfahrt rechts ab und folgt der Beschilderung bis zum Parkplatz am Leuchtturm.
Text: Catrin George
ESA 09/16