Im Laufe dieses Jahres erfuhr die Algarve einen Zustrom von neuen Residenten. Nicht nur Rentner, die hier ihren Lebensabend genießen wollen, sondern auch viele jüngere Menschen, die sich eine neue Existenz aufbauen möchten, ließen sich hier nieder. So auch Familie Haxel, die nach fast zwei Jahren Weltreise in der Algarve ein neues Zuhause fand. Eine abenteuerreiche Geschichte mit einem glücklichen Ende
Es war einmal ein junges, flottes und ausgesprochen nettes Paar, das 2008 mit großen Karriereträumen nach Berlin zog. Max Haxel, gelernter Koch, arbeitete in verschiedenen Sterne-Restaurants und wollte in den größten Häusern Europas kochen. Steffi Haxel, gelernte Hotelfachfrau, war bei einer Veranstaltungs- und Kommunikationsagentur tätig. Als ihre erste Tochter Zoe zur Welt kam, merkte der junge Vater, dass eine 70-Stunden-Woche nicht mit dem Familienleben, das er sich wünschte, zu vereinbaren war. Also wechselte er zu Catering mit geregelten Arbeitszeiten und war relativ zufrieden. 2012 wagten Max und Steffi den Schritt in die Selbstständigkeit und gründeten mit einem Freund ein Catering-Unternehmen. „Mein Gedanke, dadurch mehr Freiheit zu gewinnen war natürlich ein Irrglaube“, gibt Max lächelnd zu. „Ich habe noch mehr gearbeitet als zuvor und habe sogar im Büro geschlafen.“ Vier Jahre später beschloss das junge Paar sein Leben noch einmal umzukrempeln. Ihr Plan: ein zweites Standbein mit Seminarhaus in Portugal. Das Catering-Unternehmen würde in Berlin mit dem Partner weiterlaufen und sie würden nach Portugal umsiedeln, wo Steffi in ihrer Kindheit unbeschwerte Urlaubstage genossen hat. Doch bevor sie dem Partner die Idee unterbreiten konnten, stieg er aus. „Also gaben wir noch einmal Gas, um dann zu verkaufen“, fasst Max die letzten zwei Jahre in Berlin zusammen. Nach dem Stress wollte sich die junge Familie nicht sofort wieder Verantwortung ans Bein binden. „Wir wollten etwas Neues machen. Raus aus dem Alltag in der Großstadt, unseren Kindern die Welt zeigen und eine neue Aufgabe mit Mehrwert finden. Also verkauften und verschenkten wir unser Hab und Gut, kündigten die Wohnung und sind im September 2018 mit Rucksäcken und One Way Tickets nach Südafrika gereist“, berichtet Max strahlend.
Geplant war eine einjährige Reise, doch daraus wurden fast zwei Jahre. Sie waren auf vier Kontinenten in Südafrika, Thailand, Vietnam, Australien, Neuseeland, Argentinien, Bolivien, Brasilien und Peru unterwegs und lernten dabei viele Aussteiger-Familien kennen. „Wir waren von ihren Erfahrungen sehr inspiriert und begannen nach Möglichkeiten für uns zu schauen“, erzählt Steffi. So entstand nicht nur ihr Reiseblog (trip.familyfoodtrip.de), auf dem die Familie die Leser mit auf Weltreise nimmt, sondern auch ein veganer Food Blog (food.familyfoodtrip.de) und eine Online-Plattform für veganes Leben (einfachvegan.de) auf denen Max u. a. klassische Gerichte aus aller Welt neu interpretiert und Menschen dabei unterstützt, eine vegane Ernährung in ihren Alltag zu integrieren. Dann kam Covid und da die halbe Welt auf online umstieg nutzte Steffi die Zeit, um einem alten Traum nachzugehen. Sie absolvierte eine Coaching-Ausbildung im Fernstudium. „Fast ein halbes Jahr steckten wir auf der tropischen Insel Bali fest“, erzählt Max schmunzelnd.
„Im Juli ging alles wieder offline und ich musste zu Präsenzseminaren nach Deutschland. Das war mit einer der Gründe, weshalb wir beschlossen nach Europa zurückzukehren“, so Steffi. „Wir waren tatsächlich ein bisschen reisemüde“, gibt Max zu. „Es war ein schleichender Prozess. Zu Beginn waren wir total begeistert von diesem Leben – ständig reisen, nur mit dem Rucksack, frei entscheiden. Doch dann kam der Moment, wo wir dachten, dass es schön wäre, mal wieder ein eigenes Bad zu haben und nicht ständig neue Bekanntschaften zu machen, sondern unser festes soziales Umfeld zu haben. Alles, was wir in Berlin aufgegeben hatten, vermissten wir“, gesteht er lächelnd.
Die Familie überlegte, wo sie sich wohl fühlen könnte. Die Wahl fiel schnell auf Portugal. „Es hat nichts mit Logik oder der Nähe zur Familie zu tun. Wir hatten schon immer dieses Bauchgefühl, dass wir irgendwann in Portugal leben würden. Auch nachdem wir die Welt gesehen haben, hat sich daran nichts geändert“, so Steffi.
Im September 2020 zog die Familie nach Porto. Hier wollten sie eine Zeitlang bleiben und sich im Rest des Landes umschauen. Sie lebten im Stadtteil Antas und fielen schnell wieder in einen Trott, der sehr ähnlich mit dem in Berlin war. Zumal die kleine Lilith unbedingt eine „richtige Schule“ besuchen wollte und sie jeden Morgen zur Rushhour im Stau standen. „Irgendwann sagte Zoe zu mir, dass Porto genau wie Berlin sei. Das war ein Schlüsselmoment für mich“, berichtet Max ernst. Daraufhin beschloss die junge Familie wieder einmal ihr Leben umzukrempeln. Im Internet entdeckten sie eine Mietanzeige für ein Haus nördlich von Mexilhoeira Grande inmitten der Natur. Der Vermieter wohnte nebenan und hatte zwei Töchter, die ebenfalls im Homeschooling-System waren. „Es passte einfach alles. Wir fanden in der Algarve unser neues Zuhause und sind völlig verliebt in die Region.“, fasst Steffi begeistert zusammen.
Seit sie im Mai 2021 in den sonnigen Süden zogen rief Max das Projekt „Puro Algarve Catering“ ins Leben (puro-algarve-catering.com), ein Catering-Service für Events, Hochzeiten und private Veranstaltungen mit Fokus auf regionale Produkte, die er auf innovative und moderne Art zubereitet. Steffi hat als ausgebildete Personal-Coach für Frauen eine neue Leidenschaft gefunden und betreut ihre Klien-ten sowohl direkt vor Ort als auch online (steffi-haxel-coaching.de). Der Plan der beiden ist nach wie vor, im Hinterland der Algarve – am liebsten zwischen Mexilhoeira Grande und Aljezur – ein Objekt zu finden, das gleichzeitig ihr Zuhause und ihr Arbeitsbereich ist. „Wo ich Kochkurse anbieten oder für Gäste kochen kann, mit Zimmern zum Vermieten, die man auch für Coachings und Retreats nutzen kann“, erklärt Max. Und obwohl ihre Unterkunft nur bis März 2022 gesichert ist und sie derzeit schlechte Erfahrungen mit dem hiesigen Immobilienmarkt zwecks Langzeitmiete machen, sind sie sich sicher, dass sie in der Algarve glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben werden.
Text: Anabela Gaspar in ESA 12/2021
Fotos: Max Haxel; Anabela Gaspar