Die Casa Portuguesa in Loulé wurde 1908, noch während der Monarchie eröffnet. Im Laufe seiner Geschichte hat der Kramerladen, der Teil des nationalen Netzwerkes Comércio com História ist, viele Krisen er und überlebt. Die jetzige wird keine Ausnahme sein
Beim Betreten der Casa Portuguesa kommen in mir die Erinnerungen an den Tante-Emma-Laden im Heimatdorf meiner Mutter hoch. Die Regale, die vom Boden bis zur Decke reichten, gefüllt mit Lebensmitteln; hinter der Theke große Säcke, aus denen Bohnen, Reis oder Zucker grammweise verkauft wurden. Auch Töpfe und Behälter sowie Besen verkaufte Tia Ana. Die Auswahl war längst nicht mit der heutigen zu vergleichen, aber das Wesentliche stets vorhanden. Nicht selten wurde ich dort hingeschickt, um irgendeine Kleinigkeit zu holen. Holen, nicht kaufen. „Sag Tia Ana, sie soll es bitte anschreiben“, gab man mir statt Geld mit auf den Weg. So ähnlich war und ist es noch heute in der Casa Portuguesa an der Markthalle von Loulé. Manuel António Guerreiro, der mich freundlich begrüßt, hat sowohl den Namen als auch das Geschäft von seinem Großvater geerbt. Er ist im selben Jahr geboren, in dem sein Vater Francisco das Geschäft in die jetzigen Räumlichkeiten verlegte, und praktisch zwischen den Regalen aufgewachsen.
Zuvor befand sich die Casa Portuguesa dort, wo heute die Avenida José da Costa Mealha beginnt. Hinter dem Laden erstreckte sich ein Gemüsegarten. Es war das Jahr 1908 und direkt nebenan wurde die Markthalle fertiggestellt. Ein hervorragender Standort, der jedoch wenige Jahre später, als der Bau der Avenida begann, aufgegeben werden musste. Die Casa Portuguesa zog in die Straße auf der Ostseite der Markthalle. „Doch alle Handwerker, alle Geschäfte, das Gericht, das Rathaus, die Polizeiwache, alles befand sich südwestlich von der Markthalle. Das Leben spielte sich nur im alten Stadtzentrum und bis zur Markthalle ab. Unser Geschäft lag direkt dahinter und somit außerhalb des Geschehens“, so Manuel. Also beschloss sein Vater, der das Geschäft damals führte, 1965 auf die andere Seite der Markthalle in die Nummer 18 der Rua José Fernandes Guerreiro zu wechseln.
Die Casa Portuguesa, alias Mercearia do Bate-Pézinho, der Name unter dem der Gründer bekannt war, weil er bei Tanzabenden stets mit seinen Füßen Takt und Rhythmus angab, war eines der bekanntesten Geschäfte in Loulé. Neben Lebensmitteln und Haushaltsgeräten vertrieben sie auch Tierfutter und es kamen Leute aus dem gesamten Bezirk, um ihre Großeinkäufe zu tätigen. „Damals kamen viele noch auf dem Esel geritten und packten die alcovas, die Seitentaschen des Sattels, voll“, erinnert sich Manuel. Die Verkaufsfläche war damals nur halb so groß. Der hintere Teil diente als Lager, da die meisten Produkte in 25 oder 50 kg schweren Säcke geliefert wurden.
Die ersten Jahre besuchte Manuel selten das Geschäft. „Ich war ein sehr aufgewecktes Kind und meine Eltern hatten Angst, dass ich etwas anstellen würde“, gibt er schmunzelnd zu. Aber ab seinem achten oder neunten Lebensjahr half er seinem Vater regelmäßig und gewann einen Einblick in die Verwaltung des Geschäftes und den Umgang mit den Kunden. Auch in schwierigen Zeiten, wie vor und nach der Nelken-revolution. Manuel erinnert sich, dass viele Menschen Angst hatten, weil sie nicht wussten, was geschehen würde. „Viele wanderten aus, andere verkauften ihren Besitz und es kam zu Hamstereinkäufen, wie auch zu Beginn der Covid-Pandemie, die dazu führten, dass es an Lebensmitteln mangelte“, so Manuel. „Zu Ostern war es üblich Stockfisch zu essen, doch 1974 gab es praktisch keinen bacalhau. Ich erinnere mich, dass bis zu 50 Kunden vor dem Laden Schlange standen. Es durften jeweils zehn rein und jeder durfte, unter der Bedingung mindestens ein weiteres Produkt zu erwerben, einen Stockfisch kaufen“, erzählt er.
Doch die Situation sei damals nicht mit der nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar gewesen. „Mein Vater sagte immer, dass dies die schwierigsten Zeiten waren. Damals gab es praktisch keine Lebensmittel. Die Familien mit meistens drei oder mehr Kindern, hatten nichts zu essen. Die Lebensmittel wurden rationiert. Der Staat teilte Lebensmittelkarten aus, mit denen die Familien 100 Gramm Zucker und 100 ml Olivenöl für einen ganzen Monat erhielten. Heute gibt es Lebensmittel im Übermaß, aber leider auch viele Menschen, die kein Geld haben“.
Die besten Jahre waren laut Manuel Anfang der 1980er. „Dann wurden aber Mitte der 80er die ersten Supermärkte eröffnet. Ein harter Schlag für den traditionellen Handel, der dennoch überlebte“, so Manuel, der erst vor 12 Jahren das Geschäft übernahm. Nach dem Schulabschluss kam er zum Militär, studierte danach Informatik und war 20 Jahre in einem Unternehmen angestellt. 2008, als Portugal eine weitere Krise erlebte, wurde er jedoch entlassen. Francisco war fast 90 Jahre alt. 72 Jahre stand er hinter der Theke der Casa Portuguesa. Die Zeit war reif und er gab das Geschäft an Manuel weiter. Dieser erinnerte sich an alles, was der Vater ihm beigebracht hatte und hatte keine Schwierigkeiten, den Laden zu übernehmen. Er wollte die alte, treue Kundschaft weiter bedienen, erkannte aber auch, dass es eine neue gab, die er nicht ignorieren konnte: Touristen, die in Reisebussen nach Loulé kamen, um dort die Markthalle und die umliegenden Straßen zu erkunden. Manuel beschloss den Laden zu renovieren, achtete dabei aber darauf die „Seele“ des Kramladens beizubehalten und im Sortiment, neben den traditionellen Produkten, auch besondere portugiesische Waren aufzunehmen. Kaffee, Bohnen oder Linsen sowie einige Gewürze werden weiterhin lose angeboten. Im Regal daneben stehen Gourmetkonserven in hübscher Retroverpackung, regionale Liköre, Portwein und Seifen der weltweit bekannten portugiesischen Marken Ach Brito und Confiança. Schöne Andenken an Portugal, die leicht im Koffer verstaut werden können. Doch die Krise, die ihn seinen Job kostete, gab nicht nach und führte dazu, dass Portugal 2011 unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen musste. Die Einnahmen gingen leicht zurück aber die alte Kundschaft seines Vaters blieb ihm treu und es gelang Manuel die Touristen hinzuzugewinnen.
Diese fielen jedoch 2020 weitgehend aus. Generell ging die Anzahl der Besucher der Stadt und der Markthalle drastisch zurück. Manuel konnte sich aber weiterhin auf seine treuen Kunden verlassen. „Den Großeinkauf für die Woche machen sie natürlich nicht bei mir. Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch oder Wurstwaren habe ich nicht. Es würde auch kein Sinn machen, da ich direkt an der Markthalle liege. Aber sie holen immer wieder mal Kleinigkeiten und einige Produkte, die sie nur bei mir bekommen“, so Manuel. „Holen?“, frage ich. Konnte man in der Casa Portuguesa etwa noch fiado kaufen? Manuel lächelt. „Diese Tradition ist gestorben. Die Kaufkraft ist gestiegen und die Menschen sind es gewohnt im Supermarkt die Waren nur gegen sofortige Zahlung – und zwar auf den Cent – zu erhalten. Also machen sie es bei mir genauso. Natürlich gibt es Ausnahmen. Früher dagegen stellten die sofort zahlenden Kunden die Ausnahme dar. Man kannte schließlich auch jeden persönlich. Oftmals wurden die Kinder geschickt. Wir führten eine Liste und Ende der Woche oder des Monats wurde gezahlt – manchmal leider auch nicht“, erzählt Manuel lächelnd.
Die Casa Portuguesa ist nun in der dritten Generation. Auch Manuels Söhne helfen am Wochenende und in den Ferien. Aber Manuel weiß, dass sie das Geschäft nicht übernehmen werden. Sie haben andere Pläne für ihre Zukunft und er hat Verständnis dafür.
Bevor ich die Casa Portuguesa verlasse, kaufe ich noch die berüchtigten Kinderbreis Farinha Predilecta, der nicht nur gesund für Kinder, sondern auch für Omas und Sportler geeignet ist – zumindest laut des damaligen Werbungslogans, der sich auf Portugiesisch reimt – und Farinha Amparo. Meine Generation ist mit diesen Breis aufgewachsen und ich bin gespannt, ob sie meinen Kindern auch schmecken.
Text & Foto: Anabela Gaspar
Veröffentlicht in ESA 02/2021
Mercearia Casa Portuguesa
Rua José Fernandes Guerreiro 18 R/C
8100-598 Loulé
Tel: 289 462 616
mantoniocg@gmail.com
Facebook: Casa Portuguesa
Öffnungszeiten: ab 9 Uhr – 13 Uhr, 15 Uhr – 17 Uhr (manchmal länger…)