Wildcamper sorgen für Unruhe
Seit mehreren Jahren stehen Wildcamper an der Westküste immer wieder in den Schlagzeilen. Nun sind es die Anwohner leid und nehmen die Sache selbst in die Hand. Bei nächtlichen Aktionen fordern sie Camper dazu auf, den illegalen Stellplatz zu verlassen
Boca do Rio, Beliche, Carrapateira… Es könnten alle Strände der Süd- und der Westküste des Naturparks des südwestlichen Alentejo und der Costa Vicentina PNSACV genannt werden. An allen stehen Dutzende, manchmal sogar Hunderte Kleinbusse und Wohnmobile illegal auf Parkplätzen, direkt an den Klippen und mitten in der Natur. Die meisten Wildcamper sind in umgebauten Transportern, andere mit Autos und Zelten unterwegs – d. h. sie haben kein WC an Bord. Dies führt dazu, dass überall Toilettenpapier und menschliche Exkremente vorzufinden sind und der Gestank nicht auszuhalten ist. Verbotsschilder, die daraufhinweisen, dass Wohnmobile jeglicher Art dort nicht stehen dürfen, werden entfernt oder bemalt, z. B. mit Campers only. Tatsächlich gibt es Berichte von Strandbesuchern, die sich an solchen Parkplätzen, die Slums ähneln, unwillkommen und sogar bedroht fühlen. Am schlimmsten soll die Situation an den Stränden Furnas und Barranco an der Südküste sein.
Die zuständigen Behörden, d. h. die GNR, die Polícia Marítima und das Naturschutzinstitut ICNF, das für die Verwaltung des PNSACV zuständig ist, führen immer wieder mal Kontrollen durch und verteilen Strafzettel. Im November wurden an einem Tag an den Stränden zwischen Barranco und Boca do Rio 96 Strafen verhängt. Vom 20. bis zum 31. August waren es 340 Strafen in den Bezirken Vila do Bispo und Aljezur. Während portugiesische Wildcamper vor Ort zur Kasse gebeten werden, können die Behörden die Bußgelder bei ausländischen Fahrern nicht direkt einkassieren. Die Zustellung der Strafmandate außerhalb Portugals gestaltet sich oftmals schwierig, was dazu führt, dass die verhängten Bußgelder schlichtweg nicht bezahlt werden. Sowohl die Behörden als auch die Bürgermeister der betroffenen Bezirke forderten bereits Ende 2018 eine Reform im Bereich der Vollstreckung der Geldbußen, damit diese in kürzerer Zeit – am besten direkt vor Ort – effektiv eingetrieben werden können. Doch bislang kam es nicht dazu. Es ist auch bekannt, dass die Behörden die Wildcamper zwar wegschicken, diese aber kurz darauf zurückkehren, wohlwissend, dass die Sicherheitskräfte eventuell erst in der darauffolgenden Woche wieder vorbeischauen und im Endeffekt nicht viel ausrichten können.
Der Verein Rota Vicentina, der für die gleichnamige Wanderroute im Naturpark zuständig ist, zeigt sich über die steigende Anzahl der Wildcamper besorgt. Campen sollte ausschließlich auf den dafür vorgesehenen Anlagen stattfinden. Man würde im Naturpark, vor allem entlang der Küste, „zunehmend über Müll und menschliche Exkremente stolpern“. Auch das unvorschriftsmäßige Abstellen auf Parkplätzen, Privatgrundstücken und Flächen, die für den Verkehr nicht zulässig sind, sei besorgniserregend und habe negative Folgen für die Umwelt sowie soziale Auswirkungen.
All dies geschieht in einem Naturschutzpark, für den mit Adjektiven wie „wildromantisch“ und „unberührt“ geworben wird. „Unter den Wildcampern grassiert das Gefühl der Straflosigkeit“, sind sich die Anwohner einig. Daher beschlossen sie, selbst etwas dagegen zu unternehmen.
Ana Carla Cabrita ist in Sagres geboren und aufgewachsen. Sie wohnt gegenüber vom Strand Beliche, ist eine Pflanzenexpertin und bietet geführte Botanik-Touren im Naturschutzpark an. Ihre Eltern führen dort ein Restaurant mit großem Parkplatz. „Vor zehn oder 20 Jahren fragten uns die Wohnmobilisten und Camper, ob sie nachts bei uns stehen dürften, verließen am nächsten Tag den Platz und hinterließen alles sauber. In den letzten Jahren beobachten wir einen Wechsel. Keiner fragt mehr, der gesamte Platz wird eingenommen und überall Müll hinterlassen“, so Ana. Sie hat sich daran gewöhnt, nicht mehr die Klippen und das Meer von ihrem Fenster aus zu sehen, sondern umgebaute Transporter. Fast täglich trifft sie Camper auf ihrem Privatgrundstück an, die ihren Gemüsegarten als Toilette nutzen und ihre Handys oder Computer an ihren Außensteckdosen aufladen. „Es ist, als ob diese neue Camper-Generation den gesunden Menschenverstand und den Respekt vor ihren Mitmenschen und Privateigentum verloren hätte“, so Ana. Es seien vor allem junge Europäer zwischen 20 und 35 Jahren, die auch der Erhalt der Natur nicht interessiere. „Selbst wenn direkt neben ihnen Mülleimer stehen, lassen sie trotzdem alles liegen und zerstören die Vegetation, darunter viele endemische Pflanzen, weil sie mitten durch die Landschaft spazieren und dabei alles zertreten. Ich habe sogar schon beobachtet, wie sie im Vale Santo die Pinien abholzen, um ein Lagerfeuer zu entfachen. Mitten in der Brandsaison! Zivilisiert scheint ihnen ein Fremdwort zu sein“, bedauert Ana, die jedoch aus Angst vor Vergeltung, vor allem wegen ihrer 86-jährigen Mutter, nicht konsequenter ist. Auch in ihrer Arbeit fühlt sie sich beschränkt. „Die Touren im Pinienwald Vale Santo und zwischen Martinhal und Praia do Barranco biete ich nicht mehr an. Die Menge an menschlichen Exkrementen und Toilettenpapier ist abscheulich und die Camper, die sich dort aufhalten, führen sich aggressiv auf. Man fühlt sich bedroht“, erzählt Ana. Sie hat bereits mehrere Treffen mit den lokalen Behörden, den Sicherheitskräften und dem ICNF organisiert, bei denen das Problem der Wildcamper besprochen, Lösungen gesucht und Maßnahmen festgelegt werden. „Es werden Verbotsschilder und Pfeiler aufgestellt, für die wir selbst zahlen, aber viel mehr wird nicht getan“, bedauert Ana, die deshalb Verständnis dafür hat, dass es die Anwohner leid sind und einige, zu „härteren Maßnahmen“ greifen.
Alexandra Carvalho bringt nicht mehr so viel Geduld wie Ana auf. Das liegt daran, dass ihre Erfahrung noch schlechter als die von Ana ist. Vor einigen Jahren wurde sie am Praia do Barranco geschlagen, als sie einen der Wildcamper dazu aufforderte seinen Transporter, der ganz offensichtlich, inklusive „Werbeplakat“, dem Drogenhandel diente, fortzubewegen. Heute traut sie sich nicht mehr mit ihrer Tochter Strände wie Barranco und Furnas zu besuchen oder an bestimmten Stellen der Küste zu wandern und rät allen davon ab. Aber es sei nicht nur an den Stränden und Klippen. „Auch in Sagres machen sich die Camper breit. Selbst auf Privatgrundstücken! Und sie zapfen Wasser und Strom ab. Bei mir haben sie sogar abends geklopft, um nach dem Wifi-Password zu fragen. Sind wir die einzigen, die dies nicht normal finden?“, fragt sie. Der Campingplatz von Sagres stehe leer. Die Infrastruktur sei also vorhanden, aber natürlich sei es schöner mit Meerblick aufzuwachen, meint sie ironisch. Auf Touristen wie diese, „die die Lebensmittel und selbst das Toilettenpapier von zu Hause mitbringen, hier überall Müll hinterlassen, keinen Cent ausgeben und noch Strom und Wasser von anderen stehlen“ könnte sie verzichten. Sie gehört zu der Gruppe, die die Aktionen durchführt und -versichert, dass sie dabei nicht gewalttätig werden. Ziel sei keineswegs Menschen zu bedrohen oder zu verletzten, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass Campen außerhalb der dafür vorgesehenen Anlagen verboten ist.
Miguel Galhardo wurde eingeladen, an den nächtlichen Aktionen teilzunehmen, lehnte jedoch ab. Obwohl er diesen nicht zustimmt, gibt er zu, dass sie positive Folgen haben. „Anfang bis Mitte November standen täglich um die 400 Transporter und Wohnmobile auf dem Parkplatz der Festung von Sagres und den Stränden Beliche und Marreta. Jetzt sind praktisch alle weg. Dadurch, dass die Presse über die Aktionen berichtete, wurde auch der Druck auf die Behörden erhöht, die deshalb verstärkt kontrollierten“, so Miguel. Für ihn geht es auch darum, dass die menschlichen Fäkalien, die überall zu sehen sind, ein Problem der öffentlichen Gesundheit darstellen.
Sein Freund Rui Cruz befürchtet, dass die Wildcamper nun versteckt in der umliegenden Natur stehen. Er bietet Tuk Tuk-Fahrten in Sagres an und es waren seine Gäste, darunter auch Wohnmobilisten, die auf den naheliegenden Campingplätzen stehen, die ihn auf das Problem mit den Wildcampern aufmerksam machten. „Sie wundern sich, dass die Transporter und Wohnmobile hier auf den Parkplätzen in der Stadt und an den Stränden campen und die Behörden nichts unternehmen“, so Rui, der sich darüber ärgert, dass die Campingfahrzeuge überall den Blick blockieren. Er spricht von „visueller Verschmutzung rund um Sagres“.
Sowohl Ana als auch Miguel, Rui und Alexandra kritisieren die Haltung der Gemeinde von Sagres, des Rathauses von Vila do Bispo, des ICNF, der GNR und der Polícia Marítima. Sie werfen ihnen vor, zu wenig oder nichts gegen die Wildcamper zu unternehmen und die Verantwortung stets auf andere zu schieben. Sie kritisieren auch die nationale Tourismusbehörde dafür, dass sie die Unternehmen, die umgebaute Transporter vermieten, unterstützt und für diese auf der offiziellen Webseite visitportugal.pt mit Bildern wirbt, auf denen diese Fahrzeuge an nicht erlaubten Stellen zu sehen sind. Sie fordern, dass die Anzahl der Campingfahrzeuge, die im PNSACV verkehren, begrenzt wird; eine Verstärkung der Polizeikontrollen – auch nachts – und eine Gesetzesänderung, damit die Strafen vor Ort kassiert werden, sowie Sensibilisierungsaktionen.
Zudem ist die Gruppe der Ansicht, dass mehr Stellplätze geschaffen werden sollten. Ana und Miguel befürworten, dass ein Teil des Parkplatzes der Festung von Sagres als Stellplatz dienen soll. Der Platz sei vorhanden, müsste nur etwas verbessert werden, und die Camper würden sowieso dort stehen. Selbst die nationale Kulturbehörde, die für die Verwaltung der Festung zuständig ist, hätte bereits zugesagt. Rui ist dagegen. Vor Jahren seien dort Häuser abgerissen worden, mit dem Ziel, dass auf der Halbinsel von Sagres lediglich die Festung stehen würde. Den Menschen gegenüber, die damals ihre Häuser verlassen mussten, sei es nicht fair, wenn dort nun Kleinbusse und Wohnmobile stehen dürften. Er befürwortet den Bau eines Campingplatzes zwischen Vila do Bispo und Sagres mit einer Busverbindung zu beiden Städten. Ana erinnert jedoch daran, dass ein Campingplatz in der Natur die Zerstörung von endemischen Pflanzen bedeuten würde.
In diesem Monat soll gegenüber dem deutschen Discounter in Vila do Bispo der Stellplatz „Vento Norte“ von João Correia mit einer Kapazität von 27 Wohnmobilen eröffnet werden. „Fünf Jahre brauchte er, um die bürokratischen Hürden zu überwinden“, so Alexandra. „Überall stehen illegal Camper, aber wer ihnen einen Stellplatz bieten will, muss fünf Jahre dafür kämpfen. Da stimmt doch etwas nicht“, sagt sie erregt.
Keiner von ihnen, nicht einmal Alexandra, will die Touristen in Transportern oder Wohnmobilen vergraulen. Sie rufen lediglich zur Einhaltung der Gesetzgebung und zu einem verantwortungsvollen und umweltbewussten Tourismus auf.
Zum Merken
In Portugal – wie in vielen anderen Ländern – ist das Abstellen von Wohnmobilen über Nacht oder mehrere Tage auf öffentlichen Plätzen verboten. Das Decreto-Lei 159/2012 verbietet zudem den Verkehr (Artikel 17) und das Abstellen (Artikel 10, Nr 9 b) von Wohnmobilen in Küstengebieten (vorhandene Parkplätze, Dünen, Klippen, usw.) und Artikel 10, Nr. 9 L das Zelten an Stränden. Es handelt sich um Umweltverbrechen mit Bußgeldern zwischen Euro 200 und Euro 36.000.
Das Parken und Halten von Wohnmobilen und Campern an verbotenen Stellen, ist ein Verkehrsdelikt, das mit einer Geldstrafe zwischen Euro 60 und Euro 300 geahndet wird.
Text: Anabela Gaspar in ESA 01/2021
Fotos: Marco Perini