Seit den Zeiten der Römer und Mauren wird im Hinterland von Tavira die traditionelle Kunst der Keramikherstellung gepflegt
Wenn Fernando Silvério Faustino den Blick über die grünen Hügelketten von Santa Catarina schweifen lässt, sieht er Rot. Zinnoberrot ist die Erde, tiefrot ist die Glut in seinem verrußten Brennofen. Braunrot und verstaubt sind Sonnensegel, Hammerwerk, Förderbänder und die Tonhaufen neben der Ziegelei in Julião, ebenso wie Kleidung, Hände und Gesichter seiner vier Mitarbeiter, knorrigen, wortkargen Männern aus den umliegenden Dörfern und Weilern. Früher gab es in der Gemeinde von Santa Catarina do Bispo abseits der Straße von Tavira nach São Brás de Alportel an die zwanzig Manufakturen, die Dachpfannen, Backsteinfliesen und Vollziegel nach uralten Techniken produzierten, die bereits Griechen, Römer und später die Mauren angewandt hatten. ,,Die meisten Betriebe haben dicht gemacht“, Senhor Faustino wischt sich die staubigen Hände am Pullover ab. ,,Es mangelt an Aufträgen und an Nachwuchs. Junge Leute zieht es in die Städte. Sie wollen gut bezahlte Jobs und sich nicht mehr wie wir die Finger schmutzig machen. Wie lange wir uns hier noch halten können, ist so ungewiss wie momentan das Wetter.“ Seit ein paar Tagen scheint die Sonne. Ideale Vorraussetzungen für die Herstellung von Backsteinfliesen. Die alte Hammermühle hat die tonhaltige Erde bereits zu einem feinen Pulver zermahlen, das mit Wasser gemischt zu jener rotbraunen Tonmasse geknetet wird, aus denen die traditionellen Fliesen im Format 20 mal 20 Zentimeter hergestellt werden. Der Ladrilho-Macher steht dabei an einem pultartigen gemauerten Backsteinblock und füllt per Hand nassen Ton in die Gavieira, den Holzrahmen. Eine schmale Fliese dient als Rakel, um überschüssigen Ton abzustreifen. Während José, der Former, den nächsten Rahmen mit Ton füllt, streicht sein Kollege mit lässiger Handbewegung Kreideschlempe über die Tonplatte, die beim Eintrocknen ein Streifenmuster hinterlässt. Fliese für Fliese wird so bearbeitet und zum Trocknen auf den Zementboden abgelegt. Dutzende, Hunderte, Tausende, die später im Brennofen gestapelt werden. ,,Zwei Tage dauert es im Sommer bis die Ziegel trocken sind“, erklärt Senhor Faustino, ,,doch jetzt im Winter bei der hohen Luftfeuchtigkeit benötigen wir manchmal zehn Tage, bis die Tonplatten im Brennofen aufgeschichtet werden können. Für die Bestückung der Brennkammer brauchen meine Männer noch einmal zwei Tage. Dann heizen wir den Ofen mit dicken Holzscheiten vor. Jetzt kommt der schwierige Teil: die Temperatur für etwa 30 Stunden auf konstante 1.000° C zu halten. Für die Männer heißt das Nachtschicht und schaufeln tonnenweise Mandelschalen, die ich für 14 Cent das Kilo in Alfandanga kaufe. Manche Ziegeleibesitzer haben es mit Olivenschlempe, Pinienzapfen oder Kohle versucht. Gasöfen gingen natürlich auch, sind aber viel zu teuer. Das könnte sich niemand von uns leisten. Vergessen Sie alles andere, nichts brennt besser als Mandelschalen. Und die erzeugen jene dünnen weit sichtbaren schwarzen Rauchsäulen in unserer Region. Ein gutes Zeichen. Solange der Rauch aufsteigt, gibt es uns noch.“ In der Ziegelei von Fernando Silvério werden aber auch die für die Algarve typischen telhas mouriscas, die halbrunden konkaven maurischen Dachziegel gefertigt, die in Mitteleuropa unter dem Namen Mönch und Nonne bekannt sind. Woher dieser Name stammt, weiß niemand. Fakt ist: die untere Lagen sind die Nonnen, die oberen die Mönche. Man könnte das Ganze auch durchaus als Missionarsstellung bezeichnen. Die Vermutung, dass man in früheren Zeiten den feuchten Ton auf dem nackten Oberschenkel formte, weist der Ziegeleibesitzer lachend zurück. ,,Schauen Sie sich die Länge der Ziegel an und dann uns Portugiesen. Um eine Länge von bis zu 45 Zentimeter zu erreichen, sind unsere Beine viel zu kurz. Nein, für die Dachziegel haben wir früher die Galapo verwendet, eine Form aus Holz. Mittlerweile verwenden wir eine Metallform. Die ist stabiler. Ob sie aber solange hält wie unsere Ziegel, werde ich wohl nicht mehr erleben. Die können 100 Jahre alt werden.“ Am Ostrand der Ziegelei wird die rotbraune Tonerde direkt aus dem Hang gegraben. In dem riesigen Loch hat sich das Grundwasser gesammelt und einen kleinen See gebildet, der nach und nach wieder mit Schlacke, Tonscherben und Sand aufgefüllt wird. Sind die Tonvorkommen auf dem Grundstück erschöpft, zieht die Fabrikation um und wird auf einem neuen Areal fortgeführt. Der Fortbestand der handwerklichen Kultur und Tradition im Hügelland von Santa Catarina hängt sehr von der Nachfrage nach seinen von Hand hergestellten Fliesen und Dachziegeln ab. Aber solange man Häuser und Villen im für die Algarve typischen Stil baut und renoviert, haben die Ziegelbrenner von Santa Catarina eine Chance weiter zu existieren.
Text und Fotos: BERND KEINER
Info: Fernando Silvério Faustino, Fabrikation von Fliesen, Backsteinen & Dachziegeln für den Innen- und Außenbereich Julião, Santa Catarina da Fonte do Bispo Caixa Postal 564 Z 8800 Tavira Tel.: 281 971 554 Mob.: 917 620 208
ESA 03/11