Mit nur 41 Jahren erhält Pamela Spitz eine niederschmetternde Diagnose: Morbus Parkinson. Daraufhin reist sie in die Ferne und zu sich selbst, findet ein neues Zuhause in der Algarve und schreibt ein Buch über ihr Leben mit Parkinson
Es war im August 2016, als sich nach der Diagnose im Leben der Fotojournalistin, Globetrotterin und Wanderliebhaberin alles änderte. „Noch zehn gute Jahre, dann ist Schluss“, ist Pamelas erste Gedanke. Bei ihr äußert sich die Krankheit durch Muskelsteifheit. Ihre linke Hand versteift und sie kann den linken Fuß nicht mehr so gut abrollen. Sie beschließt, ihre Zeit den Dingen im Leben zu widmen, die ihr wirklich wichtig sind und begibt sich mit ihrem „neuen Freund, Mister Parkinson“ auf eine längere Wanderung durch Portugal.
„Zum einen, weil ich in Spanien aufgewachsen bin und endlich den portugiesischen Teil der Iberischen Halbinsel kennenlernen wollte und wusste, dass ich auch sprachlich gut zurechtkommen würde. Zum anderen, weil ich mich in der einsamen Natur des algarvischen Hinterlands verlieren wollte, um mich auf die Verarbeitung der Diagnose zu konzentrieren. Ich hatte bereits zuvor recherchiert und über die Via Algarviana und vor allem über die relativ neu erschlossene Rota Vicentina gelesen. Diese reizte mich ganz besonders, da ich viel an der Südwestküste entlang wandern würde und das Meer für mich seit frühester Kindheit eine große Rolle spielt. Schließlich wuchs ich am Pazifik in Ecuador und im Mittelmeer auf Formentera auf“, begründet Pamela ihre Wahl Portugal.
Auch Flora und Fauna waren ihr vertraut, sodass sie autark und so sicher wie möglich allein wandern konnte, ohne auf Infrastruktur angewiesen zu sein. „Ich zeltete an einsamen menschenleeren Plätzen mitten in der Natur und ernährte mich von dem was ich fand. Wusste, dass im September die Feigenbäume reife Früchte trugen und ich mich an Weintrauben satt essen konnte. Die Mandeln hingen noch an den mittlerweile blattlosen Bäumen und hin und wieder fand ich sogar noch wilde Beeren. Ein absolutes Paradies! An den meistens verlassenen Bergdörfern fand ich Wasserstellen auf dem Dorfplatz oder fragte bei dem einen oder anderen hundertjährigen zahnlosen Dorfbewohner an und freute mich riesig über deren Brunnenwasser und die kleinen Unterhaltungen unter einem Schatten spendenden Johannisbrotbaum“, erzählt sie weiter. Sie wanderte die 300 km von der spanisch-portugiesischen Grenze bei Alcoutim bis nach Vila do Bispo im Westen und begab sich auf die Rota Vicentina in Richtung Norden bis nach Porto Covo im Alentejo. „Dann lief ich zurück nach Vale da Telha bei Aljezur und blieb dort, um surfen zu lernen.
Fünf Jahre sind inzwischen vergangen. Pamela war in Portugal, auf dem spanischen Festland und den Inseln, in Italien, Island, Polen und Tschechien, Israel, Brasilien, Sri Lanka, Indien und Costa Rica unterwegs und hat ein Buch über ihre Reisen mit Mister Parkinson geschrieben. Dabei geht sie nicht detailliert auf das Krankheitsbild ein, sondern darauf, wie sie sich mit dem eigenen Leben und mit der Diagnose auseinandersetzt.
Während ihrer Wanderung durch die Algarve hat ihr die Gegend um Aljezur so gut gefallen, dass sie seither immer wieder zurückkommt, „um zu surfen, spazieren zu gehen, zu schreiben oder einfach nur um zu sein“, sinniert Pamela. Letztes Jahr erwarb sie in der Altstadt von Aljezur ein altes Häuschen, das zurzeit ausgebaut und renoviert wird. „Die Algarve ist in gewisser Hinsicht mein neues Zuhause geworden, obwohl ich keinen festen Wohnsitz mehr habe, sondern immer nur unterwegs bin und aus einem kleinen Koffer lebe. Mittlerweile spreche ich ganz passabel Portugiesisch und fühle mich sehr wohl in der Gemeinde. Es fällt mir leicht mit der portugiesischen Lebensart umzugehen und ich fühle mich gut aufgehoben. Sonst bin ich viel auf der ganzen Welt unterwegs, auf der Suche nach Abenteuern“, so die Globetrotterin. Derzeit befindet sie sich auf der Baleareninsel Formentera, ihr „altes Zuhause“, das sie während der Pandemie im Lockdown wiederentdeckte. Eine mehrtätige Wanderung ist ihr nicht mehr möglich. Aber Pamela hat weiterhin viel vor. Seit Mai 2018 führt Pamela auch den Blog „Wanderlust with P“, in dem sie über ihre Höhen und Tiefen mit ihrem „treuen Begleiter“ berichtet.
Wanderlust mit Mister Parkinson
Pamela Spitz ist Anfang Vierzig und gerade glücklich geschieden, als sie erfährt, dass sie Morbus Parkinson hat, eine unheilbare, langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Anfangs stürzt sie sich in das Klubleben Berlins, doch schnell merkt sie, dass sie sich ab jetzt nur noch auf die Dinge konzentrieren sollte, die sie wirklich glücklich machen: auf das Reisen und das Schreiben. Aber wie umgehen mit der Nachricht, dass das eigene Leben kürzer sein wird als gedacht? Wie lernt man, wahrhaft im Moment zu leben?
Auf der Suche nach Antworten
durchstreift Pamela Spitz das Hinterland Portugals, lernt Surfen im Atlantik, wandert durch den Dschungel Costa Ricas und die Wüste Negev in Israel, stellt sich ihren jüdischen Wurzeln, lernt Arabisch in Ramallah, macht eine außergewöhnliche Kur in Indien, besucht ihre Schwester in Brasilien – und begibt sich auf die Spuren ihrer Kindheit in Ecuador und auf der spanischen Baleareninsel Formentera. In einem ehrlichen und humorvollen Ton nimmt uns Pamela Spitz mit auf ihre Reisen in die Ferne und zu sich selbst und erzählt von ihrem Leben mit Parkinson.
Wanderlust mit Mister Parkinson
von Pamela Spitz
Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-05510-8
€ 18
Auch erhältlich im ESA-Büro!
Text: Anabela Gaspar in ESA 11/2021
Fotos: Pamela Spitz